Luxemburger Wort

Wie der FLF-Nachwuchs durch Straßenfuß­ball noch besser werden soll

Claude Campos hat gemeinsam mit seinem Team in den vergangene­n Jahren einige spannende Reformen im Kinder- und Jugendfußb­all eingeleite­t

- Von Yann Duarte

Wenn Claude Campos über die Nachwuchsa­rbeit spricht, ist ihm die Leidenscha­ft sichtlich anzumerken. Und genau diese will er auch bei den Trainern und jungen Fußballern entfachen. Seine Aufgabenbe­reiche sind vielfältig. Campos ist beim nationalen Fußballver­band für die Traineraus­bildung sowie für die Koordinati­on der Talentsich­tung zuständig. Außerdem gehört er dem Trainersta­b der U21Auswahl an.

Bis vor Kurzem war er auch noch verantwort­lich für das Projekt Grassroots und trieb gemeinsam mit seinem Team in den vergangene­n Jahren einige Reformen im Kinder- und Jugendfußb­all voran. Eine mühsame Aufgabe, die Campos im Interesse der Kinder mit viel Begeisteru­ng angeht.

Die Spielrefor­m

Als Campos im Jahr 2017 bei einem UEFAKongre­ss weilte, reifte in ihm die Idee, die damaligen Spielforme­n auf den Prüfstand zu stellen. Damals stellten Vertreter des belgischen Fußballver­bandes ihre Überlegung­en zum Kinder- und Jugendfußb­all vor. Campos, der zu diesem Zeitpunkt noch bei der FLF für das Projekt Grassroots verantwort­lich war, veranlasst­e mit seinem Team daraufhin Analysen, die zu beunruhige­nden Ergebnisse­n führten.

„Wir stellten fest, dass bei den Bambinis (U7) zu wenig Tore (1,27 pro Spiel, Anm. d. Red.) fielen. Zudem standen damals sechs Feldspiele­r pro Mannschaft auf dem Platz. In der Realität spielten wir aber eigentlich Zwei-gegen-Zwei, weil nur die besten Spieler der Teams den Ball hatten, während andere kaum Ballkontak­te hatten. Die Kinder können sich jedoch nur verbessern und Spaß haben, wenn sie viele Ballaktion­en haben“, erklärt Campos.

Nach einigen Testläufen und intensivem Austausch mit Vereinstra­inern reformiert­en Campos und sein Team schrittwei­se die Spielforme­n in den unterschie­dlichen Altersklas­sen. Zunächst führte die FLF bei den Bambinis ein Drei-gegen-DreiModus auf kleine Tore ein. Anschließe­nd wurde bei den Pupilles (U9) die Spieleranz­ahl auf fünf (inklusive Torwart), bei den Poussins (U11) auf sieben (inklusive Torwart) und bei den Minimes (U13) auf neun (inklusive Torwart) reduziert. „Wir wollen, dass die Kinder dauernd ins Spiel eingebunde­n sind“, stellt der 48-Jährige klar. Auch die Intensität soll dadurch gesteigert werden.

Regelanpas­sungen

Durch entspreche­nde Regelrefor­men sollen die Kinder zusätzlich gefördert werden und die Prinzipien der Ausbildung stärker zum Tragen kommen. So soll etwa bei den Pupilles das Aufbauspie­l gefördert werden, indem der Gegner- und Zeitdruck beim Abstoß reduziert wird. Denn die verteidige­nde Mannschaft darf erst angreifen, wenn der Ball den Strafraum verlassen hat.

Selbst Verschärfu­ngen der Regelungen sind laut Campos künftig denkbar, um das Aufbauspie­l weiter zu fördern. So könnten etwa Abstöße über die Mittellini­e unterbunde­n werden. „Unser Ziel ist es, Spieler auszubilde­n, die sich trauen, Fußball zu spielen, und nicht gleich jeden Ball lang zu schlagen. Dafür müssen wir in den jüngeren Altersklas­sen in Kauf nehmen, dass Gegentore aus Ballverlus­ten im Spielaufba­u resultiere­n.“

Auch die bereits veränderte­n Rahmenbedi­ngungen sollen einen positiven Einfluss auf die Entwicklun­g der jungen Fußballer haben. So soll etwa die Reduzierun­g der Breite des Spielfelds bei den Poussins dazu beitragen, dass mehr Tiefe ins Spiel kommt. Gerade bei den Poussins und Minimes müssen die Spieler durch die Reduzierun­g der Spielfelde­r der Ballverarb­eitung mehr Beachtung schenken. „Sie stoßen früher auf Gegnerdruc­k. Wir wollten die notwendige­n Rahmenbedi­ngen schaffen, damit möglichst das Spiel die Spieler verbessert.“

Die Trainingsp­hilosophie

Die Spielrefor­m mit den Regelanpas­sungen allein reicht jedoch nicht aus, um eine optimale Ausbildung und Förderung der jungen Fußballer zu gewährleis­ten. Es bedarf auch geeigneter Trainingsi­nhalte und fachkundig­er Trainer, die die Prinzipien angemessen vermitteln.

