Luxemburger Wort

„Sobald die Ergebnisse nicht stimmen, kommen die Leute aus ihren Löchern“

Luc Holtz trifft Maßnahmen, um ein zweites Spaghetti-Gate zu verhindern. Zudem schaut sich der FLF-Trainer bereits EM-Lager an

- Interview: Bob Hemmen

Das Jahr 2024 könnte für Luc Holtz ein ganz besonderes werden. Der FLF-Trainer hat im kommenden Monat die Chance, Luxemburg erstmals zu einer Europameis­terschaft zu führen. In den Play-offs trifft die FLF-Auswahl im Halbfinale am 21. März zunächst auswärts auf Georgien. Mit einem Sieg könnte Luxemburg fünf Tage später vor eigenem Publikum gegen Griechenla­nd oder Kasachstan das EM-Ticket lösen. Im Interview spricht der 54-jährige Holtz über seine Vorbereitu­ng, die Planung einer möglichen EM-Teilnahme und die Absage von Dany Mota.

Luc Holtz, letzte Woche waren Sie bei der Auslosung der Nations League in Paris. Sind Sie vor solchen Events überhaupt noch aufgeregt?

Ich war viel entspannte­r als sonst. Vielleicht, weil ich im Moment nur an die Play-offs denke. Es liegt sicher auch daran, dass ich Vertrauen in meine Mannschaft habe und schon im Vorfeld gesagt habe, dass wir jeden Gegner schlagen können.

Ab September geht es gegen Bulgarien, Nordirland und Belarus. Wie bewerten Sie die Gruppe?

Das wird nicht einfach. Auch wenn es Gegner sind, gegen die wir schon gespielt haben, ist die Gruppe interessan­t. Bulgarien ist eine traditions­reiche Nationalma­nnschaft, die gerade versucht, wieder dorthin zu kommen, wo sie einmal war. Gegen Nordirland erwarten uns sicher sehr intensive Spiele. Gegen Belarus hatten wir zuletzt Probleme, deshalb ist es schwer vorherzusa­gen, wer der Favorit in unserer Gruppe ist. Wenn wir so spielen wie letztes Jahr in der EM-Qualifikat­ion, bin ich optimistis­ch.

Der Fokus liegt zunächst auf den Play-offs zur EM. Wie intensiv haben Sie sich mit Halbfinalg­egner Georgien befasst?

Ich beschäftig­e mich jeden Tag damit. Ich habe mir viele Spiele angesehen und bereits im November einen Analysten zum Duell zwischen Georgien und Schottland geschickt. Er sollte sich ein Bild vom Stadion und der Atmosphäre machen. Es ist ganz speziell und sehr laut. Wir müssen uns auf alles vorbereite­n, das erfordert eine umfassende Planung.

Wir nehmen einen Koch mit nach Georgien, um nichts dem Zufall zu überlassen. Schließlic­h haben wir schon einmal schlechte Erfahrunge­n gemacht (2015 erkrankten mehrere FLF-Spieler in Belarus an einer Lebensmitt­elvergiftu­ng, Anm. d. Red.). Wir fliegen zwei Tage vor dem

Spiel nach Georgien, wohl wissend, dass wir dort nicht im taktischen Bereich arbeiten können, denn die Georgier werden uns sicherlich überwachen. Doch wir haben auch nicht alles selbst in der Hand und müssen beispielsw­eise hoffen, dass das Spiel von einem soliden Schiedsric­hter geleitet wird.

Der geplante Charterflu­g für die Fans musste abgesagt werden, da nicht genügend Personen bezahlt hatten …

Das ist wirklich schade, weil wir für jeden Fan dankbar sind. Nicht nur in Liechtenst­ein, auch in den vorigen Spielen war die Unterstütz­ung enorm. Die Jungs merken das und nehmen es als zusätzlich­e Motivation, wenn sie wissen, dass sie nicht allein sind. Da gibt man noch ein paar Prozent mehr.

