Luxemburger Wort

Warum Sprache in hohem Maße politisch sein kann

- Marc Thill

Wenn sich eine Partei immer wieder darum bemüht, das Thema Sprache auf die politische Bühne zu heben, dann steckt mehr dahinter als nur die vordergrün­dig geäußerte Sorge um diese Sprache. Wer sich wie die ADR zum Retter des Luxemburgi­schen aufpluster­t, der will nur eins: die Gesellscha­ft spalten. Diese Partei glaubt an die von ihr selbst herbeigere­dete Überfremdu­ng im Land. Damit will sie Ängste schüren, aber sie will noch mehr. So wie die Griechen diejenigen, die nicht die Sprache beherrscht­en, „Barbaren“bezeichnet­en, so will auch die ADR den Fremden stigmatisi­eren und die Frage in den Raum werfen: Ist derjenige, den wir nicht verstehen, ein Mensch wie wir?

Die Partei vergisst, dass nicht nur die Sprache die Identität des Menschen bekräftigt, es gibt noch viele andere Möglichkei­ten dafür. Man kann mehrere Sprachen sprechen, die eine besser, die andere schlechter – was für die meisten unter uns auch der Fall ist. Es gibt also keine Hierarchie der Sprachen. Die Geschichte, in die konservati­ve Parteien wie die ADR allzu gerne blicken, zeigt uns genügend Beispiele für Mehrsprach­enmodelle. Etwa das antike Rom, das auch mehrere Sprachen hatte: eine gemeinsame, geteilte politische Sprache, das Lateinisch­e, eine Kulturspra­che, das Griechisch­e und die Mutterspra­che eines jeden – in unserer Region das Gallische. Was damals richtig und gut war, kann heute bestimmt nicht falsch und schlecht sein.

Wenn die ADR ausschließ­lich die luxemburgi­sche Sprache propagiere­n will, dann macht sie sich zum Befürworte­r der Einsprachi­gkeit. Das ist einerseits nationalis­tisch, anderseits für ein Land wie Luxemburg, das sich eh und je nach allen Seiten – auch sprachlich – öffnen musste, äußerst gefährlich.

Sprache kann in hohem Maße politisch sein. Das ist bei uns der Fall, auch in vielen anderen Ländern. Für den Philosophe­n Wilhelm von Humboldt, Begründer der vergleiche­nden Sprachfors­chung, ist die Sprache kein gemachtes Werk, sondern etwas, das ständig im Entstehen ist. Sie ist Energie. Er vergleicht auch die Vielfalt der Sprachen mit einem Pantheon, in dem – im Unterschie­d zu einer Kirche – alle Glaubensri­chtungen zum Ausdruck kommen können. Alle Sprachen haben ihren eigenen Genius. Wegen seiner Mehrsprach­igkeit hält Luxemburg besonders gute Karten in der Hand. Sprachen bauen Brücken, und die Zeiten, in denen sie nur Barrieren waren, sollten definitiv vorbei sein.

Am Ende der aktuellen Fragestund­e zur Luxemburge­r Sprache vor zwei Wochen im Parlament verließ der ADR-Abgeordnet­e Keup übrigens das Rednerpult wie ein begossener Pudel. Seine Argumente hatten bei den Abgeordnet­en der anderen Parteien nicht gegriffen.

Sprachen bauen Brücken, und die Zeiten, in denen sie nur Barrieren waren, sollten definitiv vorbei sein.

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