Wie viel verdienen die Landwirte in der Großregion?
Bauern in den Nachbarländern klagen über Verschlechterungen ihres Lebensstandards. Ein Überblick
Seit mehreren Wochen gehen Bauern in den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Belgien auf die Barrikaden. Erst am vergangenen Wochenende wurden die letzten Autobahnblockaden in der Großregion aufgelöst. Die Gründe für den Unmut der Bauern sind vielfältig: strenge Umweltgesetze, verzögerte Beihilfenzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und komplizierte Verwaltungsverfahren.
Doch auch die Löhne der Landwirte stehen im Mittelpunkt der Debatte. Im Vergleich zur Arbeitsbelastung empfinden viele sie als unzureichend. Aber wie hoch ist das Einkommen der Landwirte wirklich?
Auf EU-Ebene sammelt das Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen (INLB) Daten über die Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe. Die betriebliche Nettowertschöpfung (NBWS) dient dafür als Maßstab. Laut INLB-Daten für 2021 erzielen wallonische und luxemburgische Landwirte mit 53.480 und 52.124 Euro pro Jahresarbeitseinheit (JAE) die höchsten Einkommen. Lothringische Landwirte liegen knapp dahinter bei etwas mehr als 49.700 Euro pro JAE.
Insgesamt liegen die Einkommen der Landwirte in der Großregion über dem europäischen Durchschnitt von 28.786 Euro pro JAE. Dennoch sind sie weit entfernt von den Dänen, die mit durchschnittlich über 100.000 Euro pro JAE die Produktivitätschampions sind.
Die Zahlen dienen vor allem dazu, die Auswirkungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu messen und EU-Länder zu vergleichen. Dennoch ist es schwierig, den tatsächlichen Lohn der Landwirte genau zu schätzen. Die Instabilität der Agrarpreise und klimabedingte Risiken machen das landwirtschaftliche Einkommen volatil, wie die EU-Kommission auf ihrer Website erklärt.
Ein weiterer Grund ist, dass Landwirte als Unternehmer schlichtweg kein festes Gehalt beziehen. Von den Gewinnen, die ihr Betrieb erwirtschaftet, müssen sie ihre Arbeiter entlohnen, sofern sie welche haben, das Kapital des Hofes bezahlen oder für zukünftige Investitionen zurücklegen. Erst wenn all dies abgezogen ist, können sie aus dem verbleibenden verfügbaren Einkommen einen „Lohn“abziehen.
Große Unterschiede innerhalb des Agrarsektors
Um die Situation in der Landwirtschaft besser zu verstehen, lohnt ein Blick in die Daten des französischen Statistikamts Insee. Eine Studie aus dem Jahr 2021 über den Lebensstandard auf Bauernhöfen ergab, dass 50 Prozent der Personen im Jahr 2018 einen Lebensstandard pro Verbrauchereinheit von weniger als 22.200 Euro pro Jahr hatten. Dieser mittlere jährliche Lebensstandard ist vergleichbar mit dem aller Haushaltsmitglieder, die ein Erwerbseinkommen beziehen. In Lothringen liegt der tatsächliche Lebensstandard der Landwirte eher bei 22.000 bis 25.000 Euro pro Jahr – also zwischen 1.800 und 2.000 Euro pro Monat.
Auf den ersten Blick besteht also kein großer Unterschied zwischen der Situation der landwirtschaftlichen Haushalte und dem Rest der französischen Bevölkerung. Das legt auch eine Zahl des „Etat de l’Agriculture Wallonne“nahe, über die in den belgischen Medien ausführlich berichtet wurde. „Im Jahr 2022 entspricht das Arbeitseinkommen in der Landwirtschaft pro Arbeitseinheit 96 Prozent des vergleichbaren Einkommens, d. h. dem durchschnittlichen Bruttolohn der nichtlandwirtschaftlichen Arbeitnehmer in Belgien.“Eine Kluft zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Wirtschaft, die sich also zu schließen scheint, denn 2021 betrug sie noch 65 Prozent.
Wie in diesem Bericht und der Erhebung des Insee jedoch betont wird, verbergen sich hinter diesen eher ermutigenden Zahlen in Wirklichkeit große Unterschiede innerhalb der Landwirtschaft selbst, je nach Spezialisierung der Betriebe. So besteht in Frankreich ein Unterschied von mehr als 7.000 Euro zwischen dem mittleren jährlichen Lebensstandard eines Getreidebetriebs und dem eines Rinderzüchters für die Fleischproduktion.
Ähnlich verhält es sich in Belgien: Ein wallonischer Bauernhof, der auf Milchvieh spezialisiert ist, erwirtschaftet rund 69.900 Euro Einkommen pro JAE, während es bei den Rindfleischerzeugern nur 18.800 Euro sind. In Deutschland ist der Befund ähnlich.
Auch zwischen kleinen Höfen und Großbetrieben gibt es finanzielle Unterschiede. Laut den Zahlen des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft liegt das durchschnittliche Einkommen in der Landwirtschaft bei 46.118 Euro pro JAE. In Wirklichkeit wird dieser Durchschnitt jedoch von den großen landwirt
schaftlichen Betrieben nach oben gezogen. So sind es europaweit vor allem die Kleinbauern mit Viehzuchtprodukten sowie die deutschen Obstbauern, die am meisten unter einem unzureichenden Einkommen leiden.
Wo bleibt die Unterstützung durch die GAP?
Angesichts dieser Schwierigkeiten werfen Landwirte in ganz Europa der EU-Agrarpolitik GAP vor, eine ihrer Hauptaufgaben nicht richtig zu erfüllen. Diese besteht darin, „der landwirtschaftlichen Bevölkerung insbesondere durch Erhöhung des ProKopf-Einkommens der Landwirte und der in der Landwirtschaft tätigen Personen eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten“, wie es die Europäische Kommission definiert. Was aber bedeutet die direkte Einkommensstützung im Rahmen der GAP für die Landwirte in der Großregion?
Es überrascht nicht, dass Frankreich und Deutschland aufgrund ihrer Größe deutlich mehr Begünstigte haben als Belgien und Luxemburg, wie aus den Zahlen der Europäischen Kommission hervorgeht. Allerdings scheint die durchschnittliche finanzielle Unterstützung pro Begünstigtem in Luxemburg und Frankreich höher zu sein als in den beiden anderen Ländern. Dennoch liegen alle vier Länder deutlich über dem EU-Durchschnitt von 6.710 Euro pro Jahr und Empfänger.
Interessant ist vor allem der Anteil dieser Beihilfen am Gesamteinkommen der Landwirte in der Region. In Luxemburg und Deutschland machen die GAP-Direktbeihilfen fast ein Drittel des jährlichen landwirtschaftlichen Einkommens aus, in Frankreich und Belgien sind es 22 und 21 Prozent. Diese Zahlen sagen jedoch nichts über die Fristen für die Auszahlung der Beihilfen aus.
Luxemburg scheint im Verhältnis zur Anzahl der Empfänger von Direktbeihilfen stärker subventioniert zu sein als seine Nachbarländer. Dies könnte zum Teil erklären, warum sich die luxemburgischen Landwirte nicht den Protesten ihrer französischen, deutschen oder belgischen Kollegen angeschlossen haben.