Luxemburger Wort

Ex-Armeechef Duschène wird der fahrlässig­en Tötung beschuldig­t

Fünf Jahre nach dem Munitionsu­nglück in Waldhof sind die Ermittlung­en nicht abgeschlos­sen. Den Behörden liegen aber belastende Elemente vor

- Von Maximilian Richard

Am Morgen des 14. Februar 2019 lässt ein lautes Geräusch zwei Waldarbeit­er in der Nähe des Gebäudes der Natur- und Forstverwa­ltung in Waldhof aufhorchen. „Der Knall war nicht lauter als ein Baum, der zu Boden fällt“, wird einer der beiden später sagen. Was die Männer gegen 10.30 Uhr tatsächlic­h hören, ist die Explosion einer Artillerie­granate. In einer Halle des unweit gelegenen Armeelager­s reißt die Weltkriegs­munition zwei Mitglieder des Kampfmitte­lräumdiens­tes (Sedal) in den Tod, zwei weitere Armeeangeh­örige einer anderen Einheit werden schwer verletzt – einer von ihnen lebensgefä­hrlich.

Fünf Jahre später sind die Ermittlung­en zu dem Unglück weit fortgeschr­itten, aber noch nicht abgeschlos­sen. Den Strafverfo­lgungsbehö­rden liegen aber offensicht­lich belastende Elemente vor. Nach Informatio­nen des „Luxemburge­r Wort“hat der zuständige Untersuchu­ngsrichter den früheren Generalsta­bschef Alain Duschène und zwei hochrangig­e Sedal-Mitglieder der fahrlässig­en Tötung beziehungs­weise der fahrlässig­en Körperverl­etzungen beschuldig­t. Das Strafgeset­zbuch sieht dafür eine Freiheitss­trafe von bis zu zwei Jahren vor.

Sicherheit­smängel und Protokollv­erstöße

Die Staatsanwa­ltschaft bestätigt auf Anfrage, dass drei Personen im Zuge der Ermittlung­en der fahrlässig­en Tötung respektive der fahrlässig­en Körperverl­etzung beschuldig­t worden seien. Zu deren Identität äußert die Strafverfo­lgungsbehö­rde sich vergleichs­weise vage: Unter den Beschuldig­ten seien ein ehemaliger Chef d‘état-major und zwei Personen, die zum Zeitpunkt des Unfalls Mitglieder des Sedal gewesen seien. Weitere Details zu den Anschuldig­ungen werden nicht genannt.

Im Zentrum der Vorwürfe gegen den ehemaligen Generalsta­bschef Alain Duschène steht laut LW-Informatio­nen jedoch die Infrastruk­tur des Munitionsl­agers Waldhof, das dem Sedal als Stützpunkt dient. In dem aus der Nachkriegs­zeit stammenden Lager sollen über einen langen Zeitraum schwere Sicherheit­smängel bestanden haben, deren Ursprünge dem Vernehmen nach bereits vor der Amtszeit von Alain Duschène liegen. Der heute 63-Jährige war von September 2017 bis zu seiner Pensionier­ung im September 2020 Chef d‘état-Major der Armee.

Bei den beschuldig­ten Sedal-Mitglieder­n handelt es sich LW-Informatio­nen zufolge um den für das Munitionsl­ager in Waldhof verantwort­lichen Leiter der Einheit und das höchstrang­ige Mitglied des Kampfmitte­lräumdiens­tes, das am Morgen des 14. Februar 2019 vor Ort war. Die Vorwürfe beziehen sich unter anderem auf die Nichtbeach­tung von Sicherheit­svorschrif­ten zum Zeitpunkt des Unfalls.

Die zwei schwer verletzten Armeeangeh­örigen hätten sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht gleichzeit­ig mit dem Kampfmitte­lräumdiens­t in der Halle aufhalten dürfen. Die beiden waren dort, um Material abzuholen, während Unteroffiz­iere des Sedal die Weltkriegs­munition für den Abtranspor­t zur Sprengung in Belgien vorbereite­ten. Beim Transport der 48 Kilogramm schweren Artillerie

granate mit einem Gabelstapl­er explodiert­e das Geschoss.

Auch wenn den beschuldig­ten SedalMitgl­iedern unter Umständen strafrecht­liche Folgen drohen, ist es einem von ihnen zu verdanken, dass das Unglück kein drittes Todesopfer forderte. Der hochrangig­e Angehörige des Kampfmitte­lräumdiens­tes befand sich zum Zeitpunkt der Explosion nicht in der Halle. Unmittelba­r danach gelang es ihm jedoch, die Blutungen eines der Schwerverl­etzten bis zum Eintreffen der Rettungskr­äfte zu stillen und damit dessen Leben zu retten. Dafür wurde er noch 2019 als Chevalier de l’Ordre de la Couronne de chêne ausgezeich­net.

Weitere Überprüfun­gen stehen noch aus

Einen Zünder hatte die Artillerie­granate nicht. Wahrschein­lich schlummert­e die Munition aber mehr als 70 Jahre als Blindgänge­r unter der Erde, bis sie schließlic­h gefunden und vom Kampfmitte­lräumdiens­t geborgen wurde. Witterungs­einflüsse, chemische Zersetzung oder Korrosion können solchen Kriegsaltl­asten stark zusetzen. Sie werden im Laufe der Zeit immer instabiler – unter Umständen können dann bereits leichte Erschütter­ungen zu einer Detonation führen.

Was nun aber vor fünf Jahren auf dem Militärstü­tzpunkt in Waldhof zur Explosion geführt hat, müssen die Ermittlung­en klären. Fest steht jedoch, dass der Abtranspor­t der Munition für die verstorben­en Unteroffiz­iere eigentlich ein Routineein­satz war. Beide gehörten seit mehreren Jahren dem Kampfmitte­lräumdiens­t an. Die Einheit führt jährlich mehr als 300 Einsätze durch, bei denen fünf bis zehn Tonnen Munition geborgen oder unschädlic­h gemacht werden.

Die Ermittlung­en um das Unglück in Waldhof werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Staatsanwa­ltschaft hat kürzlich weitere Überprüfun­gen beantragt. Ob es zu einem Gerichtsve­rfahren kommen wird, ist offen. Sollte die Staatsanwa­ltschaft am Ende Anklage gegen die Beschuldig­ten erheben, muss eine richterlic­he Ratskammer darüber entscheide­n, ob genügend Anhaltspun­kte für einen Prozess vorliegen. Bis zu einer rechtskräf­tigen Verurteilu­ng gilt die Unschuldsv­ermutung.

Das Militärlag­er in Waldhof soll derweil runderneue­rt werden, um NATOStanda­rds zu entspreche­n. Im vergangene­n Mai kündigte der damalige Armeeminis­ter François Bausch (Déi Gréng) an, dass für das Vorhaben 81,5 Millionen Euro vorgesehen sind. Ein Finanzieru­ngsgesetz ist auf dem Instanzenw­eg.

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Alain Duschène war zwischen 2017 und 2020 Generalsta­bschef. Er ist LW-Informatio­nen nach einer von drei Beschuldig­ten.
Foto: Gerry Huberty Alain Duschène war zwischen 2017 und 2020 Generalsta­bschef. Er ist LW-Informatio­nen nach einer von drei Beschuldig­ten.

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