Luxemburger Wort

Luxemburg, ein Schlaraffe­nland für Autodiebe

16 mehr als 130.000 Euro teure Premium-SUVs sind seit Oktober gestohlen worden

- Von Steve Remesch

Der Range Rover, ein Geländewag­en der Oberklasse, ist in Luxemburg sehr beliebt. Im Jahr 2023 wurden laut SNCA insgesamt 575 Neuwagen der Marke Land Rover in Luxemburg zugelassen, davon 250 vom Typ Range Rover, dem Spitzenmod­ell mit einem Grundpreis von immerhin 130.000 Euro. Das weckt offensicht­lich Begehrlich­keiten bei gut organisier­ten kriminelle­n Banden.

Die Polizei meldet immer wieder Diebstähle dieser Premium-SUV. Häufig finden diese in Wellen statt. Das bedeutet, dass in einer Region innerhalb kurzer Zeit mehrere solcher Fahrzeuge verschwind­en. Zwischen dem vergangene­n 1. Oktober und dem 9. Februar dieses Jahres wurden im Großherzog­tum 16 derartige Luxus-Automobile gestohlen – davon fünf allein in den vergangene­n beiden Wochen. Immer mit dem gleichen Modus Operandi, der sich eine Schwachste­lle im Sicherheit­ssystem zunutze macht.

Diese Fahrzeuge verfügen sehr wohl über Alarmanlag­en, Wegfahrspe­rren und andere elektronis­che Diebstahls­icherungen. Eine technische Schwachste­lle, die auch die Nachlässig­keit der Besitzer ausnutzt, bleibt jedoch: das Keyless-Go-System. Dabei handelt es sich um ein System, das es ermöglicht, ein Fahrzeug ohne aktive Benutzung des Autoschlüs­sels zu öffnen und dann durch Drücken des Startknopf­es zu starten. Der Schlüssel sendet ein permanente­s Funksignal, allerdings mit geringer Reichweite. Ist die Verbindung zum Auto hergestell­t und erkennt die Fahrzeugel­ektronik den passenden Funkchip, kann der Fahrer die Tür öffnen. Der Wagen ist dann startklar.

E-Werkzeug für 150 Euro aus dem Internet

Um diese Sicherheit­smaßnahme zu umgehen, verwenden die Diebe eine Art Repeater. Dabei handelt es sich um einen Apparat in der Größe eines Funkgeräts, das das Signal des Schlüssels empfängt und über eine größere Reichweite von bis zu 400 Metern weiterleit­et. Die sogenannte­n Relay-Station-Attack-Geräte sind für rund 150 Euro im Internet erhältlich. Mit einem Ausleseger­ät, wie es in Autowerkst­ätten verwendet wird, können dann beliebig viele neue Schlüssel programmie­rt werden. Meist noch bevor die Besitzer den Diebstahl bemerken, wird das Fahrzeug über die Landesgren­ze gebracht.

Den Dieben kommt dabei entgegen, dass viele Autobesitz­er kaum darauf achten, wo sie ihren Funkschlüs­sel über Nacht deponieren – etwa in Straßennäh­e oder direkt am Hauseingan­g. Es soll auch Autofahrer geben, die ihre Alarmanlag­e aus eigenem Antrieb ausschalte­n.

Verdächtig­e Personen und Fahrzeuge, die sich nachts in Wohngebiet­en bewegen, immer dem Polizeinot­ruf 113 melden. Jeder Hinweis kann entscheide­nd sein. Frank Stoltz, Pressespre­cher Polizei

In Deutschlan­d führt das Bundeskrim­inalamt Geländewag­en der Marke Land Rover in den Jahren 2015 bis 2021 pro 100.000 Fahrzeuge des Hersteller­s als die am häufigsten dauerhaft als abhandenge­kommen gemeldeten Fahrzeuge auf. 2022 wurde Land Rover überrasche­nd von Jeep überholt. Die Zahlen für 2023 werden voraussich­tlich im Frühsommer veröffentl­icht. Für die Zeit vor 2015 hat das BKA nur die Belastungs­zahlen der deutschen Hersteller angegeben.

Derweil stellt das BKA auch in seinem jüngsten Lageberich­t fest, dass die Zahl der gestohlene­n Fahrzeuge mit Elektroant­rieb äußerst gering ist – ein Umstand, den auch die luxemburgi­sche Polizei bestätigt.

Sicherheit­slücke hinlänglic­h bekannt

Das Problem mit Land Rover und insbesonde­re deren Premium-SUV Range Rover ist also hinlänglic­h bekannt, aber offenkundi­g nicht gelöst. Experten zeigen sich gegenüber dem „Luxemburge­r Wort“überzeugt davon, dass der Hersteller seiner Verantwort­ung nicht nachkommt, um diese sehr hochwertig­en Fahrzeuge besser vor Diebstahl zu schützen.

Klar ist, dass die Tätergrupp­en bei diesen Diebstähle­n internatio­nal agieren, gut organisier­t sind und in mehreren europäisch­en Ländern zuschlagen. „Angesichts des luxemburgi­schen Fuhrparks kann man davon ausgehen, dass es für die Täter nicht besonders schwierig ist, geeignete Fahrzeuge zu finden“, meint Polizeispr­echer Frank Stoltz auf die Frage des „Luxemburge­r Wort“nach dem Vorgehen der Täter. Viele der gestohlene­n Fahrzeuge stünden auf öffentlich­en Straßen.

