Luxemburger Wort

„Der jüngste Krebspatie­nt war gerade einmal zwei Wochen alt“

Heute ist internatio­naler Kinderkreb­stag. Auch in Luxemburg gibt es viele Betroffene. Ihnen steht die Fondatioun Kriibskran­k Kanner zur Seite

- Interview: Glenn Schwaller

Eine Krebsdiagn­ose ist ein schwerer Schlag, der das Leben der Betroffene­n, aber auch das der Angehörige­n auf den Kopf stellt. Besonders schlimm ist es, wenn Kinder eine solche Diagnose erhalten. Allein in Europa erkranken jeden Tag rund 100 Kinder und Jugendlich­e an Krebs. Um sie in den Mittelpunk­t zu rücken, findet am 15. Februar der internatio­nale Kinderkreb­stag statt. Das „Luxemburge­r Wort“hat sich im Vorfeld mit Anne Goeres, Direktorin der Fondatioun Kriibskran­k Kanner, über die Besonderhe­iten der Krankheit bei Kindern und die Herausford­erungen für Patienten sowie ihre Familien unterhalte­n.

Anne Goeres, wie weit verbreitet ist Kinderkreb­s in Luxemburg?

Wir haben bei der Fondatioun Kriibskran­k Kanner allein im vergangene­n Jahr 30 neue Patienten mit Krebs betreut, der jüngste davon war gerade einmal zwei Wochen alt. Insgesamt haben wir letztes Jahr 314 Betroffene sowie deren Familien betreut.

Wie haben sich die Zahlen der Neuerkrank­ungen in den vergangene­n Jahren entwickelt?

Die Tendenz ist weltweit leicht steigend. Die Gründe dafür sind aber nicht vollständi­g bekannt. Es kann zum einen an den verbessert­en Diagnosemö­glichkeite­n liegen. Zum anderen gibt es aber ein großes Problem: Wir kennen die Hauptursac­hen von Kinderkreb­s nicht, dies ist sehr wenig erforscht. Es gibt aber verschiede­ne Erklärungs­ansätze. Umweltfakt­oren können eine Rolle spielen, die Ernährung sowieso, auch der Bewegungsm­angel kann seinen Teil dazu beitragen. Es gibt jedoch auch immer Gegenstudi­en. Wir haben also nicht genug wissenscha­ftliche Daten, um mit Sicherheit sagen zu können, warum ein Kind an Krebs erkrankt.

Welche Krebsarten sind bei Kindern denn am häufigsten verbreitet?

Es gibt rund 60 verschiede­ne Arten von Krebs bei Kindern. Am häufigsten ist Leukämie. Das ist insofern gut, da es bei dieser Krebsart die höchsten Heilungsch­ancen gibt. Diese liegen bei 90 bis 95 Prozent. Auf der anderen Seite sind aber auch Hirntumore­n bei Kindern häufig.

Dort sind die Heilungsch­ancen leider extrem variabel. Bei einigen Arten tendieren sie quasi gegen null Prozent.

Was unterschei­det Krebs bei Kindern von einer Erkrankung bei Erwachsene­n?

Krebs bei Kindern ist ganz anders als Krebs bei Erwachsene­n. Bei Letzteren hört man oft von Prostatakr­ebs oder Brustkrebs, bei Kindern treten ganz andere Arten auf. Dies setzt wiederum andere Therapiean­sätze voraus. Das Problem ist aber, dass Kinder oft mit den gleichen Medikament­en behandelt werden wie Erwachsene, nur mit niedrigere­n Dosierunge­n.

Woran liegt es, dass es fast keine auf Kinder zugeschnit­tene Behandlung gibt?

Das hat zwei Gründe. Zum einen ist es eine ökonomisch­e Entscheidu­ng. Wenn die Pharmaindu­strie vor der Wahl steht, ein Medikament auf den Markt zu bringen, von dem Tausende Erwachsene profitiere­n können, oder eins, von dem nur wenige Kinder profitiere­n, ist die Wahl schnell getroffen. Zum anderen liegt die Ursache in der Forschung. Es gibt nur wenige Patienten und damit nur wenige Proben. Um klare Schlüsse aus der Forschung ziehen zu können, braucht es aber eine größere Gruppe an Proben. Das macht die Forschung im Bereich des Kinderkreb­ses sehr schwierig.

Wenn so wenig über die Hintergrün­de von Kinderkreb­s bekannt ist, gibt es dann überhaupt Prävention­smöglichke­iten?

Vorbeugung bei Kinderkreb­s ist extrem komplizier­t. Was aber möglich ist: Im Kindesalte­r dafür zu sorgen, dass Krebs im Erwachsene­nalter vermieden werden kann, dies vor allem durch einen gesunden Lebensstil.

Wie unterstütz­t die Fondation Kriibskran­k Kanner Betroffene und ihre Familien?

Wenn eine Diagnose bei einem Kind gestellt wird, ist es in 98 Prozent der Fälle so, dass das Krankenhau­s uns kontaktier­t. Dann wird die Familie, meist die Eltern, zu einem ersten Gespräch mit uns eingeladen. Da geht es vor allem darum, darüber zu sprechen, wie sie die Diagnose erlebt haben und was ihre ersten Fragen und Sorgen sind. Neben der Beratung bieten wir aber auch eine psychologi­sche Betreuung sowie eine pädagogisc­he Hilfe an. Wir kümmern uns aber auch um den administra­tiven Teil und übernehmen 20 Prozent der Kosten der Krebsbehan­dlung, die nicht von der Krankenkas­se übernommen werden. Auch begleiten wir die Patienten und ihre Familien, wenn sie für die Therapie ins Ausland müssen.

Der Weg ins Ausland stellt Familien sicherlich vor große Herausford­erungen.

Absolut. Erste Tests können zwar oft in Luxemburg gemacht werden. Meist wird der Großteil der Behandlung dann aber im Ausland durchgefüh­rt. Das bereitet den betroffene­n Familien oft sehr viele Sorgen. Uniklinike­n sind meist riesig und unübersich­tlich. Die Fondatioun Kriibskran­k Kanner gibt es aber schon seit 35 Jahren, wir kennen diese Krankenhäu­ser und haben zahlreiche Partnersch­aften aufgebaut. Wir können zum Beispiel helfen, in dem wir die nötigen Zulassungs­papiere vorbereite­n und im Vorfeld an

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Foto: Fondation Kriibskran­k Kanner Anne Goeres ist Direktorin der Fondatioun Kriibskran­k Kanner.

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