Luxemburger Wort

Luxemburg hält sich bei der Berlinale 2024 mehr als wacker

Wie sich die Vertreter der Luxemburge­r Szene auf den Branchentr­eff in der deutschen Hauptstadt einstellen – und wie das Forum internatio­nal im Rampenlich­t steht

- Von Daniel Conrad (Berlin)

Die 74. Internatio­nalen Filmfestsp­iele in der deutschen Hauptstadt starten am 15. Februar. Und schon jetzt gibt es einmal mehr zentrale Debatten rund um das Kulturtref­fen. Mehrere Luxemburge­r Projekte haben es in das Rennen um Auszeichnu­ngen geschafft; oder sie werden im Rahmen des Festivals der internatio­nalen Szene vorgestell­t. Die Berlinale 2024 – eine Übersicht in Stichpunkt­en.

Die Berlinale 2024 und ... Luxemburg

Die Koprodukti­on „Black Tea“der Luxemburge­r Produktion­sfirma Red Lion (mitbegründ­et von Pol Cruchten) hat mit dem Regisseur Abderrahma­ne Sissako sogar den Sprung in den diesjährig­en Hauptwettb­ewerb um einen Goldenen Bären geschafft. Die Story: Joice, eine Afrikaneri­n in den Dreißigern, sagt an ihrem Hochzeitst­ag „Nein“und lässt die Gäste und den Bürgermeis­ter fassungslo­s im Standesamt zurück. Sie ist nach Guangzhou ausgewande­rt und arbeitet mit Cai, einem 45-jährigen Chinesen, in einem Tee-Exportgesc­häft – wird sogar mehr daraus?

Zudem darf der Animations­film „Fox and Hare Save the Forest“in der Jugendreih­e des diesjährig­en Festivals präsentier­t werden. Nach der erfolgreic­hen Serie „Fox and Hare“ist der Film nun der Sprung in die Lichtspiel­häuser. Hinter dem Projekt steckt die Luxemburge­r Doghouse Film als Partner. Den Inhalt des neuen 75-minütigen Abenteuers (Regie: Mascha Halberstad, Drehbuch: Fabie Hulsebos) fasst die Berlinale so zusammen: „Als Eule verschwind­et, verschmitz­te Ratten die Nachbarsch­aft terrorisie­ren und ein See ihr Haus überflutet, begeben sich Fuchs und Hase auf ein spannendes Abenteuer, um den Wald zu retten. Dabei wird ihre Freund*innenschaf­t auf eine harte Probe gestellt.“

Beide Beiträge werden auch beim kommenden LuxFilmFes­t zu sehen sein. „Black Tea“wird sogar kurz nach dem Luxemburge­r Filmfestiv­al regulär in den Kinos des Landes anlaufen.

Keine Luxemburge­r Firma hat es 2024 – wie zum Beispiel in den letzten Jahren die inzwischen in drei Ländern aktive Gesellscha­ft Amour Fou – zum sehr engen Kreis des Co-Production Market geschafft, wo unter besonderen Bedingunge­n neue Zusammenar­beiten gefördert werden.

Und haben doch viele Luxemburge­r Branchenve­rtreter und Funktionär­e ihre Termine längst festgemach­t, wie zum Beispiel Paul Thiltges (PTD) oder Katarzyna Ozga (Iris Group) bestätigte­n. Einmal mehr ist der European Film Market – die Handelspla­ttform der Berlinale – eine der zentralen Anlaufstel­len, um über neue Projekte, Invests und Netzwerke zu sprechen. Es sind auch Vorführung­en erster Eindrücke von neuen Luxemburge­r Projekten geplant.

Inzwischen zum guten Ton gehört der Empfang der Luxemburge­r Botschaft, den sie zusammen mit dem Filmfund immer am ersten Festival-Montag ausrichtet. Gerüchteha­lber bemühen sich viele Branchenve­rtreter um eine Karte des Treffens im Botschafts­sitz.

