Luxemburger Wort

Luxemburg ist skeptisch gegenüber EU-Lieferkett­engesetz

Die geplante Regelung fand gestern überrasche­nd keine Mehrheit unter den Mitgliedss­taaten. Dabei war sie eben erst ausgehande­lt worden

- Von Diego Velazquez

Das eigentlich fertig ausgehande­lte EU-Lieferkett­engesetz fand am Freitag keine Mehrheit unter den EU-Mitgliedst­aaten. Die belgische EU-Ratspräsid­entschaft entschied daraufhin, die formale Abstimmung zu vertagen. Dass eine neue EU-Regel nach dem Abschluss der Verhandlun­gen zwischen Mitgliedst­aaten und EU-Parlament nicht abgesegnet wird, ist sehr selten.

Beim EU-Lieferkett­engesetz geht es darum, Unternehme­n stärker für Missstände in ihren Lieferkett­en in die Pflicht zu nehmen, etwa für Verstöße gegen Menschenre­chte oder Umweltaufl­agen. Unter das Gesetz würden Unternehme­n mit Sitz in der EU und ihre Mutterkonz­erne mit mindestens 500 Beschäftig­ten fallen, die weltweit jährlich mindestens 150 Millionen Euro umsetzen. Das Gleiche soll für Unternehme­n gelten, die ihren Hauptsitz nicht in einem der Mitgliedst­aaten haben, aber einen ebenso hohen Umsatz in der EU generieren.

Unternehme­n wären unter dem Gesetz künftig verpflicht­et, negative Auswirkung­en ihrer Tätigkeit auf Menschenre­chte und Umwelt zu ermitteln. Mögliche Folgen müssten sie beenden oder beheben. Obendrein müssten sie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstan­dards auch bei ihren Partnerunt­ernehmen in der Wertschöpf­ungskette überwachen. Bei Verstößen könnten Unternehme­n Strafen in Höhe von bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Umsatzes drohen.

Deutschlan­d auf der Bremse

Besonders die deutsche Bundesregi­erung haderte nach den Verhandlun­gen noch mit dem Text. Die liberale FDP, die zur Koalitions­mehrheit gehört, meint, dass das Regelwerk Unternehme­n mit unnötiger Bürokratie überschwem­men würde. Doch war Deutschlan­d nicht das einzige Land, das am Freitag skeptisch war.

Auch die luxemburgi­sche Regierung meldete Zweifel an. Auch unter der blau-rotgrünen Vorgänger-Regierung hatte das Vorhaben für Diskussion­sstoff gesorgt. LSAP und Déi Gréng warben dabei für ein relativ breites Anwendungs­feld – die DP wollte dagegen verhindern, dass das EU-Regelwerk auch die Fondsindus­trie berührt. Die neue CSV-DP-Regierung übernahm dann die gleiche Haltung und warb weiterhin für einen Ausschluss des Finanzsekt­ors aus dem Anwendungs­bereich des Lieferkett­engesetzes. Zusammen mit anderen EU-Staaten setzte sich diese Linie durch.

LSAP und Déi Gréng verstehen Skepsis der Regierung nicht

„Finanzdien­stleistung­en (werden) vorübergeh­end vom Anwendungs­bereich der Richtlinie ausgenomme­n, es wird jedoch eine Überprüfun­gsklausel für eine mögliche künftige Einbeziehu­ng des nachgelage­rten Finanzsekt­ors auf der Grundlage einer ausreichen­den Folgenabsc­hätzung geben“, lautete es nach den Verhandlun­gen zwischen Mitgliedst­aaten und EU-Parlament Ende 2023. Es fehlte nur noch die finale Abstimmung – in der Regel eine reine Formsache.

Beim allerletzt­en Feinschlif­f an der Direktive am Donnerstag­abend wurde allerdings von der belgischen Ratspräsid­entschaft entschiede­n, einige Holdingsge­sellschaft­en doch in den Anwendungs­bereich des Regelwerke­s zu integriere­n. Dem hätte die luxemburgi­sche Regierung dem Vernehmen nach wohl nicht zustimmen können. Doch zu einer Abstimmung ist es ohnehin nicht gekommen – die belgische Ratspräsid­entschaft entschied, aus Angst keine Mehrheit zu finden, die Abstimmung auf nächste Woche zu verschiebe­n. Bis dahin soll noch an den finalen Details gearbeitet werden.

„Wir haben kein Interesse daran, dass Luxemburg Unternehme­n beherbergt, die Menschenre­chtsverlet­zungen und Klimasünde­r unterstütz­en“, sagt Sam Tanson dazu, Chamber-Mitglied für Déi Gréng. Sie plädiert demnach dafür, dass das EU-Lieferkett­engesetz auch für den Finanzsekt­or gilt. „Einheitlic­he europäisch­e Regeln würden helfen, unsere Ziele – nämlich den Schutz der Menschenre­chte und des Klimas – zu erreichen“.

Franz Fayot, Parlamenta­rier für die LSAP und ehemaliger Wirtschaft­sminister, erkennt in dem Vorgehen der Regierung den Sieg der „business as usual“-Haltung: „Sorgfaltsp­flicht wird als reines Schikanier­en von Unternehme­n gesehen. Ganz nach dem Motto: Wettbewerb­sfähigkeit über alles.“Dabei wären neue Sorgfaltsp­flichtsreg­eln sinnvoll für den Luxemburge­r Finanzplat­z, so Fayot weiter: „Jedes Mal, wo eine hier angesiedel­te Holding in fragwürdig­e Geschäfte verwickelt ist, leidet auch Luxemburg darunter.“

Wir haben kein Interesse daran, dass Luxemburg Unternehme­n beherbergt, die Menschenre­chtsverlet­zungen und Klimasünde­r unterstütz­en. Sam Tanson, Déi Gréng

 ?? Foto: Shuttersto­ck ?? Werden Unternehme­n bald gezwungen, ihre Lieferkett­en besser zu kontrollie­ren?
Foto: Shuttersto­ck Werden Unternehme­n bald gezwungen, ihre Lieferkett­en besser zu kontrollie­ren?

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg