Das ethische Dilemma der FIP-Behandlung bei Katzen
fortgeschritten, dass sie starben oder eingeschläfert werden mussten. Den fünften Behandlungstag überlebten jedoch alle Katzen. „26 schlossen die geplante Behandlungsdauer ab, 18 dieser 26 Katzen sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung immer noch gesund“, schrieb der amerikanische Professor im Februar 2019. „Die Versuche waren sehr erfolgreich und sahen wie ein Wunder aus“, schreibt Dr. Tom Conzemius.
Dennoch wollte der Patentinhaber diese Moleküle vorerst für die Humanmedizin nutzen und testete sie am Ebola- und Marburg-Virus. Erst danach wollte sich Gilead Sciences der Tiermedizin widmen. Doch dann brach die Covid-19-Pandemie aus und das Medikament Remdesivir erhielt eine Zulassung als antivirales Mittel – beim Menschen. Ein Wundermittel gegen Covid, so wie es bei FIP der Fall ist, ist es jedoch nicht. Die Markteinführung als Veterinärmedizin verzögerte sich erneut. „Aktuell ist in Luxemburg kein Medikament zur Behandlung von FIP zugelassen“, bestätigt die Pressesprecherin des Ministeriums für Landwirtschaft auf Anfrage.
„Ab dem Moment wurde die wundersame Geschichte des neuen Moleküls kafkaesk“, so Tom Conzemius. Eine chinesische Firma hat das Molekül herstellen wollen, erhielt jedoch nicht die dafür notwendige Lizenz. Das Molekül tauchte anschließend trotzdem auf dem Schwarzmarkt auf und kann seitdem im Internet bestellt werden.
„Da die Moleküle nicht in Luxemburg als Tiermedizin zugelassen sind, ist die Anwendung dann auch strafbar“, erklärt das zuständige Ministerium und meint gleichzeitig, „dass es sehr schwer zu kontrollieren ist, wer was im Internet bestellt“. Die knappe Antwort auf die Frage, wie Besitzer von FIP-kranken Katzen handeln sollen, lautet: „Der behandelnde Tierarzt ist der richtige Ansprechpartner.“Diese stehen nun vor einem ethischen Dilemma: die Tiere sterben lassen oder zu versuchen, sie durch den Einsatz eines Moleküls unbekannter Herkunft zu retten.
Das Wundermedikament vom Schwarzmarkt
Die Tierärztin von Lunas Familie löste dieses Dilemma, indem sie nur auf die be
Es klingt nach einem philosophischen Gedankenexperiment, doch es ist Realität. Auch in Luxemburg. Eine Katze sterben lassen oder sie mit einem Medikament zweifelhafter Herkunft heilen? So lautet das Dilemma, vor dem Besitzer FIP-kranker Katzen stehen. Sie müssen sich entscheiden: Entweder sie versuchen die Kur, machen sich strafbar und geben Tausende Euros aus oder sie bitten ihren Tierarzt der Katze jene Spritze zu setzten, die das Leben und alle Qualen beendet.
Die Pflicht, ein Leben zu retten, kann in diesem Fall nicht mit der Pflicht, das Gesetz zu achten, in Einklang gebracht werden.
In der EU und in Luxemburg gibt es Gesetze, die Patente schützen. Das Gesetz verbietet auch den Einsatz von nicht zugelassener Tiermedizin. Der größte Teil der Tierärzte Luxemburgs weigert sich, den Katzen das erforderliche Medikament zu spritzen, auch wenn das bedeutet, dass der Patient eingeschläfert werden muss. Jene, die das Medikament in zweifelhaften Onlineshops kaufen, verstoßen gegen die Einfuhrbestimmungen für medizinische Pro
Die Tierärzte stehen nun vor einem ethischen Dilemma – die Tiere sterben lassen oder sie durch den Einsatz eines Moleküls unbekannter Herkunft zu retten.
dukte. Zudem finanzieren sie den ausschweifenden Lebensstil von skrupellosen Geschäftemachern.
Das Wohl eines Lebewesens sollte jedoch immer Vorrang haben. Ein Tier kann Schmerzen spüren, ein Patent hingegen hat keine Gefühle. Hierbei lohnt sich ein Blick auf das Luxemburger Tierschutzgesetz. Im Artikel 12 dieses Gesetzes steht: „Es ist verboten, einem leidenden Tier nicht im Rahmen des Möglichen, Hilfe zu leisten; es ist verboten, ein Tier ohne Not zu töten.“Eigentlich haben die Besitzer und die Tierärzte die Pflicht, das Leben der Katzen zu retten.
Viele Katzenbesitzer würden sich sofort für die Kur entscheiden, einige tun es. Sie sind bereit, Tausende Euros für GS-441524 auszugeben und nehmen die Konsequenzen dafür in Kauf. Für alle anderen bleibt zu hoffen, dass der Patentinhaber sich bald der Tiermedizin widmet und eine Zulassung beantragt. Denn nur so könnten alle an FIP erkrankten Katzen gerettet werden – ohne dass die Besitzer den finanziellen und gesetzlichen Rahmen übertreten müssen.