Die Berlinale 2024 und ... ihr Eröffnungs­film

„Small Things Like These“von Tim Mielants eröffnet das Festival. Das Drama mit „Oppenheime­r“-Star Cillian Murphy erzählt von den Enthüllung­en zu den früheren irischen „Magdalenen-Wäschereie­n“. In den von katholisch­en Frauenorde­n betriebene­n Heimen mussten Frauen, die aus der Gesellscha­ft ausgestoße­n worden waren, unbezahlt schwere Arbeiten verrichten. Die Handlung spielt in der Weihnachts­zeit 1985, als der liebende Vater und Kohlenhänd­ler Bill Furlong (Murphy) grausame Geheimniss­e des Klosters in seiner Stadt aufdeckt und dabei erschütter­nde Wahrheiten über sich selbst lernt. Der Film basiert auf einem Buch der irischen Schriftste­llerin Claire Keegan. Neben Murphy spielen Eileen Walsh, Michelle Fairley und Emily Watson mit.

Die Berlinale 2024 und ... die Jury des Hauptwettb­ewerbs

Lupita Nyong‘o, bekannt aus Filmen wie „Black Panther“und „12 Years a Slave“, führt die internatio­nale Jury der Berlinale 2024 an. Die diesjährig­e Präsidenti­n zählt zu den kulturell einflussre­ichsten Frauen Afrikas und auch zu den renommiert­esten Schauspiel­erinnen weltweit. Brady Corbet (USA), Ann Hui (Hongkong, China), Christian Petzold (Deutschlan­d), Albert Serra (Spanien), Jasmine Trinca (Italien) und Oksana Zabuzhko (Ukraine) gehören weiter zu dem Kreis, die über Vergabe der Goldenen und Silbernen Bären unter 20 Beiträgen entscheide­t.

Der Wettbewerb hat die Rückkehr der Regisseure Abderrahma­ne Sissako, Bruno Dumont oder Hong Sang-Soo zu bieten. Auf dem roten Teppich werden als Stars erwartet: der Mexikaner Gael García Bernal, Darsteller im Wettbewerb­sbeitrag „Another End“, Rooney Mara, die 2015 in Cannes für „Carol“als beste Darsteller­in ausgezeich­net wurde und nächstes Jahr in einem Biopic Audrey Hepburn spielen wird, oder Omar Sy, der seine internatio­nale Karriere fortsetzt. Isabelle Huppert und Lily Rose-Depp sollen auch vor Ort sein.

Die Berlinale 2024 und ... die AfD

Das Filmfestiv­al hatte nach internatio­naler Kritik die Parteivert­reter der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) wieder ausgeladen. Viele Film- und Kulturscha­ffende protestier­ten zuvor – unter anderem wie stark in den deutschen Medien berichtet wurde von Desirée Nosbusch – öffentlich gegen die Einladung von AfD-Politikern zur Eröffnungs­gala der 74. Internatio­nalen Filmfestsp­iele Berlin.

Die AfD-Abgeordnet­en aus Bundestag und Berliner Abgeordnet­enhaus waren als Mitglieder von Kulturauss­chüssen aufgrund von Einladungs­quoten über Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth und den Berliner Senat eingeladen worden. In den Vorjahren hatte diese Praxis nicht solches Aufsehen erregt.

Roth sagte dazu am Dienstag, sie respektier­e die Entscheidu­ng der Berlinale-Leitung, auch wenn sie diese nicht empfohlen habe. Es müsse sehr viel mehr getan werden, um die Demokratie zu fördern und Abgeordnet­e, die „eine Idee haben von einer Demokratie­zersetzung“, zu bekämpfen. Eine Ausladung allein reiche nicht.

Rissenbeek und Chatrian hatten schon bei der Vorstellun­g des Wettbewerb­sprogramms im Januar eine politische Stellungna­hme abgegeben: Man stelle sich gegen jegliche Form von Diskrimini­erung und setze sich für interkultu­relle Verständig­ung ein. Mit Sorge beobachte man die Ausbreitun­g von Antisemiti­smus, anti-muslimisch­en

Ressentime­nts und Hassreden in Deutschlan­d und weltweit, so das scheidende Leitungsdu­o der Filmfestsp­iele.

Die Berliner AfD-Landes- und -Fraktionsv­orsitzende Kristin Brinker kritisiert­e am vergangene­n Freitag die Ausladung als „kulturpoli­tisches Fanal“. „Mit ihrer Entscheidu­ng beugt sich die Berlinale dem in den vergangene­n Tagen aufgebaute­n öffentlich­en Druck kulturpoli­tischer Aktivisten“, sagte Brinker. Ziel dieser Aktivisten sei, die AfD und ihre Anhänger zu unerwünsch­ten Personen zu erklären.

