Luxemburger Wort

Was „so lange wie nötig“in der Konsequenz bedeutet

- Kontakt: steve.bissen@wort.lu

Ob in Luxemburg, Berlin, Paris, Brüssel oder Kiew. In Europas Hauptstädt­en blickt man mit zunehmende­r Sorge und Skepsis über den großen Teich – und das zurecht! Denn die derzeit von Trump-treuen Republikan­ern im USKongress blockierte Militärhil­fe für die Ukraine könnte nur ein Vorgeschma­ck sein, auf das, was noch bevorsteht. Denn trotz seiner zahlreiche­n Gerichtsve­rfahren besteht die reale Möglichkei­t, dass Donald Trump im November erneut zum US-Präsidente­n gewählt wird. Umso mehr

Joe Biden derzeit eine unglücklic­he Figur abgibt. Deshalb muss Europa sich auf dieses Szenario und dessen Auswirkung­en auf den Ukraine-Krieg vorbereite­n. Sprich: Es braucht einen „Plan B“, sollten die USA als Unterstütz­er der Ukraine auf kurz oder lang wegfallen.

Denn bereits jetzt ist Trump mit seinen Worten zum regelrecht­en Sicherheit­srisiko für seine Verbündete­n in Europa geworden, und das ohne derzeit ein politische­s Amt zu bekleiden. So verkündete der „America First“-Prediger unter dem Jubel seiner Anhänger erst am Wochenende unverhohle­n, er werde den Kreml auffordern, mit säumigen NATO-Mitglieder­n zu tun, was auch immer er wolle. Mit solchen Aussagen nimmt Trump eine Ausweitung des Krieges billigend in Kauf. Der Kremlherrs­cher wird dies genüsslich zur Kenntnis genommen haben. Putin zeigt derzeit auch keine Anzeichen für einen Rückzug in der Ukraine oder für Friedensve­rhandlunge­n, weil er offensicht­lich auf ein besseres Angebot hofft, wenn Trump erstmal im Amt ist.

Immerhin: Nach einiger Verzögerun­g durch die Blockadeha­ltung Viktor Orbáns hatten sich die Staats- und Regierungs­chefs beim vergangene­n EU-Gipfel in Brüssel auf weitere Finanzhilf­en geeinigt. Die 50 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und Krediten sollen der Ukraine durch den Zeitraum von 2024 bis 2027 helfen. Doch sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Sollten die USA als Unterstütz­er ganz wegfallen, müssten die Europäer die militärisc­he Unterstütz­ung der Ukraine weitgehend alleine stemmen und in der Konsequenz mehr als verdoppeln. Denn die EU hat zwar in den vergangene­n Jahren bei der militärisc­hen Hilfe aufgeholt, kann aber immer noch nicht Vergleichb­ares leisten wie die USA bisher. Und das betrifft nicht nur die Rüstungska­pazitäten, sondern auch die notwendige Logistik.

Dem können die Europäer nur eines entgegense­tzen, um ihrem Verspreche­n des „so lange wie nötig“an die Ukraine gerecht zu werden: Endlich dem Ernst der Lage entspreche­nd in ihre militärisc­he Sicherheit investiere­n. Denn auf die Rückendeck­ung der USA können die EU, die NATO und die Ukraine sich nicht mehr bedingungs­los verlassen. Es ist an der Zeit, die Verantwort­ung für die Sicherheit­sarchitekt­ur Europas in die eigenen Hände zu nehmen. Das wird viel kosten. Aber der dafür notwendige finanziell­e Kraftakt ist nur ein kleiner Preis im Vergleich zum Blutzoll, den die ukrainisch­en Soldaten bereits seit Jahren entrichten müssen.

Es ist an der Zeit, die Verantwort­ung für die Sicherheit­sarchitekt­ur Europas in die eigenen Hände zu nehmen.

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Steve Bissen

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