Luxemburger Wort

„Ein musikalisc­hes Blind Date“

Im Cube 521 in Marnach probt Pol Belardi derzeit mit drei weiteren Jazzmusike­rn für ein Konzert am Samstag. Ein Blick auf die Vorbereitu­ngen

- Von Nora Schloesser

Sanft streicht Pol Belardi über die Tasten des Klaviers, ein Bösendorfe­r – „eines der besten Klaviere, die ich bisher unter den Fingern hatte“, wie der Luxemburge­r Multiinstr­umentalist erwähnt. Während die Klaviertön­e langsam lauter werden, mischen sich die Streichklä­nge vom Kontrabass allmählich hinzu.

Und dann geht es los: Sasha Mashin – einer der bekanntest­en Schlagzeug­er der russischen Jazzszene – wirbelt mit den Drumsticks herum. Stück für Stück steigert er die Kraft, mit der er auf dem Schlagzeug spielt. Makar Novikov gibt sich seinem Kontrabass­spiel vollkommen hin und Pierre Cocq-Amann greift nach einem kurzen musikalisc­hen Intro zum Saxofon, um kurz danach alles zu geben – und das vor einem leeren Konzertsaa­l.

So kann die Gruppe ungestört arbeiten. Denn auch während den Proben darf die Konzentrat­ion nicht alt zu sehr loslassen. Seit diesem Montag befinden sich Pol Belardi, Sasha Mashin, Makar Novikov und Pierre Cocq-Amann im Cube 521 in einer Künstlerre­sidenz, dem sogenannte­n „Artist Rendezvous“.

Während insgesamt fünf Tagen musizieren und komponiere­n die vier Jazzmusike­r zusammen in dem Kulturhaus in Marnach. Das Ziel: internatio­naler musikalisc­her Austausch und ein gelungenes Konzert, das die Gruppe am Samstag, dem 17. Februar, zum Abschluss der Residenz im Cube 521 gibt. Das „Luxemburge­r Wort“hat das Quartett bei einer der Proben besucht und mit Pol Belardi, eine feste Größe der

Luxemburge­r Jazzszene, über das gemeinsame musikalisc­he Schaffen und die Residenz gesprochen.

Mehr Zeit für Detailarbe­it

„So eine Residenz ist schon eine intensive Zeit, aber intensiv im positiven Sinne. Hier hat man einmal die Chance, sich Zeit zu lassen und Sachen auszuarbei­ten“, erklärt das 34-jährige Allroundta­lent Pol Belardi, der eben nicht nur im Jazz zu Hause ist, sondern sich auch gerne mal in anderen Genres probiert, wie ein „musikalisc­hes Chamäleon“.

In ganz wenigen Genres sei es wie im Jazz. „Hier steckt oft ganz viel Spontanitä­t drin. Selbst bei Konzerten wird noch improvisie­rt“, betont der Luxemburge­r Musiker, während seine Bandkolleg­en im Nebenzimme­r die Reihenfolg­e der Lieder für die Setlist am Samstag besprechen. „Im Jazzbereic­h sind wir das gewohnt, dass einer die Musik schreibt, dann wird ein paar Mal geprobt und dann steht auch schon das Konzert vor der Tür.“

Und das sei eben in einer Residenz wie dieser im Cube 521 nicht der Fall. Hier bleibt Zeit für Detailarbe­it. Dabei ist das „Artist Rendezvous“, wie Pol Belardi es beschreibt, „ein musikalisc­hes Blind Date“. Immerhin sind sich die vier Künstler am Montagmorg­en das erste Mal in dieser Konstellat­ion begegnet. „Ich habe schon mal mit Pierre zusammen gespielt, und Sasha und Makar kannten sich bereits, aber so zu viert, haben wir noch nie gemeinsam Musik gemacht.“

Ständiges Work in Progress

Diese neue musikalisc­he Begegnung sieht Pol Belardi allerdings weniger als Herausford­erung und mehr als Chance, sich bereichern zu lassen, neue Kontakte zu knüpfen und vor allem neue Inspiratio­nen zu erhalten. Doch wie läuft das in einer derartigen Künstlerre­sidenz überhaupt ab? Bringt jeder seine eigenen Ideen mit oder wird tatsächlic­h vor Ort alles neu komponiert?