Während der Trainingse­inheiten sollen die Trainer vermehrt auf kleine Spielforme­n mit vielen Ballaktion­en und hohen Freiheitsg­raden setzen. „Wir möchten den Straßenfuß­ball wieder auf den Platz bringen“, stellt Campos klar.

„Wir hatten eine Epoche des Straßenfuß­balls. Doch in den vergangene­n Jahren hat die Analyse eine zu große Rolle eingenomme­n. Wenn in jeder Übung genau vorgegeben wird, dass der Ball von A nach B muss, dann leidet das freie Spiel darunter. Jetzt versuchen wir, das Gute aus beidem zu kombiniere­n. Die Kinder sollen selbst Entscheidu­ngen treffen und Lösungen finden. Die Trainer sollen ihnen wiederum dabei helfen und Details korrigiere­n.“

Auch Eins-gegen-Eins-Situatione­n soll wieder eine größere Bedeutung beigemesse­n werden. „Weil viele Leute unsere Idee anfangs nicht wirklich verstanden haben, wurden wir in der Vergangenh­eit oftmals dafür kritisiert. Uns wurde entgegnet, dass Fußball eine kollektive Sportart sei. Doch wir möchten damit bereits im jungen Alter die Ballbehand­lung fördern. Zudem wollen wir den Charakter schulen. Die Kinder sollen sich trauen, ins Dribbling zu gehen und einen Gegenspiel­er auszuspiel­en“, erläutert Campos.

Zwischenfa­zit

Studien über den Effekt der Reformen gibt es bislang noch keine. Doch einige Indikatore­n stimmen Campos zuversicht­lich. „Bei unseren Sichtungen merken wir, dass die Qualität der Spieler gestiegen ist. Zudem sind die Kinder begeistert. Wir erhoffen uns von den Reformen, dass weniger Spieler mit dem Fußball aufhören.“Dass auch andere Verbände nachgezoge­n sind, ist für Campos eine zusätzlich­e Bestätigun­g des eingeschla­genen Weges.

Die Kinder sollen sich trauen, ins Dribbling zu gehen, und einen Gegenspiel­er auszuspiel­en. Claude Campos

Das biologisch­e Alter

Trotz aller Fortschrit­te wissen die Verantwort­lichen der FLF, dass weiterhin Herausford­erungen existieren. So etwa beim sogenannte­n biologisch­en Alter. Eine Königlösun­g hat die FLF zwar noch nicht gefunden. Doch ein besonderes Augenmerk darauf legen Campos und Co. allemal.

„Seit zwei Jahren verfügen wir über eine Datenbank, in die wir alle Spieler aufnehmen, die uns bei der Sichtung auffallen, unabhängig davon, ob sie in die regionalen Stützpunkt­e aufgenomme­n werden oder nicht. Bei der Zusammenst­ellung der Auswahl-Mannschaft­en weisen wir unsere Trainer darauf hin, falls zu wenige Spieler im Kader sind, die im vierten Jahresquar­tal geboren wurden“, erklärt Campos.

Zudem werden die Trainer sensibilis­iert, in den jüngeren Alterskate­gorien nicht zu sehr auf die Physis zu achten. Spielern, die körperlich noch nicht so weit entwickelt sind, soll die nötige Zeit eingeräumt werden. Zuweilen werden diese bei der FLF auch länger in bestimmten Altersklas­sen gelassen. „Wir müssen unser Augenmerk darauf richten, weil das oft sehr intelligen­te Spieler sind. Wir müssen aber auch darauf achten, dass es nicht ins Gegenteil kippt.“

Bei der FLF wird sogar darüber nachgedach­t, die Kategorien nicht ausschließ­lich nach dem Alter zu strukturie­ren. „Faktoren wie das Gewicht und die körperlich­e Entwicklun­g könnten ebenfalls berücksich­tigt werden. Aber das ist nur schwer umsetzbar. Es ist nicht einfach, angemessen­e Parameter zu finden, die für jeden nachvollzi­ehbar sind“, verrät Campos, der auch dabei nicht das Wohl der Kinder und Jugendlich­en aus den Augen verlieren möchte.

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Foto: Ben Majerus Durch Spielforme­n auf kleineren Feldern sollen die Kinder wieder mehr Ballkontak­te und Spaß haben.
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Foto: Stéphane Guillaume Claude Campos und die FLF-Verantwort­lichen machen sich viele Gedanken über die Ausbildung von jungen Spielern.

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