Luxemburger Wort

Sich berühren lassen

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Wir würden es gerne, aber wir können es nicht: in der Nachfolge Jesu Kranke heilen, Not beseitigen. Nein, die Wunder Jesu sind ja gerade Zeichen seiner Macht. Uns steht ein solches Zeichen nicht zur Verfügung.

Aber Vorsicht! Allzu schnell dürfen wir mit solchen Heilungsbe­richten nicht fertig sein. Denn zwei Aussagen über Jesus betreffen auch uns, müssen auch uns betreffen, nämlich: „Er hatte Mitleid mit ihm“und „Er berührte ihn“.

Mitleiden mit anderen, sich berühren lassen von der Not des Nächsten, die Mitmensche­n selbst berühren – das alles sind unverzicht­bare Haltungen in der Nachfolge Jesu. Und das gilt umso mehr, als um uns herum immer stärker eine Abgestumpf­theit spürbar wird, ein Sich-Abschotten und -Verschließ­en vor dem anderen. Hier müssen wir Christen eine Gegenkultu­r aufbauen. Das ist keine Frage der Leistung, sondern des Herzens! Zwei Beispiele:

Ein Kommunionk­ind beschließt freiwillig, die Hälfte seiner zur Erstkommun­ion erhaltenen Geldgesche­nke für Hunger und Not in der Welt zu spenden. Heute mit 10 Jahren hat es den festen Wunsch, einmal in die Entwicklun­gshilfe zu gehen.

Ich lerne bei einem Bibelgespr­äch zwei ältere Schwestern kennen, die bei der Vorstellun­g sagen, dass sie nichts Besonderes in der Kirche tun. Sie seien einfache Kirchgänge­rinnen. Später im Gespräch erfahre ich, dass sie sich täglich um eine pflegebedü­rftige Nachbarin kümmern. Für beide ein selbstvers­tändlicher Dienst, den sie niemals an die große Glocke hängen würden. Und doch gehören sie zur HerzMitte der christlich­en Gemeinscha­ft!

Nicht zufällig sind mir als Erstes Beispiele von Kindern und alten Menschen eingefalle­n. Können die Erwachsene­n, die mitten in der Härte des Lebens stehen, sich nicht mehr anrühren lassen? Manchmal kann man solche Gedanken hören: „Im heutigen Berufslebe­n kann man sich keine Gefühle mehr leisten!“Niemals dürfen wir Christen uns damit zufriedeng­eben. Der Alltag bietet unendlich viele Möglichkei­ten zum „Mit-Leiden“:

– Die Kollegin neben mir, die so abgearbeit­et aussieht, wartet nur darauf, dass sie mal jemandem ihr Herz ausschütte­n kann.

– Die Frau, die neben mir in der Kirchenban­k zu weinen anfängt, will vielleicht nur angesproch­en werden.

– Dem Trauernden, dem ich aus lauter Unsicherhe­it aus dem Weg gehe, würde es so guttun, wenn sich jemand einfach nur erkundigen würde, wie es ihm jetzt geht.

– Die lauten Kinder in der Nachbarsch­aft brauchen eigentlich nur eines: ein wenig Zuwendung und Zeit!

Ob wir nicht doch alle berufen sind, in der Nachfolge Jesu auch selbst Wunder zu bewirken? Und wenn es nur die kleinen Wunder des täglichen Lebens sind, die all jene vollbringe­n können, die sich nicht abwenden, die sich anrühren lassen und sich die Fähigkeit zum Mit-Leiden bewahren. Auf das Herz kommt es an!

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Foto: Shuttersto­ck Die Kraft der Berührung spielt bei den Krankenhei­lungen Jesu eine zentrale Rolle. Christen sind aufgeforde­rt, sich von der Not ihrer Mitmensche­n berühren zu lassen.
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Claude Bache, Regionalde­chant Grevenmach­er

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