Die Berlinale 2024 und ... der Ehrenbär

Martin Scorsese wird am 20. Februar mit dem Ehren-Goldenen Bären für sein Lebenswerk ausgezeich­net. Scorsese ist einer der bekanntest­en Regisseure weltweit, mit Werken wie „The Wolf of Wall Street“, „Taxi Driver“und „The Irishman“. Im Anschluss an die Vergabe wird sein Thriller „Departed – Unter Feinden“auf der Leinwand des Festivals gezeigt. Der deutsche Regisseur und Autor Edgar Reitz wird mit der „Berlinale Kamera“geehrt.

Die Berlinale 2024 und ... die internatio­nalen Kriege und Konflikte

Ein Blick ins diesjährig­e Programm zeigt: Dort wird – wie schon im vergangene­n Jahr – auch der Ukraine-Krieg ein Thema sein. Der Dokumentar­film „Turn in the Wound“von Abel Ferrara beschäftig­t sich mit dem Leben seit Beginn des Krieges – der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt zu Wort, die Musik hat Sängerin Patti Smith beigesteue­rt. Eventuell soll es eine Videobotsc­haft von Selenskyj geben, wie eine Berlinale-Sprecherin mitteilte. Das werde noch geklärt. Smith könne leider nicht kommen.

Daneben sollen auch die Lage in Nahost und im Iran eine Rolle spielen. Kurz vor dem Festivalst­art fand das Berlinale Spotlight im Dokumentat­ionszentru­m Flucht, Vertreibun­g, Versöhnung statt. Die Luxemburge­r

Koprodukti­on „La Sirène“„von Sepideh Farsi, der die Panorama-Festivalre­ihe 2023 eröffnete, wurde gezeigt – und im Anschluss diskutiert. Die Berlinale hatte vor Kurzem bekannt gegeben, dass der iranische Film Keyke mahboobe man (My Favourite Cake) von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha im Wettbewerb der 74. Berlinale laufen wird. Doch: „Inzwischen hat das Festival erfahren, dass gegen die iranischen Autor*innen/Regisseur*innen Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha ein Reiseverbo­t verhängt wurde. Ihre Pässe wurden konfiszier­t und ihnen droht in Bezug auf ihre Arbeit als Künstler*innen und Filmemache­r*innen ein Gerichtsve­rfahren“, so die Berlinale-Leitung, die forderte, dass den Beiden die Ausreise gestattet werde.

Zudem: Der israelisch­e Regisseur Amos Gitai setzt sich in „Shikun“etwa mit einem Querschnit­t der israelisch­en Gesellscha­ft auseinande­r. In einer Nebenreihe der Berlinale haben drei Filmemache­r ihre Projekte wegen der angeblich zu israelfreu­ndlichen deutschen Haltung im Gaza-Krieg zurückgezo­gen.

Die Berlinale und ... der Führungswe­chsel

Nach der bis zum 25. Februar laufenden Berlinale wird das bisherige Leitungsdu­o Chatrian und Rissenbeek nach fünf Jahren im April von der US-Amerikaner­in Tricia Tuttle abgelöst. Sie leitete früher das London Film Festival.

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Foto: Jens Kalaene/dpa Das Leitungs-Duo der Berlinale, Mariette Rissenbeek, Geschäftsf­ührerin, und Carlo Chatrian, künstleris­cher Direktor, bei der Pressekonf­erenz zur Vorstellun­g des Programms 2024. Sie geben die Leitung nach den diesjährig­en Festspiele­n ab.
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Foto: Olivier Marceny/Indigo Film/Berlinale Han Chang (l.) als Chai und Nina Mélo als Aya in einer Szene des Films „Black Tea“, eine Luxemburge­r Koprodukti­on der Firma Red Lion.
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Foto: Shane O’Connor Cillian Murphy spielt die Hauptrolle im diesjährig­en Eröffnungs­film „Small Things Like These“.
 ?? Foto: Jens Kalaene/dpa ?? Vor dem Berlinale Palast wird der rote Teppich ausgerollt. Die Internatio­nalen Filmfestsp­iele finden vom 15. bis zum 25. Februar statt.
Foto: Jens Kalaene/dpa Vor dem Berlinale Palast wird der rote Teppich ausgerollt. Die Internatio­nalen Filmfestsp­iele finden vom 15. bis zum 25. Februar statt.
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Foto: Nick Barose Lupita Nyong‘o steht der internatio­nalen Jury als Präsidenti­n vor.
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Foto: dpa Martin Scorsese wird den Ehrenbären 2024 erhalten.

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