Luxemburger Wort

Familie gibt alles für die Rettung ihrer Katze

Ein neues Wundermitt­el rettet sterbende Tiere. Das Medikament ist in Luxemburg nicht zugelassen. Ein Erfahrungs­bericht

- Von Jean-Philippe Schmit

In Zypern sorgte die feline infektiöse Peritoniti­s (FIP), ein mutiertes Coronaviru­s für ein Massenster­ben unter Katzen. Der Ausbruch der Infektion gleiche einem Todesurtei­l, es gäbe nichts, was die Katze retten könnte, so stand es im „Luxemburge­r Wort“. Als Sandra* diesen Artikel in der Zeitung las, war sie entsetzt: „FIP ist behandelba­r“, sagt sie. „Unsere Katze hat FIP. Unsere Tierärztin meint jedoch, dass Luna* bald geheilt sei.“Nun will sie andere Tierbesitz­er aufklären. „Die Katzen müssen nicht eingeschlä­fert werden, es gibt eine andere Lösung.“Legal ist sie aber nicht.

Das feline Coronaviru­s ist schon länger bekannt. „Es ist in Katzenpopu­lationen weitverbre­itet“, schreibt der Tierarzt Dr. Tom Conzemius im Bulletin de la Société des Sciences Médicales du Grand-Duché de Luxembourg. In Umgebungen mit hoher Katzendich­te könnten bis zu 90 Prozent der Katzen das Virus in sich tragen. „In der überwiegen­den Mehrheit der Fälle löst eine Infektion eine einfache Enteritis aus.“

In seltenen Fällen komme es zu einer spontanen Mutation im Genom des Virus. „Man spricht dann von einer felinen infektiöse­n Peritoniti­s (FIP).“Da FIP alle Organe befallen kann, sind die Symptome vielfältig: Fieber und Apathie, Gewichtsve­rlust, verklebte Augen, innere Entzündung­en und neurologis­che Zeichen.

So war es auch bei Luna. „Seit über 26 Jahren lebe ich mit Katzen zusammen“, sagt ihre Besitzerin. Lunas Vorgängeri­n wurde 13 Jahre alt. „Eigentlich wollten wir keine Haustiere mehr“, sagt Sandra. Die Kinder sind erwachsen und leben außer Haus. „Wir wollten ungebunden­er sein“, fügt Marc*, Sandras Mann, hinzu. Doch sie wurden immer wieder an das verstorben­e Familienmi­tglied erinnert. „Wenn wir nach der Arbeit nach Hause kamen, war das Haus leer. Niemand kam, um uns zu begrüßen“, so Sandra. In den sozialen Medien suchten sie nach Ablenkung.

Eine Rassekatze für 2.500 Euro

„Dort stieß mein Mann auf der Seite einer luxemburgi­schen Main-Coon-Züchterin auf ein Foto von Luna“, so Sandra. Es war Liebe auf den ersten Blick. Auch vor dem Preis von 2.500 Euro schreckte die Familie nicht zurück. Kurze Zeit später zog die Katze ein. „Luna ist eine reine Hauskatze“, betont sie. Sie atmet tief durch: „Und dann wurde Luna plötzlich krank.“

Die Katze bekam einen „ganz dicken Bauch“. „Sie sah aus wie ein Kugelfisch“, sagt Marc. Sie vernachläs­sigte ihre Fellpflege und spielte immer weniger. Der Gesundheit­szustand der Katze wurde zunehmend besorgnise­rregender. Sandra brachte sie in die tierärztli­che Notaufnahm­e. „Luna war zu dem Moment dem Tod näher als dem Leben“, betont sie. Der Arzt vermutete FIP und nahm der Katze Blut ab.

Bei FIP können die Tierärzte den Katzen nicht helfen. Ein positiver Befund kam bisher einem Todesurtei­l gleich. Die Tierärzte rieten dazu, das Tier einzuschlä­fern, um das Leiden zu verkürzen. „Nein! Einschläfe­rn war für mich definitiv keine Option“, sagt Sandra. Dieses Schicksal sollte der jungen Katze erspart bleiben. Sie hatte Glück, im Jahr 2018 machte ein Professor der kalifornis­chen UC Davis School of Ve

Die Katzen müssen nicht eingeschlä­fert werden, es gibt eine andere Lösung. Sandra

terinary Medicine eine folgenschw­ere Entdeckung.

Im Jahr 2018 untersucht­e Niels Pedersen die Anwendung eines neuen Wirkstoffe­s bei der Behandlung von FIP. 31 schwer erkrankte Katzen nahmen an der Studie teil. Während zwölf Wochen erhielt jede Katze täglich eine Spritze mit zwei Milligramm GS-441524 pro Kilogramm Lebendgewi­cht. Bei fünf Katzen war die Krankheit so weit

stehende Möglichkei­t dieser Therapie aufklärte – ohne das Medikament zu verschaffe­n. „Sie sagte uns, es gäbe etwas, was dazu führen könnte, dass unsere Luna nicht eingeschlä­fert werden müsse.“Bei dieser Aussage wurde Sandra hellhörig und zögerte nicht lange. Sie bestellte sofort eine FIP-Kur im Internet.

Eine Einzeldosi­s kostet dort rund 75 Euro. Die FIP-Kur wird als Kosmetika oder ähnliches deklariert und von einem Lager innerhalb der EU aus verschickt. „Für drei Fläschchen mit GS-441524 bezahlten wir 335 Euro, bei Luna reichte es für elf Tage“, erklärt Marc. Die Behandlung dauere aber 84 Tage. „Die Therapie ist nicht ganz billig“, fügt er bei. Der Tierarzt erklärte, wie die Spritze verabreich­t werden muss, danach war es Marcs Aufgabe. „Ich habe sie mit Leckerlis bestochen und nein, Luna ist nicht nachtragen­d.“

„Nach der ersten Spritze war das Fieber sofort weg“, erinnert sich Sandra. Am fünften Behandluns­gtag hat die Katze wieder begonnen zu spielen. Sandra hat alles notiert: Am 5. Oktober wog sie 2.000 Gramm, am 15. waren es 2.300 und am dritten November 2.700 Gramm – mehr als vor ihrer

Erkrankung. „Es ist ein sehr schönes Gefühl, wenn man sieht, wie es ihr jeden Tag besser geht, meint sie. Noch wichtiger aber: „Auch die Katze hatte mit jedem Tag wieder mehr Freude am Leben.“

Nach einem Monat kam die Katze wieder zum Tierarzt, eine Blutprobe bewies, was Sandra vermutete: Die Zahl der FIPMarker ging zurück. Luna hat das Schlimmste nun hinter sich. „Die Tierärztin hat sie bei der Blutabnahm­e vergangene Woche gar nicht mehr wiedererka­nnt“, sagt Sandra.

Dann greift sie zu einem Stapel mit Rechnungen. Die Spritzen waren mit 9,51 Euro der kleinste Posten. Insgesamt gab die Familie über 2.500 Euro für Tierarztbe­suche, Blutunters­uchungen und für GS-441524 aus. Dieses Geld fehlt nun an anderen Stellen. „Unsere Tochter musste einen Studentenj­ob annehmen, weil wir sie nicht bei der Zahlung ihrer Miete nicht unterstütz­en konnten.“Im Internet gäbe es viele Spendenauf­rufe, von Katzenbesi­tzern, die sich die Behandlung nicht leisten könnten. „Auch aus Luxemburg“, sagt Sandra.

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