Luxemburger Wort

Politiker müssen mal über ihren Schatten springen

- David Thinnes

Das Prinzip von Mehrheit und Opposition in der Politik ist klar: Die einen stimmen für ihre Projekte und gegen die der anderen – und umgekehrt. Doch es gibt seltene Momente, in denen diese Logik über Bord geworfen werden kann und Politiker nach ihrem Gewissen abstimmen. Ein Beispiel dafür war das Votum über einen Antrag der Opposition im Gemeindera­t der Stadt Luxemburg zum umstritten­en Bettelverb­ot vor zwei Wochen.

Die Opposition schlug vor, den Artikel zum Bettelverb­ot aus der Polizeiver­ordnung zu streichen. 16 Nein-Stimmen der DP-CSV-Mehrheit und elf Ja-Stimmen von der Opposition­sbank: So hätte die Abstimmung ausgehen sollen. Bei der Mehrheit sprachen sich aber nur 15 Personen mit Nein aus, DP-Rätin Sylvia Camarda hatte den Saal verlassen und es lag auch keine Vollmacht vor. Auf den Hinweis nach der Sitzung, sie sei nicht im Saal gewesen, antwortete Camarda ausweichen­d.

Auch Schöffe Paul Galles, der dem sozialen Flügel der CSV zugerechne­t werden kann, stimmte mit, aber sicher mit einem Kloß im Hals. Mit seiner Vergangenh­eit als Pfarrer und seiner

Arbeit im sozialen Bereich dürfte ihm die Abstimmung wohl schwergefa­llen sein. Gleiches gilt für Sozialschö­ffin Corinne Cahen (DP), die auf Radio 100,7 auf die Frage, ob sie für das Bettelverb­ot sei, ins Stocken geriet.

Natürlich gibt es ein ungeschrie­benes Gesetz, den Fraktionsz­wang. Die Situation erinnert entfernt an 2018, als Nancy Kemp-Arendt als einziges Mitglied der CSV-Fraktion im Parlament für das Euthanasie­gesetz stimmte. Gast Gibéryen und Robert Mehlen von der ADR sowie der unabhängig­e Abgeordnet­e Aly Jaerling stimmten damals übrigens auch dagegen, was aber in der Öffentlich­keit weniger Aufsehen erregte als das Votum von Kemp-Arendt.

Auch wenn die ehemalige Olympiatei­lnehmerin im vergangene­n Jahr im LW sagte, es sei eine schwierige Zeit gewesen, habe sie den Schritt nie bereut.

Nach außen versucht eine Partei natürlich, eine potenziell­e Meinungsve­rschiedenh­eit zu kaschieren. Nach innen kann ein solcher Schritt aber durchaus Folgen haben. Persönlich­e Interessen und das eigene Ego spielen eine Rolle: Wenn ich nicht mitmache, wie sieht dann meine Zukunft aus?

Der Opposition in der Hauptstadt ging es vor allem ums Prinzip. Sie rechnete nicht unbedingt damit, dass ihr Antrag angenommen würde. Rat Pascal Clement (Piraten) hat es auf den Punkt gebracht: „Hört auf euer Herz und springt über euren politische­n Schatten.“

Diese Chance wurde leider vertan.

Persönlich­e Interessen und das eigene Ego spielen eine Rolle.

Kontakt: david.thinnes@wort.lu

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg