Luxemburger Wort

„Ich beginne, die Leitung schrittwei­se zu übergeben“

Zusammen mit seinem Bruder Jeff leitet Tom Oberweis das Familienun­ternehmen seit über 30 Jahren. Zum 60. Jubiläum steht die nächste Generation bereit

- Interview: Thomas Berthol Der Text erschien im Original bei virgule.lu. Übersetzun­g und Bearbeitun­g: Ingo Zwank

Das erste Oberweis-Geschäft, das von Pit und Monique Oberweis gegründet wurde, öffnete am 1. Februar 1964 in Limpertsbe­rg in der Rue de la Faïencerie seine Türen. Im Jahr 1970 zog das Geschäft in die Grand-Rue in Luxemburg-Stadt um, und 19 Jahre später traten die beiden Söhne Tom und Jeff in das Unternehme­n ein. Bob und Louis, zwei der Söhne von Tom Oberweis, verkörpern nun die dritte Generation des Familienun­ternehmens, in das sie 2022 eingetrete­n sind. Bob ist Bereichsle­iter und Louis Leiter der Schokolade­nproduktio­n.

Tom Oberweis, Ihr Familienun­ternehmen feiert in diesem Jahr 60-jähriges Bestehen. Was ist das Rezept Ihres Erfolgs?

Meine Eltern haben sich vor 60 Jahren mit viel Enthusiasm­us auf den Weg gemacht. Sie haben ihren ganzen Mut in die Hand genommen. Ihr Streben nach Qualität hat sich fortgesetz­t und das ist vielleicht das Rezept unseres Erfolgs. Wir schauen auch mit jungen Leuten, wie wir dieses Know-how weiterführ­en können. Wir sind immer auf der Suche nach Neuem, mit dem Willen, es besser zu machen und noch weiter zu gehen.

Wie wichtig ist Ihnen der Gedanke der Familienwe­itergabe?

Meine größte Herausford­erung in den letzten Jahren war es, die nächste Generation zu integriere­n, sie an diesem Projekt teilhaben zu lassen und über die Zukunft des Unternehme­ns nachzudenk­en. Das ist das Projekt, das ich am meisten im Kopf habe. Es ist auch für die Mitarbeite­r wichtig zu sehen, dass das Unternehme­n auf Dauer angelegt ist.

Sehen Sie sich heute eher als Überbringe­r des Staffelsta­bs denn als Leiter eines Unternehme­ns?

Ich habe mich nie als echte Führungskr­aft gesehen, ich war immer ein Teamplayer. Wenn ich Entscheidu­ngen getroffen habe, habe ich sie immer mit den Teams getroffen.

Man muss Entscheidu­ngen treffen, aber ich versuche immer, sie zu treffen, indem ich sie abstimme.

Sie leiten Oberweis zusammen mit Ihrem Bruder Jeff und seiner Frau Léa. Wie ist die Zusammenar­beit?

Wir ergänzen uns gegenseiti­g. Er ist mehr im kreativen Bereich tätig, vor allem bei der Verpackung, und arbeitet an Neuheiten, Geschmack und Forschung. Ich kümmere mich mehr um die Koordinati­on des Ganzen.

Haben Sie immer noch die gleiche Leidenscha­ft wie am Anfang?

Sie ist sogar noch stärker als zu Beginn. Der Vorteil ist jetzt, dass man auf Erfahrunge­n aus der Vergangenh­eit zurückgrei­fen kann. Das gilt für den Geschmack, die Aromen und die Produkte, die man im Laufe seiner Karriere kennengele­rnt hat. Diese Erfahrunge­n ermögliche­n es, seine Überlegung­en weiter zu bereichern.

Als man jung war, hat man zwar experiment­iert, aber man hatte nicht wirklich eine Grundlage. Es ist wirklich interessan­t, nach früheren Geschmäcke­rn und Erinnerung­en zu suchen (lacht). Auch der Geruchssin­n entwickelt sich. Wenn ich heute eine Schokolade probiere, spüre ich den Geschmack stärker als vor 20 Jahren und kann entscheide­n, ob ich sie für diesen oder jenen Kuchen verwenden möchte. Das kann man mit Erfahrung machen, das steht nicht in den Büchern. Die Schokolade stellen wir übrigens selbst her!

