Trump empfiehlt Russland Angriff auf säumige NATO-Staaten
Die beispiellose Hetze des ehemaligen US-Präsidenten gegen das Militärbündnis hat scharfe Kritik und lahme Entschuldigungen ausgelöst. Die Drohungen bei einem Wahlkampfauftritt erreichten eine neue Qualität
Jens Stoltenberg hält sich in seiner Rolle als NATO-Generalsekretär gewöhnlich mit politischen Bewertungen zurück. Nicht so nach den Äußerungen Donald Trumps bei einem Wahlkampfauftritt in Conway im US-Bundesstaat South Carolina. „Jede Andeutung, dass Verbündete einander nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit“, erklärte Stoltenberg. „Ich erwarte, dass die USA unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen ein starker und verlässlicher NATO-Verbündeter bleiben.“
Während Trumps Ermunterung für Wladimir Putin, NATO-Mitglieder anzugreifen, die nicht genügend für ihre Verteidigung tun, auf einstimmige Verurteilung in Europa stieß, fiel das Echo in den USA gemischt aus. „Angriffe eines mörderischen Regimes auf unsere engsten Alliierten zu ermutigen, ist ungeheuerlich und vollkommen verrückt“, heißt es in einer Erklärung des Weißen Hauses. „Das gefährdet die nationale Sicherheit Amerikas, die globale Stabilität und unsere Wirtschaft im Inland.“
Der republikanische Senator Lindsey Graham spielt die Äußerungen dagegen herunter. „Er wird das nicht machen“, versichert der Trump-Verbündete. Zu einem NATO-Rückzug werde es nicht kommen. „Aber er wird die Leute dazu bringen, mehr zu zahlen.“Sein Parteifreund Marco Rubio sieht es ähnlich. Der Kandidat sei kein traditioneller Politiker. Er habe bloß „eine Geschichte erzählt“.
Bolton: „Drohung ernstnehmen“
Der „America-first“Kandidat hatte bei der Wahlkampfveranstaltung darüber schwadroniert, wie er mit traditionellen Verbündeten der USA bei Rückkehr ins Weiße Haus umgehen würde, die das Land ausnutzten. In einer seiner typischen Vermischungen aus tatsächlichen Begebenheiten und freien Erfindungen erzählte Trump, wie er den „Präsidenten eines großen Landes“gemaßregelt habe. Wobei unklar blieb, ob sich dies so jemals zugetragen hat.
Laut der blumigen Ausschmückung seiner Wahlkampfrede habe der Führer der befreundeten Macht ihn gefragt, „beschützen Sie uns, wenn wir von Russland angegriffen werden?“Darauf habe er geantwortet, wenn das Land nicht für seine Verteidigung bezahlt habe, würde er das nicht tun. Er würde Moskau „ermuntern, zu tun, was sie verdammt noch mal machen wollen.“
Während Trumps Klage über angeblich „säumige“NATO-Verbündete in Europa, die sich zulasten der USA einen schlanken Fuß machten, nicht neu ist, löste die offene Einladung an den Kreml zur Aggression gegen NATO-Mitglieder Alarm aus. Trumps ehemaliger nationaler Sicherheitsberater, John Bolton, meint, die Äußerungen müssten ernst genommen werden. Er habe „nicht den geringsten Zweifel“, dass er bei einer Rückkehr ins Weiße Haus versuchen werde, aus der NATO auszutreten. In seinen Memoiren hatte Bolton geschrieben, er habe Trump wiederholt einen Austritt ausreden müssen.
Analysten lesen diese Drohung auch aus einer ominösen Passage auf Trumps Wahlkampfseite im Netz heraus. „Wir müssen den Prozess beenden, den wir in meiner Regierung begonnen hatten, den Zweck der
NATO und die Mission der NATO fundamental zu überdenken.“
Im Unterschied zu 2016 ist Trump beim zweiten Anlauf auf die Präsidentschaft besser organisiert. Er kann sich auf Konzepte stützen, die isolationistische „Amerika-Zuerst“-Institute wie die ‚Heritage Foundation‘ oder der ‚Center for Renewing America‘ erarbeitet haben. Während „Heritage“dafür wirbt, der Ukraine kein weiteres Geld zu geben, hat der „Center“mit der Blaupause für eine „schlafende NATO“(„Dormant NATO“) aufhorchen lassen.
Europa selbst für Sicherheit verantwortlich
Das Strategie-Papier mit dem Titel „Pivoting the U.S. Away From Europe to a Dormant NATO“erklärt es zur „Priorität“für die USA, sich von Europa abzuwenden und die NATO in den Dornröschenschlaf zu schicken. Die Verbündeten müssten „die Sicherheit an Europas Grenzen und Flanken in erster Linie selbst gewährleisten“. Dies werde ohne eine abrupte Umschichtung der Lasten nach Europa und ein Zurückdrängen der NATO-Bürokratie nicht passieren.
„Lasten-Umverteilung ist eine unilaterale Ausübung von Macht, die amerikanischen Interessen dient“, heißt es in der Blaupause, die das Denken Trumps und seiner Berater spiegelt. „Dadurch entstehen rapide und feste Abfolgen, die Europa zwingen, für Ressourcen und Alternativen zu planen.“Russland sei keine Bedrohung, weil es zu geschwächt sei. „Die NATO verdient es nicht, als Block verteidigt zu werden. Sie unterminiert nationale Interessen“.
Trumps Äußerungen in South Carolina folgen dieser Linie. Einfacher, direkter und noch einen Schritt weiter. Bei seinen „Make-America-Great-Again“-Anhängern in South Carolina kam das gut. Die zunehmend isolationistische Ausrichtung der Republikaner reflektiert sich auch in dem Ringen um weitere Hilfen für die von Russland überfallene Ukraine.
Die Senatoren der Trump-Partei ringen um den endgültigen Wortlaut eines Gesetzes, das den Weg zu 61 Milliarden Dollar an Hilfen für Kiew freimachen soll. Dessen Schicksal wäre selbst bei Zustandekommen eines Kompromisses mehr als ungewiss, weil die von MAGA-Abgeordneten dominierte Fraktion im Repräsentantenhaus der Ukraine den Geldhahn abdrehen will.
Trump selbst hatte wiederholt gesagt, er würde den Krieg bei einer Rückkehr ins Weiße Haus innerhalb von 24 Stunden beenden. Da Wladimir Putin auf die Einverleibung der gewaltsam eroberten Gebiete in der Ukraine besteht, ginge dies nach Ansicht von Experten realistisch gesehen nur, indem er den Autokraten gewähren lässt.
Die zunehmend isolationistische Ausrichtung der Republikaner reflektiert sich auch in dem Ringen um weitere Hilfen für die von Russland überfallene Ukraine.