Warum Sprache in hohem Maße politisch sein kann
Wenn sich eine Partei immer wieder darum bemüht, das Thema Sprache auf die politische Bühne zu heben, dann steckt mehr dahinter als nur die vordergründig geäußerte Sorge um diese Sprache. Wer sich wie die ADR zum Retter des Luxemburgischen aufplustert, der will nur eins: die Gesellschaft spalten. Diese Partei glaubt an die von ihr selbst herbeigeredete Überfremdung im Land. Damit will sie Ängste schüren, aber sie will noch mehr. So wie die Griechen diejenigen, die nicht die Sprache beherrschten, „Barbaren“bezeichneten, so will auch die ADR den Fremden stigmatisieren und die Frage in den Raum werfen: Ist derjenige, den wir nicht verstehen, ein Mensch wie wir?
Die Partei vergisst, dass nicht nur die Sprache die Identität des Menschen bekräftigt, es gibt noch viele andere Möglichkeiten dafür. Man kann mehrere Sprachen sprechen, die eine besser, die andere schlechter – was für die meisten unter uns auch der Fall ist. Es gibt also keine Hierarchie der Sprachen. Die Geschichte, in die konservative Parteien wie die ADR allzu gerne blicken, zeigt uns genügend Beispiele für Mehrsprachenmodelle. Etwa das antike Rom, das auch mehrere Sprachen hatte: eine gemeinsame, geteilte politische Sprache, das Lateinische, eine Kultursprache, das Griechische und die Muttersprache eines jeden – in unserer Region das Gallische. Was damals richtig und gut war, kann heute bestimmt nicht falsch und schlecht sein.
Wenn die ADR ausschließlich die luxemburgische Sprache propagieren will, dann macht sie sich zum Befürworter der Einsprachigkeit. Das ist einerseits nationalistisch, anderseits für ein Land wie Luxemburg, das sich eh und je nach allen Seiten – auch sprachlich – öffnen musste, äußerst gefährlich.
Sprache kann in hohem Maße politisch sein. Das ist bei uns der Fall, auch in vielen anderen Ländern. Für den Philosophen Wilhelm von Humboldt, Begründer der vergleichenden Sprachforschung, ist die Sprache kein gemachtes Werk, sondern etwas, das ständig im Entstehen ist. Sie ist Energie. Er vergleicht auch die Vielfalt der Sprachen mit einem Pantheon, in dem – im Unterschied zu einer Kirche – alle Glaubensrichtungen zum Ausdruck kommen können. Alle Sprachen haben ihren eigenen Genius. Wegen seiner Mehrsprachigkeit hält Luxemburg besonders gute Karten in der Hand. Sprachen bauen Brücken, und die Zeiten, in denen sie nur Barrieren waren, sollten definitiv vorbei sein.
Am Ende der aktuellen Fragestunde zur Luxemburger Sprache vor zwei Wochen im Parlament verließ der ADR-Abgeordnete Keup übrigens das Rednerpult wie ein begossener Pudel. Seine Argumente hatten bei den Abgeordneten der anderen Parteien nicht gegriffen.
Sprachen bauen Brücken, und die Zeiten, in denen sie nur Barrieren waren, sollten definitiv vorbei sein.