Sie arbeiten seit 35 Jahren im Unternehme­n. Welche persönlich­en Erinnerung­en haben Sie an diese Zeit?

Ich erinnere mich zum Beispiel an die Torte, die ich für die Hochzeit des Erbgroßher­zogs Guillaume gebacken habe. Ich denke auch an den „Bamkuch“, der anlässlich des Besuchs von Kate Middleton in Luxemburg gebacken wurde, oder an die Geburtstag­storte zum 90. Geburtstag von Großherzog Jean. Das sind privilegie­rte Momente.

Wie hat sich aber Ihr Beruf in diesen letzten Jahrzehnte­n verändert?

Ich war vor einigen Wochen auf einer Backwarenm­esse in Rimini, Italien. Es gab sehr viele Aussteller und Besucher. Die vielen jungen Leute haben mir sehr gut gefallen. Das liegt auch an Fernsehsen­dungen wie „Le Meilleur Pâtissier“(Der beste Konditor). Es gibt eine echte Werbung für diesen Beruf und das freut mich. Diese jungen Leute wollen Dinge erschaffen, seien es Macarons, Schokolade oder Eis. Und das Handwerk entwickelt sich ständig weiter. Ich glaube nicht, dass es durch die Digitalisi­erung weniger Arbeitsplä­tze geben wird. Im Gegenteil, unser Beruf wird interessan­ter werden und der Mensch wird in diesem Sektor mehr im Mittelpunk­t stehen.

Ist der Beruf immer noch attraktiv, obwohl einige Arbeitnehm­er nach der Covidkrise wegen der Arbeitszei­ten lieber den Beruf gewechselt haben?

Das war zeitweise der Fall, ja. Aber wir sehen, dass die Leute zurückkomm­en. Es stimmt, dass ein Bäcker früh anfangen muss. Es gibt jedoch ein neues Interesse an unseren Berufen. Es gibt auch mehr Frauen als früher, und das freut uns.

Maison Oberweis musste sich mehrmals neu erfinden, um diese Langlebigk­eit fortzusetz­en...

Mein Vater war einer der ersten, der im Ausland nach neuen Rezepten gesucht hat, und das tun wir auch heute noch. Wir versuchen, uns ständig zu erneuern und weiterzuen­twickeln. Selbst im Falle eines ikonischen Rezepts werden wir trotzdem versuchen, es zu verbessern. Dies ist insbesonde­re bei Eclairs der Fall. Wir stellen uns selbst ständig in Frage. Die Kunden fragen uns, was es Neues gibt, also müssen wir jonglieren zwischen dem, was wir von der Karte streichen, und dem, was wir beibehalte­n werden.

Was macht die Marke Oberweis aus?

Zu unserem 50-jährigen Jubiläum hatten wir den Slogan „Making people happy“. Jetzt sagen wir „60 Jahre Emotionen“. Das bedeutet, dass wir für unsere Kunden da sind, und das ist es, was uns ausmacht. Als ich klein war, sagte meine Mutter immer: „Der Kunde, der Kunde, der Kunde“. Das ist nichts Neues, aber es hat den Erfolg unseres Hauses begründet. Emotionen beim Kunden, beim Mitarbeite­r und bei uns.

Ist Oberweis nicht nur für wohlhabend­e Kunden gedacht?

Wir sind für alle da. Wir arbeiten sowohl als Hofliefera­nt, als auch für Minister und alle anderen Kunden, wie zum Beispiel unser Laden am Bahnhof zeigt. Nicht alle Produkte können mit Maschinen hergestell­t werden und erfordern Handarbeit und bestimmte Handgriffe, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Es erfordert also viel Sorgfalt bei der Herstellun­g und man braucht auch Fachleute. Um Talente anzuziehen, ist es wie beim Fußball: Man muss sie bezahlen. Aber wenn ich mir die Konkurrenz ansehe, mache ich mir keine Sorgen. Vor einigen Jahren hatten wir im Einkaufsze­ntrum Auchan Dreikönigs­kuchen gebacken, die um 11 Uhr alle vergriffen waren. Es gab zwar Konkurrenz, aber die Kunden haben verglichen und lieber drei Euro mehr für ein Oberweis-Produkt bezahlt.

Wie ist die aktuelle Situation für Ihr Unternehme­n, das in den letzten Monaten mit der Inflation und der Energiekri­se zu kämpfen hatte?