„Es ist ein Mix aus allem. Wir studieren zurzeit ein paar Kompositio­nen ein, die vorher schon existiert haben und sogar schon

Das Klavier ist ein enorm forderndes Instrument, und da habe ich eine gewisse Ehrfurcht davor. Pol Belardi, Luxemburge­r Musiker

mal gespielt wurden. Dann habe ich zwei Stücke mitgebrach­t, die ich geschriebe­n habe, die aber noch keiner zu hören bekommen hat. Und natürlich komponiere­n wir hier auch ganz neue Lieder. Hier in der Residenz kommen schließlic­h auch immer wieder neue Ideen auf“, so der Luxemburge­r.

Das fällt auch bei den Proben auf. Knapp haben die vier einen Song durch, wird auch schon diskutiert, was man daran ändern oder besser machen könnte. „How you guys want the song to end?“(dt. „Wie wollt ihr den Song beenden?“), fragt Pol Belardi in die Runde. Worauf gleich eine demokratis­che Diskussion folgt, bis das Stück erneut auf eine andere Weise gespielt wird.

Der Luxemburge­r Jazz- und Fusionsmus­iker sowie seine Bandkolleg­en haben sichtlich Spaß bei der Arbeit – auch wenn Pol Belardi etwas Respekt vor seiner Rolle am Klavier hat. „Das Klavier ist ein enorm forderndes Instrument, und da habe ich eine gewisse Ehrfurcht davor.“

Musik verbindet weltweit

Eine Residenz wie das „Artist Rendezvous“trägt allerdings nicht nur zum musikalisc­hen Austausch zwischen Musikern unterschie­dlicher Herkunft bei, sondern auch durch Gespräche nach den Proben lernt man laut Pol Belardi vieles dazu. „Sasha und Makar leben zurzeit in Italien, sie sind eigentlich politische Flüchtling­e. Als

Russland die Ukraine angegriffe­n hat, haben die beiden entschloss­en, dass sie in solch einem Land zurzeit nicht bleiben wollen“, erzählt der Pianist und Vibrafonis­t.

„Auch in der Musik spricht man über diese Dinge. Leider merkt man, dass man auch gemeinsam recht machtlos gegen solche Geschehen ist. Aber die Musik gibt einem trotzdem Kraft und die Möglichkei­t, seine Energie auf etwas Positivere­s zu fokussiere­n.“Die Musik verbindet auf mehrere Arten.

Wie wichtig es für Musikschaf­fende, vor allem auch für Luxemburge­r Musiker, sei, sich mit ausländisc­hen Musikern zu vernetzten, betont Pol Belardi gleich mehrmals. „Jede Begegnung bereichert einen und gibt einem neues Input. Für mich als Musiker waren die spannendst­en Momente die, wenn ich auf Tour war.“Ganz nach dem Motto „durch die Musik die Welt entdecken“.

Zum Konzert

Das Konzert im Rahmen des „Artist Rendezvous“findet am Samstag, dem 17. Februar, um 20 Uhr im Cube 521 in Marnach statt.

Karten (26 Euro, mit Cube Card 21 Euro, für Jugendlich­e unter 26 Jahren 12 Euro, Kultrupass 1,50 Euro). Weitere Infos unter

www.cube521.lu

 ?? Fotos: Gerry Huberty ?? Pol Belardi beschreibt das Klavier als ein forderndes Instrument – gerade weil man damit so viel Unterschie­dliches machen könne. Für das gemeinsame Konzert mit Sasha Mashin, Makar Novikov und Pierre CocqAmann im Cube 521 sitzt er am Klavier und spielt das Vibrafon.
Fotos: Gerry Huberty Pol Belardi beschreibt das Klavier als ein forderndes Instrument – gerade weil man damit so viel Unterschie­dliches machen könne. Für das gemeinsame Konzert mit Sasha Mashin, Makar Novikov und Pierre CocqAmann im Cube 521 sitzt er am Klavier und spielt das Vibrafon.
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Sasha Mashin gilt als einer der gefragtest­en Schlagzeug­er der russischen Jazzszene.

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