Stressfrakturen zählen zu den heimtückischsten Verletzungen
Ein Ermüdungsbruch kann Sportlern eine lange Leidenszeit bescheren. Catherine Mreches, Kyra Coulon, Laura Miller und Mateja Gajin haben das erfahren
Sie sind jung, gut trainiert und oft Stützen ihrer Nationalmannschaften. Und dann müssen sie plötzlich Monate lang pausieren. Wegen einer Verletzung, die manchmal rätselhaft erscheint. Den Basketballspielerinnen Catherine Mreches und Kyra Coulon, der Fußballerin Laura Miller und dem mehrfachen Volleyball-Meister Mateja Gajin ist das passiert. Ein Ermüdungsbruch – auch Stressfraktur genannt – oder eine Vorstufe davon hat ihnen eine lange Leidenszeit beschert.
„Es ist ein bisschen wie eine Achterbahnfahrt“, sagt Mreches über den langwierigen Heilungsverlauf, der für sie zur Geduldsprobe wurde. „Da waren immer mal wieder Wochen, in denen ich Rückfälle hatte. Manchmal habe ich immer noch welche.“Dabei ist es schon fast eineinhalb Jahre her, als sie erstmals „ein komisches Gefühl“im linken Schienbein verspürte. Es folgten Schmerzen, die zwischenzeitlich auch mal verschwanden, bis irgendwann gar nichts mehr ging. Rund zehn Monate musste die Kapitänin von T71 Düdelingen aussetzen. In der aktuellen Saison spielt sie wieder.
Ihre Nationalmannschaftskollegin Coulon hatte im Grunde Glück, dass sie wegen ihrer Schmerzen bereits eine Pause vom Leistungssport einlegte, ehe die Verletzung noch schlimmer wurde. „Mir wurde gesagt, dass es sich um einen kleinen Riss im Schienbein handelt und es ein Ermüdungsbruch werden könne, wenn ich weitertrainieren würde“, berichtet die 19-Jährige. Sie habe eine Vorstufe einer Stressfraktur.
Eine schwere Diagnose
Coulon war gerade dabei, sich in der Nationalmannschaft zu etablieren. Im September 2023 bestritt sie noch die ersten Liga-Spiele mit ihrem Club Basket Esch, dann kamen die Beschwerden. Die Sportlerin vermutete zunächst einen Bluterguss, aber die Schmerzen wurden größer. „Irgendwann konnte ich nicht mehr laufen, weil es so wehtat.“Dass es eine so langwierige Geschichte werden könnte, ahnte sie damals noch nicht. Basketball spielen kann sie immer noch nicht.
Derartige Verletzungen sind schwer zu diagnostizieren. „Zum einen sind die Beschwerden anfangs manchmal eher unspezifisch, sie beginnen schleichend und sind nicht genau zu lokalisieren“, erklärt Dr. Christian Nührenbörger, der Chef du Service de Médecine du Sport et de Prévention an der Sportklinik des CHL. Es handle sich um lokale Überlastungen der Knochenstruktur, die von Stressreaktionen der Knochenbälkchen bis zu den partiellen Stressfissuren und den vollständigen Stressfrakturen führen könnten. „Zum anderen ist die Röntgendiagnostik gerade zu Beginn der Beschwerden lange unauffällig“, so Nührenbörger. Oft ist die Blessur zunächst nur im MRT (IRM) sichtbar. Manchmal auch da nicht. Bei Coulon und Mreches brachte erst eine Computertomographie (CT) Klarheit.
Fußballerin Miller glaubte zunächst, sie habe eine Knochenhautentzündung. So etwas kannte sie von früher. Im September 2023 wurde ein Ermüdungsbruch im Schienbein festgestellt. Die Nationalmannschaftskapitänin konnte seit
her nicht mehr spielen. Auf den Bruch folgten Knieprobleme, der Zeitpunkt des Comebacks verschob sich immer weiter.
Im neuen Kalenderjahr hat sie bei ihrem Club Standard Liège mit dem Training begonnen. „Allmählich fühle ich mich wieder wie eine Fußballspielerin“, meint sie. Die Zwangspause hat die bislang erfolgreichste Zeit ihrer Karriere unterbrochen. Miller hatte den belgischen Pokal gewonnen und war als Standard-Kapitänin in die Folgesaison gestartet. „Ich habe gelernt, dass nach einem Hoch auch schnell wieder ein Tief kommen kann“, sagt sie heute.
Operation oder lange Pause
Volleyballer Gajin stand dem VC Strassen während der gesamten vergangenen Saison nicht oder nur als Reservist zur Verfügung, dabei war der Diagonalangreifer vor seinem Ermüdungsbruch ein absoluter Leistungsträger gewesen. Bei ihm wurde ein Loch im linken Schienbein entdeckt. „Ich war scho
ckiert, als mir die Ärzte sagten, es gebe zwei Möglichkeiten: Eine Operation oder ein Jahr Sportpause“, berichtet er. Gajin entschied sich für die Operation und spielt nun wieder. „Ich merke aber manchmal noch, dass ich nicht die gleiche Sprungkraft habe wie früher.“
Wie lange es nach einem Ermüdungsbruch bis zum Comeback dauert, ist ganz unterschiedlich. Laut Nührenbörger könne die Spanne zwischen vier Wochen und sechs Monaten variieren. „Der zu erwartende Zeitpunkt bis zur vollständigen Rückkehr zum Sport ist abhängig von Ort und Schweregrad der Verletzung“, erklärt der Experte. Man unterscheide zwischen „Low-risk“- und „High-risk“-Frakturen. Diese Einordnung hänge davon ab, wie gut ein Knochen durchblutet ist.
Neben der hohen sportlichen Beanspruchung gebe es andere Risikofaktoren wie biomechanische Fehlbelastungen, geringe Knochenmasse, hormonelle Störungen oder ein allgemeines Energiedefizit. Diese gelte es zu identifizieren und zu reduzieren, damit man Ermüdungsbrüchen vorbeugen könne.
Auch das ist oft schwierig. Mreches weiß nicht wirklich, warum sie die Stressfraktur erlitten hat. „Ich kann die Frage immer noch nicht beantworten“, sagt sie. Das macht ihr Sorgen: „Es könnte ja immer nochmal passieren. Aber wie soll man es verhindern, wenn man nicht weiß, wie es dazu kam?“
: Ich habe gelernt, dass nach einem Hoch auch schnell wieder ein Tief kommen kann. Laura Miller, Fußball-Nationalspielerin