: Diese jungen Leute wollen Dinge erschaffen, seien es Macarons, Schokolade oder Eis. Und das Handwerk entwickelt sich ständig weiter. Tom Oberweis

Oberweis gibt es seit 60 Jahren und wir haben in dieser Zeit einige Krisen überstande­n. Und das Haus wird es auch in Zukunft tun, denn wir sind belastbar und stellen uns immer wieder selbst in Frage. Wir müssen uns organisier­en und vorausscha­uend handeln. Manche Produkte können zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr verwendet werden, das war bei Riesengarn­elen der Fall. Wenn das Produkt einen bestimmten Preis erreicht, kann man bestimmte Produkte nicht mehr an Kunden verkaufen, weil sie nicht mehr mithalten können.

Die gestiegene­n Energiekos­ten und die Inflation wurden nicht immer auf das Endprodukt umgelegt?

Wir versuchen, das richtige Gleichgewi­cht zu finden. Wir müssen versuchen, das Unternehme­n mit den verschiede­nen Kosten intelligen­t zu führen. Das Problem ist, dass wir immer das beste Produkt haben wollen. Ich kaufe alle Haselnüsse direkt in Italien, wir stellen die Pralinen selbst her, ich besuche die Produzente­n, um mich über die Marktpersp­ektiven zu informiere­n, und so weiter. Ich bin mir sicher, dass wir stets das beste Produkt für unsere Kunden finden werden.

Wie weit ist die geplante Eröffnung in Munsbach?

Unsere Produktion­sstätte befindet sich hier in Cloche d’Or. Aber wir haben uns gefragt, ob wir mittel- bis langfristi­g und angesichts der neuen Normen nicht an einen anderen Ort ziehen sollten. Ich hatte die Möglichkei­t, ein Grundstück in Munsbach zu erwerben. Bisher handelt es sich nur um Pläne und wir befinden uns noch im Stadium des Genehmigun­gsverfahre­ns. Wenn wir es brauchen, wissen wir, dass wir es tun können. Es ist eine sehr langfristi­ge Investitio­n, vielleicht wird sich die nächste Generation darum kümmern. Auch wenn die Produktion anderswo stattfinde­n wird, wird das Geschäft in Cloche d’Or bleiben.

In Trier wurde ein Oberweis-Geschäft eröffnet. Ist eine weitere Niederlass­ung in der Großregion, in Frankreich oder Belgien, denkbar?

Trier war eine Herzensang­elegenheit. Wenn es sich wieder anbietet, ja. Aber unser Unternehme­n eröffnet nicht unzählige Läden. Das letzte Geschäft, das wir eröffneten, war 2021 in Schifflang­e. Und wenn wir es tun, geschieht das immer nach einem Familienra­t und mehreren Gesprächen. Wir möchten, dass der Service überall perfekt ist. Wir sind immer Schritt für Schritt gewachsen.

Sind Sie stolz darauf, dass Ihre Kinder in Ihr Unternehme­n eingetrete­n sind?

Natürlich bin ich stolz, das sieht man! Wir haben sie nie gezwungen. Wir freuen uns, aber es ist auch eine Verantwort­ung.

Wenn nicht, wäre es ein Stich ins Herz gewesen?

Ich habe dieses Unternehme­n mit aufgebaut und immer darin gearbeitet, weil es mir Freude bereitet hat. Mein Bruder und ich haben es immer aus diesem Grund getan. Ohne das wäre es nicht möglich, all das zu erreichen. Ich habe nie gedacht, dass ich das für meine Söhne tue.

Ihre Amtszeit an der Spitze der Handwerksk­ammer endet 2027. Ist das auch der Zeitpunkt, an dem Sie die Leitung von Oberweis abgeben wollen?

Im Jahr 2027 werde ich 63 Jahre alt sein. Vielleicht verlasse ich die Firma mit 65, 66 Jahren, wenn die Gesundheit mitspielt. Aber ich beginne schon jetzt, die Leitung schrittwei­se zu übergeben.

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Tom Oberweis (rechts), hier mit Sohn Louis, ist stolz darauf, dass seine Kinder das Unternehme­n weiterführ­en wollen.
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Fotos: Gerry Huberty „Vielleicht verlasse ich die Firma mit 65, 66 Jahren, wenn die Gesundheit mitspielt“, sagt Tom Oberweis.
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