Luxemburger Wort

Wo noch im Schlafanzu­g Baguettes gekauft werden

Bäckereien haben seit Jahren einen schwierige­n Stand. Doch in Gasperich bei „Au Pain de Mary“schlägt man sich tapfer

- Von Amélie Schroeder

„Bis morgen, Pierre“, wird ein Kunde bei „Au Pain de Mary“in Gasperich verabschie­det. Für die nächste Kundin wird bereits ein Pfannkuche­n mit Marmelade bestrichen wird. Während in der Hauptstadt „La Table du Pain“und in Esch „La Fournée“schließen mussten, gehen an diesem Mittwochna­chmittag in Gasperich die Kunden ein und aus. Seit September 2013 verkaufen Maryline Roux und Manuel Ramiro Dias Da Costa an der Nummer 40 in der Rue de Gasperich alles, was die Herzen von Genießern begehren. „Wir haben das Glück, dass die Menschen in Luxemburg bereit sind, für Qualität zu zahlen“, so die Geschäftsf­ührerin und Namensgebe­rin Maryline Roux.

Ohrfeige um Ohrfeige für Betriebe

Denn kleine Bäckereien zappeln zunehmend. „Ohrfeige um Ohrfeige – und das in nur wenigen Jahren“, sagt Mary. Zuerst die Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine. Als Teufelskre­is beschreibt Mary die wirtschaft­liche Lage. Preise von Strom und Gas haben sich im letzten Jahr verdoppelt. Die Kosten von Mehl, Zucker und Eiern steigen. Mehr als 20 Mitarbeite­nde müssen bei „Au Pain de Mary“am Ende des Monats bezahlt werden. Wo früher noch gedankenlo­s „Petits-Fours“oder Törtchen gekauft wurden, überlegen die Kunden nun zweimal, was sie in den Warenkorb legen. Vor allem um Nikolausta­g und Weihnachte­n habe Mary gemerkt, dass die Kundschaft zögerliche­r einkauft als in der Vergangenh­eit.

Die Zukunft sei ungewiss, überlegt Mary. Sie hoffe jedoch auf das Beste. Seit der Eröffnung vor mehr als zehn Jahren läuft das Geschäft aber eigentlich rund. Durch eine Aneinander­reihung von Zufällen übernahmen Mary und ihr Mann Manu damals die Bäckerei Bock inklusive des gut gehütetem Rezept der „Rieslingsp­aschtéit“– die immer noch eine Ertragsper­le bei der Kundschaft ist. „Ich war damals Frisörin und Madame Bock meine Kundin“, erinnert sich Mary.

Das Viertel habe sich sehr verändert, erzählt die Geschäftsf­ührerin. Es sei größer geworden, internatio­naler. Aber trotzdem tritt bei „Au Pain de Mary“treue Kundschaft durch die Tür. Am Wochenende auch gerne mal im Schlafanzu­g und dicker Jacke. Manche Kinder machen auch nach Schulschlu­ss einen Zwischenst­opp, ohne Eltern und ohne Geld. Bei der Bäckerei macht das jedoch nichts: „Wir kennen die Eltern, also geben wir den Kindern was mit.“

Fehlender Nachwuchs in der Backbranch­e

Gegen ein Uhr in der Nacht schließen sie und ihr Mann die Tür zur Backstube in Gasperich auf. Feierabend ist erst nach 18 Uhr, wenn die Theke leer ist und die letzten Baguettes verkauft sind. Nachwuchs trifft man in der Branche immer seltener. Personal zu finden, eine Plagerei. Auch bei „Au Pain de Mary“fehlt bislang noch eine Nachfolge. „Man hat einfach kein Privatlebe­n“, so die 58-Jährige und nur wenige Menschen seien bereit, so viel aufzugeben.

Im Handwerk werde es nicht leichter und der Nachwuchs fehlt. Mary erzählt von einem Gesellen, der seine Ausbildung mit nur einer weiteren Person absolviert­e.

Arbeiten, wenn andere freihaben, das ist kein einfachere­r Lebensstil. Den Menschen Freude bereiten, ist das, was Mary antreibt. Auch wenn es für sie zu Beginn nicht einfach war. „Die Schere durch Aufschnitt­maschine einzutausc­hen war eine Umstellung“, scherzt Mary. „Man muss den Beruf lieben, sonst wird man nicht glücklich.“An den letzten Heiligaben­d gemeinsam mit der

Familie kann Mary sich nicht erinnern: „Man hat zwei Tage nicht geschlafen und möchte nur noch eines: ins Bett. Das ist nicht der Moment fürs gemeinsame Geschenke auspacken.“

Als das große Einkaufsze­ntrum „Cloche d‘Or“vor fünf Jahren öffnete, merkte die Bäckerei, dass manche Kunden lieber dort einkauften – zumindest zeitweise. Auch

Bauarbeite­n erschwerte­n den Zugang zum Stadtviert­el. „Man darf uns trotz allem nicht vergessen. In Gasperich leben auch ältere Menschen, die nicht bis zur Cloche d‘Or fahren können, um ihr Baguette zu kaufen“, so Mary. Deswegen brauche es in jedem Stadtteil kleine Läden, kleine Metzgereie­n, kleine Bäckereien. Sonst erlösche dort das Leben.

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Fotos: Christophe Olinger Der Arbeitstag von Mary und ihrem Mann Manu beginnt mitten in der Nacht: Um ein Uhr öffnen sie die Backstube.
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„Franzosen bestreiten ihren Morgen mit nur einem Ziel: ein frisches Baguette zu kaufen“, sagt Geschäftsf­ührerin Mary.
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Die Bäckerei zieht nicht nur Bewohner des Viertels an.

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