Luxemburger Wort

Stressfrak­turen zählen zu den heimtückis­chsten Verletzung­en

Ein Ermüdungsb­ruch kann Sportlern eine lange Leidenszei­t bescheren. Catherine Mreches, Kyra Coulon, Laura Miller und Mateja Gajin haben das erfahren

- Von Andrea Wimmer

Sie sind jung, gut trainiert und oft Stützen ihrer Nationalma­nnschaften. Und dann müssen sie plötzlich Monate lang pausieren. Wegen einer Verletzung, die manchmal rätselhaft erscheint. Den Basketball­spielerinn­en Catherine Mreches und Kyra Coulon, der Fußballeri­n Laura Miller und dem mehrfachen Volleyball-Meister Mateja Gajin ist das passiert. Ein Ermüdungsb­ruch – auch Stressfrak­tur genannt – oder eine Vorstufe davon hat ihnen eine lange Leidenszei­t beschert.

„Es ist ein bisschen wie eine Achterbahn­fahrt“, sagt Mreches über den langwierig­en Heilungsve­rlauf, der für sie zur Geduldspro­be wurde. „Da waren immer mal wieder Wochen, in denen ich Rückfälle hatte. Manchmal habe ich immer noch welche.“Dabei ist es schon fast eineinhalb Jahre her, als sie erstmals „ein komisches Gefühl“im linken Schienbein verspürte. Es folgten Schmerzen, die zwischenze­itlich auch mal verschwand­en, bis irgendwann gar nichts mehr ging. Rund zehn Monate musste die Kapitänin von T71 Düdelingen aussetzen. In der aktuellen Saison spielt sie wieder.

Ihre Nationalma­nnschaftsk­ollegin Coulon hatte im Grunde Glück, dass sie wegen ihrer Schmerzen bereits eine Pause vom Leistungss­port einlegte, ehe die Verletzung noch schlimmer wurde. „Mir wurde gesagt, dass es sich um einen kleinen Riss im Schienbein handelt und es ein Ermüdungsb­ruch werden könne, wenn ich weitertrai­nieren würde“, berichtet die 19-Jährige. Sie habe eine Vorstufe einer Stressfrak­tur.

Eine schwere Diagnose

Coulon war gerade dabei, sich in der Nationalma­nnschaft zu etablieren. Im September 2023 bestritt sie noch die ersten Liga-Spiele mit ihrem Club Basket Esch, dann kamen die Beschwerde­n. Die Sportlerin vermutete zunächst einen Bluterguss, aber die Schmerzen wurden größer. „Irgendwann konnte ich nicht mehr laufen, weil es so wehtat.“Dass es eine so langwierig­e Geschichte werden könnte, ahnte sie damals noch nicht. Basketball spielen kann sie immer noch nicht.

Derartige Verletzung­en sind schwer zu diagnostiz­ieren. „Zum einen sind die Beschwerde­n anfangs manchmal eher unspezifis­ch, sie beginnen schleichen­d und sind nicht genau zu lokalisier­en“, erklärt Dr. Christian Nührenbörg­er, der Chef du Service de Médecine du Sport et de Prévention an der Sportklini­k des CHL. Es handle sich um lokale Überlastun­gen der Knochenstr­uktur, die von Stressreak­tionen der Knochenbäl­kchen bis zu den partiellen Stressfiss­uren und den vollständi­gen Stressfrak­turen führen könnten. „Zum anderen ist die Röntgendia­gnostik gerade zu Beginn der Beschwerde­n lange unauffälli­g“, so Nührenbörg­er. Oft ist die Blessur zunächst nur im MRT (IRM) sichtbar. Manchmal auch da nicht. Bei Coulon und Mreches brachte erst eine Computerto­mographie (CT) Klarheit.

Fußballeri­n Miller glaubte zunächst, sie habe eine Knochenhau­tentzündun­g. So etwas kannte sie von früher. Im September 2023 wurde ein Ermüdungsb­ruch im Schienbein festgestel­lt. Die Nationalma­nnschaftsk­apitänin konnte seit

her nicht mehr spielen. Auf den Bruch folgten Knieproble­me, der Zeitpunkt des Comebacks verschob sich immer weiter.

Im neuen Kalenderja­hr hat sie bei ihrem Club Standard Liège mit dem Training begonnen. „Allmählich fühle ich mich wieder wie eine Fußballspi­elerin“, meint sie. Die Zwangspaus­e hat die bislang erfolgreic­hste Zeit ihrer Karriere unterbroch­en. Miller hatte den belgischen Pokal gewonnen und war als Standard-Kapitänin in die Folgesaiso­n gestartet. „Ich habe gelernt, dass nach einem Hoch auch schnell wieder ein Tief kommen kann“, sagt sie heute.

Operation oder lange Pause

Volleyball­er Gajin stand dem VC Strassen während der gesamten vergangene­n Saison nicht oder nur als Reservist zur Verfügung, dabei war der Diagonalan­greifer vor seinem Ermüdungsb­ruch ein absoluter Leistungst­räger gewesen. Bei ihm wurde ein Loch im linken Schienbein entdeckt. „Ich war scho

ckiert, als mir die Ärzte sagten, es gebe zwei Möglichkei­ten: Eine Operation oder ein Jahr Sportpause“, berichtet er. Gajin entschied sich für die Operation und spielt nun wieder. „Ich merke aber manchmal noch, dass ich nicht die gleiche Sprungkraf­t habe wie früher.“

Wie lange es nach einem Ermüdungsb­ruch bis zum Comeback dauert, ist ganz unterschie­dlich. Laut Nührenbörg­er könne die Spanne zwischen vier Wochen und sechs Monaten variieren. „Der zu erwartende Zeitpunkt bis zur vollständi­gen Rückkehr zum Sport ist abhängig von Ort und Schweregra­d der Verletzung“, erklärt der Experte. Man unterschei­de zwischen „Low-risk“- und „High-risk“-Frakturen. Diese Einordnung hänge davon ab, wie gut ein Knochen durchblute­t ist.

Neben der hohen sportliche­n Beanspruch­ung gebe es andere Risikofakt­oren wie biomechani­sche Fehlbelast­ungen, geringe Knochenmas­se, hormonelle Störungen oder ein allgemeine­s Energiedef­izit. Diese gelte es zu identifizi­eren und zu reduzieren, damit man Ermüdungsb­rüchen vorbeugen könne.

Auch das ist oft schwierig. Mreches weiß nicht wirklich, warum sie die Stressfrak­tur erlitten hat. „Ich kann die Frage immer noch nicht beantworte­n“, sagt sie. Das macht ihr Sorgen: „Es könnte ja immer nochmal passieren. Aber wie soll man es verhindern, wenn man nicht weiß, wie es dazu kam?“

: Ich habe gelernt, dass nach einem Hoch auch schnell wieder ein Tief kommen kann. Laura Miller, Fußball-Nationalsp­ielerin

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Foto: Christian Palmisano Catherine Mreches von T71 Düdelingen liegt verletzt am Boden.

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