Bauschs Bettelverbot
Die Grünen wehren sich gegen das Bettelverbot in der Hauptstadt. Dabei sieht ein Gesetzentwurf des ehemaligen grünen Transportministers François Bausch ebenfalls eines vor
Gegen das Bettelverbot in der Hauptstadt hat sich ein breiter gesellschaftlicher Widerstand gebildet. Unter den Gegnern befindet sich – mit Ausnahme der ADR – auch die parlamentarische Opposition, darunter Déi Gréng.
„Die ,mendicité simple‘ wurde bekanntlich 2018 aus dem Strafrecht gestrichen und 2021 in einem Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs als konträr zur Menschenrechtskonvention bestätigt“, schreiben die hauptstädtischen Grünen in einer Pressemitteilung am 12. Dezember 2023.
Auch die ehemalige Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) erinnerte in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Frage im 2. Mai 2023 daran, „dass das Verbot des einfachen Bettelns Gefahr läuft, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zu verstoßen“.
Das hat den früheren Transportminister François Bausch (Déi Gréng) aber nicht davon abgehalten, am 23. Oktober 2023 einen Gesetzentwurf (Projet de loi relative à la sécurité, la sûreté, l‘ordre et la vidéosurveillance dans les transports publics) auf den Weg zu bringen, der die Bettelei verbietet, und zwar in öffentlichen Verkehrsmitteln. Für Personen, die sich nicht daran halten, sieht der Entwurf 25 Euro Strafe vor.
Mehr Sicherheit, Ruhe und Ordnung in öffentlichen Verkehrsmitteln
Im Exposé des motifs des Gesetzentwurfs heißt es, dass in den vergangenen Jahren Fälle von „ungebührlichem Verhalten“und Aggressionen in öffentlichen Verkehrsmitteln zugenommen hätten. Seit die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel kostenlos ist, würden überdies immer mehr Menschen sie nutzen, um sich dort aufzuwärmen oder in Ruhe zu schlafen. Nicht selten würden sie aber auch andere Nutzer mit unzivilisiertem Benehmen oder kleineren Verstößen stören und belästigen.
Dem Entwurf zufolge reichen die rechtlichen Mittel nicht aus, die den Agenten des öffentlichen Verkehrs aktuell zur Verfügung stehen, um gegen Belästigungen und Verstöße vorzugehen. Die existierenden Gesetze und Vorschriften enthielten Pflichten für die Fahrgäste, heißt es im Exposé des motifs. „Die Nichteinhaltung der Pflichten kann jedoch nicht ausreichend verfolgt werden, sodass die Vorschriften mangels echter abschreckender Sanktionen gegenstandslos werden.“
Um für mehr Sicherheit, Ruhe und Ordnung in öffentlichen Verkehrsmitteln zu sorgen, sollen nun also neue Maßnahmen eingeführt werden, darunter Schutzmaßnahmen (Notknopf, Schutzwand usw.) für die Fahrer, Videoüberwachung, eine erhöhte Polizeipräsenz und erweiterte Befugnisse für Beamte und Agenten. Zudem enthält der Entwurf eine Auflistung von Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldstrafe geahndet werden, darunter auch das Betteln, wobei die Form der Bettelei – aktiv, passiv oder organisiert – nicht genauer definiert wird.
Wenn das Betteln in öffentlichen Verkehrsmitteln verboten werden soll, dann deshalb, weil es als Problem wahrgenommen
Die Nichteinhaltung der Pflichten kann nicht ausreichend verfolgt werden, sodass die Vorschriften mangels echter abschreckender Sanktionen gegenstandslos werden. Exposé des motifs, Projet de loi relative à la sécurité, la sûreté, l‘ordre et la vidéosurveillance dans les transports publics
wird. Das passt nicht zu den Aussagen der Grünen in den vergangenen Wochen.