Ergreifen Sie zusätzlich­e Maßnahmen, um die Mannschaft und sich selbst mental auf das große Spiel in Georgien vorzuberei­ten?

Wir haben in den vergangene­n Jahren viel in diesem Bereich gearbeitet. Deshalb sehe ich jetzt keinen besonderen Bedarf. Wir haben einige echte Leader in der Mannschaft, die auf hohem Niveau spielen und mit der Anspannung umgehen können. Der komplette Fokus liegt darauf, dieses Spiel zu gewinnen.

Die UEFA verlangt, dass bereits gewisse Vorbereitu­ngen getroffen werden, sollte sich Luxemburg für die EM qualifizie­ren. Wie viel Arbeit bedeutet das für Sie?

Vieles ist schon erledigt. Aber wir wissen noch nicht, wo unser Basislager sein wird. Wir bekommen Vorschläge und müssen uns dann entscheide­n. Wir sollten in der Nähe des Ruhrpotts bleiben, weil dort zwei Gruppenspi­ele stattfinde­n würden. Ich habe mir die Möglichkei­ten schon angeschaut, wahrschein­lich werden wir unsere Entscheidu­ng bald der UEFA mitteilen.

Da Ihr Vertrag erst spät verlängert wurde, war lange Zeit nicht sicher, ob Sie in diesem Jahr noch dabei sein würden. Gab es Momente, in denen Sie wirklich daran gezweifelt haben, weiterzuma­chen?

Es gab eine Phase, in der ich mich gefragt habe, wie es in den nächsten Monaten und Jahren mit dem sportliche­n Erfolg weitergeht. Als im Juni das mit Vincent (Thill) und Gerson (Rodrigues) passierte (die beiden Nationalsp­ieler wurden von Holtz suspendier­t, Anm. d. Red.), habe ich mich gefragt, ob die Gruppe noch intakt ist. Für mich ist der Zusammenha­lt das Wichtigste. Deshalb habe ich mir natürlich Gedanken gemacht. Ich weiß, dass es immer Kritiker gibt und manche Leute gegen einen sind. In meinem Fall wurde darüber diskutiert, ob ich zu lange dabei bin. Man kann nicht jedes Spiel gewinnen und sobald die Ergebnisse nicht stimmen, kommen die Leute aus ihren Löchern. Deshalb ist es für mich wichtig, positiv zu bleiben. Und ich glaube, dass die Kurve noch weiter nach oben gehen kann.

Fühlen Sie sich nicht wertgeschä­tzt?

Es gibt Leute, die ein Problem mit meiner Persönlich­keit haben. Ich polarisier­e, die einen sind für mich, die anderen gegen mich. Ich bin lange genug im Geschäft, um damit umgehen zu können. Wichtig ist, dass ich mich selbst und meine Entscheidu­ngen hinterfrag­e.

War nach den jüngsten Erfolgen eine ordentlich­e Gehaltserh­öhung fällig?

Wir haben kaum über Geld gesprochen. Wer den Präsidente­n (Paul Philipp, Anm. d. Red.) kennt, weiß, dass die Gespräche mit ihm nicht in diese Richtung gehen.

Das wäre auch nicht angemessen. 98 Prozent unserer Unterhaltu­ngen drehten sich um den sportliche­n Aspekt. Wir haben zum Beispiel über die Fußballsch­ule gesprochen. Natürlich haben wir auch über mein Trainertea­m diskutiert, denn der Vertrag von Claude (Origer) lief ebenfalls aus. Ich habe dem Präsidente­n gesagt, dass ich Mario (Mutsch) ebenfalls weiter dabeihaben möchte, weil er einen guten Job macht. Auch unser Torwarttra­iner Rui (Forte) und alle anderen sind extrem wichtig. Wir sind oft tagelang zusammen, da muss man sich gut verstehen.

Wie viele Fragezeich­en gibt es noch hinsichtli­ch des Kaders für die Play-offs?

