Skepsis in Moskau wegen blockiertem US-Geld für die Ukraine
Weil der Kongress erneut einen Gesetzentwurf durchfallen lässt, könnten der Ukraine bald Waffen und Munition ausgehen. Russland vermutet jedoch ein taktisches Manöver
Noch will es keine Seite richtig ernst nehmen. Gestern zitierten ukrainische wie russische Medien in seltener Eintracht einen Artikel der „New York Times“, wie die BidenAdministration trotz des im US-Kongress klemmenden Rüstungshilfspakets die Ukraine weiter unterstützen könnte: durch umfassenden Waffenaustausch mit den Europäern oder durch die mehr oder weniger freiwillige Finanzierung von US-Waffen für die Ukraine durch die Europäer.
Der US-Senat ließ zum wiederholten Mal einen Gesetzentwurf durchfallen, der unter anderem 60 Milliarden Dollar Unterstützung für die Ukraine vorsah. Ein Hilfspaket, über das sich Demokraten und Republikaner im Kongress seit Oktober nicht einigen wollen. Die Folgen könnten für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Putins Truppen dramatisch werden. Schon jetzt klagen Frontsoldaten über wachsenden Munitionsmangel, laut „Wall Street Journal“kommen auf ein von den Ukrainern abgefeuertes Artilleriegeschoss zehn russische.
Aber bisher reagieren beide Seiten skeptisch auf die immer offenkundige Unlust des US-Kongresses, die Waffenhilfe für die Ukraine fortzusetzen. Das Kiewer Portal „Glawred“berichtete am Donnerstag von einer für den Abend angesetzten Neuabstimmung des Hilfspakets im Senat, seine minimalen Chancen im Abgeordnetenhaus ließ man lieber unerwähnt. Experten kommentieren die Lage vorsichtig optimistisch. „Die ausbleibende Hilfe drückt auf die Nerven, lässt nicht zu, dass man strategische Pläne schmiedet“, sagt der Politologe Ihor Rejterowitsch. „Aber es bleibt die seriöse Hoffnung, dass das Problem gelöst wird.“Ähnlich äußert sich sein Kollege Maxim Rosumnyj: „Die Militärhilfe wird in irgendeiner Weise weitergehen, nur ihr Empfang könnte komplizierter und ihr Umfang geringer werden.“
Auch Russland wartet noch ab. Zwar frohlockte Wladimir Putin Mitte Dezember, die militärische „Freikost“für die Ukraine gehe zu Ende. Aber seine sonst so gern triumphierenden Propagandisten stimmten nicht ein: Für sie alle veranstaltet die USA den Ukraine-Konflikt, um Russland blutig zu vernichten, Kiew ist dabei nur Werkzeug, kein Verbündeter. Und es widerspricht dem Moskauer Glauben an die Allmacht des sogenannten Washingtoner „Deep States“, dass diese Schurkerei an oppositionellen Kongressabgeordneten scheitern könnte.
Aber auch in Kiew wachsen Zweifel an der amerikanischen Aufrichtigkeit. Frontblogger kritisieren seit Monaten, die von den USA und ihren Verbündeten gelieferten Waffensysteme träfen oft zu spät ein, defekt, in zu kleinen Stückzahlen und Kalibern. „Es mangelt wohl an politischem Wille“, sagt der Militärexperte Oleksiy Melnyk. Längst kursiert in der Kiewer Szene die
Version, Joe Biden habe den Streit mit den Republikanern über die ukrainische Waffenhilfe und die daran geknüpften Verschärfungen in der Migrationspolitik absichtlich entfacht, um die Waffenhilfe zu verzögern und die Ukrainer zu Verhandlungen mit Russland zu zwingen.
Russische USA-Kenner argwöhnen das Gleiche: „Warum haben die Demokraten den Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy abgewählt, der das Finanzpaket für die Ukraine sofort zur Abstimmung gestellt hätte? Obwohl klar war, dass sein Nachfolger viel unangenehmer und von Trump beeinflusst sein würde“, sagt der Moskauer Politologe Boris Meschujew. Die Demokraten wollten selbst die Mittel für die Ukraine einschränken, offenbar um Druck auf Selenskyj ausüben. Die Verantwortung aber wollten sie den Republikanern zuschieben, um sie als undemokratische Isolationisten hinzustellen.
Frontblogger kritisieren seit Monaten, die von den USA und ihren Verbündeten gelieferten Waffensysteme träfen oft zu spät ein, defekt, in zu kleinen Stückzahlen und Kalibern.
„Gleichzeitig zwingen sie Selenskyj, vollständig zur Defensive überzugehen oder in einen Verhandlungsprozess einzusteigen.“In Washington werde ein zynisches politisches Spiel gespielt.
Die Kiewer Medien aber wiederholten am Donnerstag im Chor den einst als „beleidigte Leberwurst“verspotteten Olaf Scholz. Es bräuchte jetzt ein klares Signal an Putin, hatte Scholz gesagt. „Das Signal nämlich, dass er nicht darauf rechnen kann, dass unsere Unterstützung nachlässt, sondern sie wird lange genug andauern und sie wird groß genug sein.“Für Kiew war es ein Signal neuer Hoffnung.