Ähnliche Ziele wie die Stadt Luxemburg
Der Gesetzentwurf hat von den Zielsetzungen her Ähnlichkeit mit den Zielsetzungen der Stadt Luxemburg. Sowohl die Stadt als auch François Bausch wollen Mittel schaffen, mit denen sie für mehr Sicherheit, Ruhe und Ordnung sorgen können. Und in beiden Fällen wird das Betteln verboten. Was aber unterscheidet den Gesetzentwurf und die Polizeiverordnung der Stadt Luxemburg? Und: Darf der Minister das Betteln, wenn es denn ein verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht ist, überhaupt gesetzlich verbieten?
Das „Luxemburger Wort“hat Maître Sébastien Couvreur von der Anwaltskanzlei Krieger & Associés dazu befragt.
„Im Allgemeinen“, sagt Maître Sébastien Couvreur von der Anwaltskanzlei „Krieger&Associés“, „hindert der Umstand, dass das Bettelverbot 2008 abgeschafft wurde – ein Punkt, der derzeit noch umstritten ist –, den Gesetzgeber nicht daran, ein neues Gesetz zu verabschieden, das Betteln unter bestimmten Umständen verbietet oder an bestimmte Bedingungen knüpft, die verwaltungs- oder strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen können“. Wobei der Gesetzgeber aber nicht gegen die Verfassung oder völkerrechtlich anerkannte Grundrechte verstoßen dürfe. „In diesem Fall stellt sich jedoch die Frage, ob es überhaupt ein Grundrecht ,auf Betteln‘ gibt, und wenn ja, ob dieses Recht absolut ist oder ob es eingeschränkt oder sanktioniert werden kann.“
Couvreur verweist zum Vergleich auf das Eigentumsrecht, das ebenfalls ein durch die Verfassung und die Menschenrechtskonvention garantiertes, aber kein absolutes Grundrecht sei. Eine „Regelung der Nutzung von Eigentum“sei durchaus zulässig und es gebe sogar straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen, „wenn das Eigentumsrecht in einer Weise genutzt wird, die nicht mit dieser Regelung übereinstimmt“.
Der Unterschied zwischen dem Gesetzentwurf und der Polizeiverordnung besteht laut dem Anwalt darin, „dass das Gesetz in der Normenhierarchie höher angesiedelt ist als die kommunale Polizeiverordnung. Während die Polizeiverordnung nur aufgrund eines Gesetzes existieren kann, ist der Gesetzgeber nur durch die Verfassung und höhere europäische und internationale Normen eingeschränkt“.
„In den Augen der Stadt gibt es Gesetze, die sie ermächtigen, das Betteln unter bestimmten zeitlichen und örtlichen Bedingungen teilweise zu verbieten und dieses Verbot einer strafrechtlichen Sanktion zu unterwerfen. Das sind zum einen das Dekret von 1789 und das Dekret von 1790 sowie das Gemeindegesetz.“
In Bezug auf das Betteln sind Sébastien Couvreur zufolge, „wie so oft im Recht“, die Nuancen entscheidend. Im Lacatus-Urteil haben die Richter des Menschenrechtsgerichtshofs entschieden, dass die einfache Bettelei ein Menschenrecht ist. „Zugleich aber stellte der Gerichtshof fest, dass eine Einschränkung dieses Rechts möglich ist, sofern der Eingriff gesetzlich vorgesehen und konform zu Artikel 8.2 der Menschenrechtskonvention ist“, so der Anwalt.
In Artikel 8.2 steht: „Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
Ein absolutes Verbot sei demnach a priori verboten, „ein begrenztes Verbot aber scheint durchaus möglich“, so Maître Couvreur. Ob das Bettelverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln die oben genannten Bedingungen erfüllt, darüber dürfte das Gutachten des Staatsrats demnächst Klarheit bringen.
In den Augen der Stadt gibt es Gesetze, die sie ermächtigen, das Betteln unter bestimmten zeitlichen und örtlichen Bedingungen teilweise zu verbieten. Sébastien Couvreur, Anwalt