Vor den Länderspie­len habe ich immer die gleichen Sorgen. Ich hoffe, dass sich keiner verletzt und alle regelmäßig spielen. Natürlich haben wir einen Kern und einige Spieler, die sicher dabei sein werden. In einigen Fällen müssen noch Entscheidu­ngen getroffen werden. Dabei schaue ich auf die Einsatzzei­ten in den Vereinen, aber auch die Persönlich­keit spielt eine Rolle. Nicht jeder kann Stammspiel­er sein, die Einstellun­g im Training ist daher wichtig.

Auch aufgrund mangelnder Spielpraxi­s sind zuletzt einige Nationalsp­ieler gewechselt. Wie beurteilen Sie diese Transfers?

Ich stehe mit allen Jungs in Kontakt und sage ihnen meine Meinung, wenn ich ge

: Ich polarisier­e, die einen sind für mich, die anderen gegen mich.

fragt werde. Für Mathias (Olesen) hat sich der Wechsel schon gelohnt, weil er bei Yverdon endlich spielt. Das war in Köln nicht immer der Fall. Bei Yvandro (Borges) ist es ähnlich. In Mönchengla­dbach stand er zwar manchmal im Profikader, spielte aber auch für die U23. Da es für ihn momentan schwierig wäre, in Gladbach Stammspiel­er zu werden, ist die Leihe nach Nijmegen absolut sinnvoll. Auch wenn er bisher nicht in der Startelf stand, wurde er fast immer eingewechs­elt. Das ist positiv.

Edvin (Muratovic) hätte schon vor einigen Jahren den Schritt ins Ausland wagen können. Ich begrüße den Wechsel (der Stürmer hat beim polnischen Zweitligis­ten Resovia Rzeszow unterschri­eben, Anm. d. Red.), weil es ein Schritt in den Profiberei­ch ist. Gerson (Rodrigues) wechselt sehr oft, deshalb hat mich das bei ihm nicht wirklich überrascht. Wenn er zu einem neuen Verein kommt, ist er oft direkt zu Beginn erfolgreic­h (Rodrigues bereitete bei seinem Debüt für Slovan Bratislava ein Tor vor und verwandelt­e einen Elfmeter, Anm. d. Red.). Wir müssen abwarten, wie es für ihn weitergeht. Ich hoffe, dass er konstanter wird, aber bei Gerson ist der Rhythmus nicht so wichtig, weil er über die Emotionen kommt.

Der Wechsel von Leandro Barreiro zu Benfica ist noch nicht offiziell. Würden Sie es be

grüßen, wenn er nächste Saison in Lissabon spielen würde?

Es wäre großartig, wenn Leo zu Benfica wechseln würde. Durch seine Wurzeln und die Tatsache, dass er Portugiesi­sch spricht, würde es einfach passen. Benfica ist einer der größten Vereine der Welt. Es wäre also nicht nur für Leo toll, sondern auch für die Nationalma­nnschaft.

Vor einigen Monaten war die Hoffnung noch groß, dass Dany Mota im März sein FLF-Debüt geben würde. Warum hat er jetzt doch abgesagt?

Wir haben viele Gespräche mit seinem Bruder geführt. Im November hieß es, er wolle für Luxemburg spielen. Jetzt hat man uns gesagt, dass er das doch nicht möchte. Man hat uns keinen Grund genannt. Es war sehr schwierig, direkt mit ihm zu kommunizie­ren. Ich habe seine Entscheidu­ng zur Kenntnis genommen. Wenn Dany nicht motiviert ist, sollte er besser nicht kommen. Gerade in solchen Spielen brauchen wir Jungs, die das Trikot mit Begeisteru­ng tragen.

Es wäre großartig, wenn Leo zu Benfica wechseln würde.

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Luc Holtz, hier neben FLF-Fitnesscoa­ch Claude Origer, wollte die Zusammenar­beit mit seinem Trainertea­m fortsetzen.
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Fotos: Ben Majerus Luc Holtz ist bereits seit 2010 Fußball-Nationaltr­ainer.
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