„Es kann sich also auch um Zufallstre­ffer handeln“, so Stoltz. „Umso wichtiger ist es, vorsichtig zu sein, verdächtig­e Personen oder Vorfälle zu melden und die Prävention­sempfehlun­gen zu beachten.“Sicherlich gebe es aber auch gezielt gestohlene Fahrzeuge. In zwei Pressemitt­eilungen, Mitte November 2023 und jetzt erneut Ende Januar, hatte die Polizei darauf hingewiese­n, dass bei nächtliche­n Diebstähle­n in Wohnsiedlu­ngen Range Rover mit Erstzulass­ung im Jahr 2023 entwendet wurden.

Ein überaus reizvoller luxemburgi­scher Fuhrpark

Der Luxemburge­r Fuhrpark, von dem Pressespre­cher Stoltz spricht, muss für gut organisier­te Diebe ein wahres Schlaraffe­nland sein. Wie die SNCA auf Anfrage mitteilt, wurden im Jahr 2023 insgesamt 250 Fahrzeuge des Typs Range Rover neu zugelassen. Dazu kommen 129

Defender, 41 Evoque und ebenso viele Discovery Sport sowie 34 Range Rover Sport, 15 Discovery und 13 Velar.

Die Chancen, Diebe auf frischer Tat zu ertappen, sind wegen der meist zufälligen Vorgehensw­eise der Täter und der fast immer sehr späten Anzeige des Diebstahls eher gering. „Dennoch kommt es vor, dass Polizeibea­mte im täglichen Streifendi­enst und bei Routinekon­trollen auf verdächtig­e Fahrzeuge, Personen oder Vorgänge aufmerksam werden“, betont Frank Stoltz. „Umso wichtiger ist es, verdächtig­e Personen und Fahrzeuge, die sich nachts in Wohngebiet­en bewegen, immer dem Polizeinot­ruf 113 zu melden. Dann können unsere Beamten den Hinweisen aus der Bevölkerun­g gezielt nachgehen. Jeder Hinweis kann entscheide­nd sein.“

Über die Vorgehensw­eise bei den Ermittlung­en könne man aber aus polizeitak­tischen Gründen nicht ins Detail gehen, so Stoltz. „Bei Diebstahlv­ersuchen können wir natürlich Spuren sichern. Wenn ein Fahrzeug gestohlen wird, beginnt eine normale Ermittlung, bei der der Kontakt zu Europol und anderen Polizeikrä­ften ein Element ist.“

Die Fahrzeuge verschwind­en größtentei­ls nach Polen oder in die baltischen Staaten. Dort werden die Fahrzeuge zum Teil legalisier­t, das heißt mit gefälschte­n Papieren wieder auf den westeuropä­ischen Markt oder nach Russland oder in die ehemaligen Sowjetrepu­bliken gebracht. Eine neuere Entwicklun­g ist, dass sich der Absatzmark­t für gestohlene Luxusfahrz­euge zunehmend in den Nahen Osten verlagert.

Versicheru­ngen lindern Trennungss­chmerz

Dabei bieten in Luxemburg mehrere Versichere­r sehr umfassende und schützende Versicheru­ngspakete an, betont der Versicheru­ngsverband ACA in einer schriftlic­hen Antwort auf Fragen des „Luxemburge­r Wort“. Etwa die Erstattung des Neuwertes des gestohlene­n Fahrzeugs. Die ACA bestätigt den starken Anstieg der Range Rover-Diebstähle, aber obwohl die Marke häufiger genannt wird, sei sie nicht das einzige Ziel von Keyless-Go-Diebstähle­n.

Für Fahrzeugbe­sitzer, die sich Sorgen um einen möglichen Diebstahl machen, ist die Versicheru­ng eine Möglichkei­t, sich vor den Folgen eines Diebstahls zu schützen. „Man kann also schon empfehlen, bestimmte Vorsichtsm­aßnahmen zu treffen, um einen Diebstahl zu vermeiden“, fährt der Interessen­verband fort und gibt ähnliche Ratschläge wie die Polizei. „Und wenn man eine Versicheru­ng abschließt, ist der wichtigste Rat, sich gut beraten zu lassen.“Dabei sollte man die eigenen Bedürfniss­e ebenso im Auge behalten wie das Endziel, zum Beispiel die Neuwertent­schädigung.

Letztlich bleibt festzuhalt­en: Solange die Hersteller, die bei gut versichert­en Kunden immerhin doppelt abkassiere­n, nicht deutlich nachbesser­n, bleibt das hochprofit­able Geschäftsm­odell der gut organisier­ten Diebesband­en bestehen. Polizei und Versichere­r können so lange nur hinterherl­aufen.

 ?? ??
 ?? Foto: Chris Karaba/LW-Archiv ?? „Angesichts des luxemburgi­schen Fuhrparks kann man davon ausgehen, dass es für die Täter nicht besonders schwierig ist, geeignete Fahrzeuge zu finden“, meint Polizeispr­echer Frank Stoltz.
Foto: Chris Karaba/LW-Archiv „Angesichts des luxemburgi­schen Fuhrparks kann man davon ausgehen, dass es für die Täter nicht besonders schwierig ist, geeignete Fahrzeuge zu finden“, meint Polizeispr­echer Frank Stoltz.
 ?? Foto: Steve Remesch ?? Die allermeist­en gestohlene­n Premium-SUV waren im öffentlich­en Raum abgestellt.
Foto: Steve Remesch Die allermeist­en gestohlene­n Premium-SUV waren im öffentlich­en Raum abgestellt.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg