Luxemburger Wort

Trump empfiehlt Russland Angriff auf säumige NATO-Staaten

Die beispiello­se Hetze des ehemaligen US-Präsidente­n gegen das Militärbün­dnis hat scharfe Kritik und lahme Entschuldi­gungen ausgelöst. Die Drohungen bei einem Wahlkampfa­uftritt erreichten eine neue Qualität

- Von Thomas Spang (Washington)

Jens Stoltenber­g hält sich in seiner Rolle als NATO-Generalsek­retär gewöhnlich mit politische­n Bewertunge­n zurück. Nicht so nach den Äußerungen Donald Trumps bei einem Wahlkampfa­uftritt in Conway im US-Bundesstaa­t South Carolina. „Jede Andeutung, dass Verbündete einander nicht verteidige­n werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit“, erklärte Stoltenber­g. „Ich erwarte, dass die USA unabhängig vom Ausgang der Präsidents­chaftswahl­en ein starker und verlässlic­her NATO-Verbündete­r bleiben.“

Während Trumps Ermunterun­g für Wladimir Putin, NATO-Mitglieder anzugreife­n, die nicht genügend für ihre Verteidigu­ng tun, auf einstimmig­e Verurteilu­ng in Europa stieß, fiel das Echo in den USA gemischt aus. „Angriffe eines mörderisch­en Regimes auf unsere engsten Alliierten zu ermutigen, ist ungeheuerl­ich und vollkommen verrückt“, heißt es in einer Erklärung des Weißen Hauses. „Das gefährdet die nationale Sicherheit Amerikas, die globale Stabilität und unsere Wirtschaft im Inland.“

Der republikan­ische Senator Lindsey Graham spielt die Äußerungen dagegen herunter. „Er wird das nicht machen“, versichert der Trump-Verbündete. Zu einem NATO-Rückzug werde es nicht kommen. „Aber er wird die Leute dazu bringen, mehr zu zahlen.“Sein Parteifreu­nd Marco Rubio sieht es ähnlich. Der Kandidat sei kein traditione­ller Politiker. Er habe bloß „eine Geschichte erzählt“.

Bolton: „Drohung ernstnehme­n“

Der „America-first“Kandidat hatte bei der Wahlkampfv­eranstaltu­ng darüber schwadroni­ert, wie er mit traditione­llen Verbündete­n der USA bei Rückkehr ins Weiße Haus umgehen würde, die das Land ausnutzten. In einer seiner typischen Vermischun­gen aus tatsächlic­hen Begebenhei­ten und freien Erfindunge­n erzählte Trump, wie er den „Präsidente­n eines großen Landes“gemaßregel­t habe. Wobei unklar blieb, ob sich dies so jemals zugetragen hat.

Laut der blumigen Ausschmück­ung seiner Wahlkampfr­ede habe der Führer der befreundet­en Macht ihn gefragt, „beschützen Sie uns, wenn wir von Russland angegriffe­n werden?“Darauf habe er geantworte­t, wenn das Land nicht für seine Verteidigu­ng bezahlt habe, würde er das nicht tun. Er würde Moskau „ermuntern, zu tun, was sie verdammt noch mal machen wollen.“

Während Trumps Klage über angeblich „säumige“NATO-Verbündete in Europa, die sich zulasten der USA einen schlanken Fuß machten, nicht neu ist, löste die offene Einladung an den Kreml zur Aggression gegen NATO-Mitglieder Alarm aus. Trumps ehemaliger nationaler Sicherheit­sberater, John Bolton, meint, die Äußerungen müssten ernst genommen werden. Er habe „nicht den geringsten Zweifel“, dass er bei einer Rückkehr ins Weiße Haus versuchen werde, aus der NATO auszutrete­n. In seinen Memoiren hatte Bolton geschriebe­n, er habe Trump wiederholt einen Austritt ausreden müssen.

Analysten lesen diese Drohung auch aus einer ominösen Passage auf Trumps Wahlkampfs­eite im Netz heraus. „Wir müssen den Prozess beenden, den wir in meiner Regierung begonnen hatten, den Zweck der

NATO und die Mission der NATO fundamenta­l zu überdenken.“

Im Unterschie­d zu 2016 ist Trump beim zweiten Anlauf auf die Präsidents­chaft besser organisier­t. Er kann sich auf Konzepte stützen, die isolationi­stische „Amerika-Zuerst“-Institute wie die ‚Heritage Foundation‘ oder der ‚Center for Renewing America‘ erarbeitet haben. Während „Heritage“dafür wirbt, der Ukraine kein weiteres Geld zu geben, hat der „Center“mit der Blaupause für eine „schlafende NATO“(„Dormant NATO“) aufhorchen lassen.

Europa selbst für Sicherheit verantwort­lich

Das Strategie-Papier mit dem Titel „Pivoting the U.S. Away From Europe to a Dormant NATO“erklärt es zur „Priorität“für die USA, sich von Europa abzuwenden und die NATO in den Dornrösche­nschlaf zu schicken. Die Verbündete­n müssten „die Sicherheit an Europas Grenzen und Flanken in erster Linie selbst gewährleis­ten“. Dies werde ohne eine abrupte Umschichtu­ng der Lasten nach Europa und ein Zurückdrän­gen der NATO-Bürokratie nicht passieren.

„Lasten-Umverteilu­ng ist eine unilateral­e Ausübung von Macht, die amerikanis­chen Interessen dient“, heißt es in der Blaupause, die das Denken Trumps und seiner Berater spiegelt. „Dadurch entstehen rapide und feste Abfolgen, die Europa zwingen, für Ressourcen und Alternativ­en zu planen.“Russland sei keine Bedrohung, weil es zu geschwächt sei. „Die NATO verdient es nicht, als Block verteidigt zu werden. Sie unterminie­rt nationale Interessen“.

Trumps Äußerungen in South Carolina folgen dieser Linie. Einfacher, direkter und noch einen Schritt weiter. Bei seinen „Make-America-Great-Again“-Anhängern in South Carolina kam das gut. Die zunehmend isolationi­stische Ausrichtun­g der Republikan­er reflektier­t sich auch in dem Ringen um weitere Hilfen für die von Russland überfallen­e Ukraine.

Die Senatoren der Trump-Partei ringen um den endgültige­n Wortlaut eines Gesetzes, das den Weg zu 61 Milliarden Dollar an Hilfen für Kiew freimachen soll. Dessen Schicksal wäre selbst bei Zustandeko­mmen eines Kompromiss­es mehr als ungewiss, weil die von MAGA-Abgeordnet­en dominierte Fraktion im Repräsenta­ntenhaus der Ukraine den Geldhahn abdrehen will.

Trump selbst hatte wiederholt gesagt, er würde den Krieg bei einer Rückkehr ins Weiße Haus innerhalb von 24 Stunden beenden. Da Wladimir Putin auf die Einverleib­ung der gewaltsam eroberten Gebiete in der Ukraine besteht, ginge dies nach Ansicht von Experten realistisc­h gesehen nur, indem er den Autokraten gewähren lässt.

Die zunehmend isolationi­stische Ausrichtun­g der Republikan­er reflektier­t sich auch in dem Ringen um weitere Hilfen für die von Russland überfallen­e Ukraine.

 ?? Karikatur: Florin Balaban ??
Karikatur: Florin Balaban

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg