Sahra Wagenknecht mit Tuba und Trompeten
Zum ersten Mal lädt die frischgebackene Parteichefin zum Politischen Aschermittwoch. Andrang und Begeisterung sind groß – aber auch die Polemik
Es beginnt mit Blasmusik, natürlich. Die Kapelle trägt Krachlederne und Dirndl, und der Star des Vormittags passt dazu wie Ketchup zur Weißwurst, dem bayrischen Lieblingsgericht für Frühschoppen: Sahra Wagenknecht mit Tuba und Trompeten.
Bei Dennis Neubert, dem Organisator, ist am Morgen die Aufregung minütlich gestiegen. Sie wollen ja beim Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) anders sein als alle – aber anders halt im Sinn von besser. Sie wollen die Republik wieder zum Funktionieren bringen. Was für eine Katastrophe, würden sie schon am Politischen Aschermittwoch scheitern. Einerseits. Anderseits: Die normale Vorbereitungszeit beträgt ein Jahr. Neubert hatte keine vier Wochen. Jetzt haben sie im Gasthaus Öller 182 Plätze im Saal. Plus Zelt. Plus Straße und Hof. „Für dreihundert langt’s“, sagt Wirtin Heidi Barnerssoi. Und dass sie und ihr Mann Florian schon andere Auftriebe gestemmt hätten.
Ihr Gasthof liegt in Schalding l. d. D., was für „links der Donau“steht – und irgendwie passt. Irgendwie vielleicht auch nicht. Bislang ist nicht heraus, wo sich das BSW politisch verortet. Tendenz: wirtschaftspolitisch rechts, außenpolitisch in der Nähe der AfD, gesellschaftspolitisch links. Aber vielleicht ist die Republik am Mittag ja klüger.
Blasmusik für die Protagonistin
Rein PR-mäßig nämlich ist das Ganze ein Erfolg, noch ehe Wagenknecht den Mund aufmacht. 42 Journalistinnen und Journalisten haben sich angemeldet – da können sie bei der CSU in der keine zehn Kilometer entfernten Dreiländerhalle neidisch werden, und bei der SPD und gar den Linken sowieso. Markus Söder, Lars Klingbeil, Janine Wissler – keinem gilt an diesem Tag so viel Medieninteresse, selbst dem Oberpopulisten und niederbayrischen Lokalmatador Hubert Aiwanger von den Freien Wählern nicht.
„Der Saal ist viel zu klein“, beschwert sich ein Gast, als Platz und Luft knapp werden. Für Wagenknecht ist die Enge ideal. Als sie endlich einzieht – im schwarzen langen Wintermantel über knallrotem Ensemble mehr denn je Wiedergängerin Rosa Luxemburgs, und dazu schmettert die Blasmusik, wie einst für Franz Josef Strauß und jetzt Söder, den Defiliermarsch – wirkt das ein bisschen schräg; aber Beifall und Jubel sind laut.
Vor Wagenknecht redet Klaus Ernst, der schon Sozialdemokrat war und Linker auch und Passau im Bundestag vertritt. Ernst trifft den Aschermittwochston gut. Wenn die Linke nun, ohne Wagenknecht und die Ihren, Parteitag halte, sei’s, „als würde sie ihr Requiem abhalten“, lästert er. Und berichtet, das „Männerplenum“dort habe erörtert: „Achtest du beim Sex darauf, dass dein Gegenüber sich beteiligt?“Ins Lachen im Saal hinein schiebt Ernst hinterher: „Ob das die Kernfrage der Arbeiterklasse ist…“
Der Rest sind die üblichen Gemeinheiten: die Grünen nur abgebrochene Studenten, die ganze Ampel-Regierung „die dümmste der Welt“. Er bekommt guten Beifall, nur Wagenknecht wirkt noch kühler als üblich und bemüht beim Applaus. Viel hat Ernst ihr thematisch nicht übrig gelassen.
Sterben für die NATO
Aber sie startet geschickt – mitten im Wirtshaus. „Mit der Ampelkoalition können’s die meisten Stammtische in Sachen Vernunft aufnehmen.“Und Wagenknecht mit Söder – mindestens in Sachen Gender-Gift. „Richtig gespannt“sei sie gewesen, ob ihr Passauer Hotel über die zehn Jahre seit ihrem letzten Aschermittwochsauftritt seinen Namen behalten habe: „Wilder Mann“– das sei ja schon „ein politisches Statement“. Aber der Name sei da – und: „Wilde Männer sind gerade im Kurs.“Gemeint sind der Grüne Anton Hofreiter, FDP-Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Roderich Kiesewetter von der CDU. Die will Wagenknecht als „Ehrenbataillon von den Politikern, die unbedingt Krieg führen wollen“in alle Welt „exportieren“. Applaus. „Deutschland soll wieder ein Ort der Friedenspolitik sein.“Jubel.
Mit der Ampelkoalition können’s die meisten Stammtische in Sachen Vernunft aufnehmen. Sarah Wagenknecht
Wagenknecht kann’s also – wenn sie sich zusammenreißt. Insgesamt aber hält sie dann doch eine Parteitagsrede mit satirischen Einsprengseln.„Mein Gott, wie kann man das mit seinem Gewissen vereinbaren?“, ätzt sie über „unsere hochmoralische feministische Außenministerin“Annalena Baerbock, die jetzt „Freundschaft geschlossen“habe „mit Leuten, die Frauen steinigen“. Den USA wirft sie vor, Frieden zu verhindern. Denn in Russlands Krieg gegen die Ukraine werde „für die NATO gestorben – was ist das für ein Verbrechen!“.
Die Positionierung als Friedenspartei steht im Zentrum der Rede. Außen herum windet Wagenknecht ein bisschen Innenpolitik. Schlechte Bildung, miese Gesundheitsversorgung – kein Wunder, wenn alles Geld für Waffen draufgehe.
Zum Schluss kommt sie zu denen, die das BSW am meisten fürchten. Ja, sie „verstehe jeden, der sich sorgt, dass die AfD immer stärker wird – aber dann reden wir darüber, wer die AfD so stark gemacht hat“. Jubel. Applaus. Bravos. Und dann Blasmusik.