Startfieber mit Désiree Nosbusch und einem starken Eröffnungsfilm
Die Berlinale nimmt mit dem Drama „Small Thinks Like These“Fahrt auf – und Luxemburgs Brancheninsider sind mittendrin
Die Frühmaschine nach Berlin ist mehr als gut gefüllt. Das gilt sicher nicht nur für diesen Luxair-Flug, in dem auch Marie Jung und Désiree Nosbusch in die deutsche Hauptstadt reisen. Die Branche und die Fans machen sich auf den Start fertig – das ist Losung dieses ersten Berlinale-Tages.
Für viele Menschen ist dieses Film-Festival eines der wichtigsten des Jahres – neben den Festspielen in Cannes und in Venedig. Luxemburg will da mitspielen, seine aufgebauten Trümpfe auch auf dem Parkett in den Ring werfen. Dazu gehört auch, dass die Branche und der Luxemburger Film Fund sichtbar ist. Marie Jung und Désiree Nosbusch versichern, am Montag, dem 19. Februar, beim Empfang der Luxemburger Botschaft und des Funds direkt neben dem Berliner CDU-Sitz dabeisein zu wollen. Auch das gehört dazu.
Aber geht es längst nicht nur um Crémant und Häppchen oder die scheinbar so glamorösen roten Teppiche des Festivals. Natürlich ist es auch gute Werbung, wenn Vicky Krieps zu den geladenen Gästen der Eröffnungsgala gehört. Ihr Gesicht und ihre internationalen Bezüge könnten auch Brücken Richtung Luxemburg schlagen.
Denn vielmehr ist die Berlinale ein zentraler Branchentreff. Und da ist Désiree Nosbusch zum Beispiel unter anderem auch als Filmemacherin und Produzentin mit ihrer Partnerin Alexandra Hoesdorf für das gemeinsame Unternehmen Deal Productions im EInsatz. Ohne die Pflege der Netzwerke mit Partnern und die stetige Arbeit für die Projekte kommt
Arbeit am intensiven Kino
Der Goldene Bär für den rumänischen Regisseur Radu Jude und seinen Film „Bad Luck Banging Or Loony Porn“2021 habe zum Beispiel für den Luxemburger Koproduzenten Paul Thiltges ganz neue Türen geöffnet. Das gibt dieser auch ganz freimütig zu – und ist dankbar, das Jude trotz viel lukrativerer Angebote auch weiter Filme mit seinen Luxemburger Partnern machen wolle, so Thiltges.
Eine Mail von dem Luxemburger Produzenten geht kurz vor Berlinale-Start ein: Man könne auf dem European Film Market, der Handelsplattform eine Vorführung der neuen Animationskooperation mit lettischen Partnern, den Film „Thelma‘s Perfect Birthday“, zeigen. Das Werk sei zwar noch nicht fertig, aber vielleicht finden sich anhand des Auszugs schon erste Interessenten, Vertreter der Verleihfirmen oder auch neugierige Festivalmacher, die den Film vielleicht auf ihren Merkzettel für eine Einladung schreiben.
Der Puls steigt spürbar – nicht nur, weil die Anreise über den neuen Flughafen in Berlin bis in die Innenstadt und dem „Festivalherz“Potsdamer Platz im morgendlichen Berlin durchaus ihre Tücken und Längen hat. Dass man diesem Herz zumindest nach und nach näher kommt, beweist, die zunehmende Dichte der Passanten mit den um den Hals baumelnden Akkretierungsausweisen.
Sogar schon erste Fans warten am Einlass vor dem „Berlinale Palast“am Marlene-Dietrich-Platz, um sich zehn Stunden vor dem Eröffnungsgalastart um 19.30 Uhr möglichst gute Plätze zum Autogrammjagen zu bekommen. Von dem unter Insidern berühmten Eingang zum Parkhaus des nahe gelegenen Grand Hyatt Hotels ganz abgesehen, in dem einmal mehr die zentralen Pressekonferenzen abgehalten werden.
Davon gibt es an diesem Tag gleich zwei zentrale: erstens die der Festivalspitze und zweitens die zum Eröffnungsfilm mit dem „Oppenheimer“-Star Cilian Murphy, der unter anderem Matt Damon als Produzent des belgisch-US-amerikanischen Werks „Small Things Like These“mit auf das erste Podium bringt. Auch die absolut im Film beeindruckenden Schauspielerinnen Emily Watson und Eileen Walsh sind mit dabei.
Mediahuis Irland – Ableger der Mediengruppe, zu der auch das „Luxemburger
Wort“gehört – stellte unter anderem Archivmaterial zu „Small Things Like These“, der eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren irischen Geschichte nach dem Roman von Claire Keegan aufarbeitet. So ist auch nicht verwunderlich, dass die „Irish Times“bei der Pressekonferenz eine der ersten Fragen an das Podium richtet. Und schon da wird klar, was eine Bedeutung diese Weltpremiere haben könnte.
Der Film geht im Mikrokosmos einer Kleinstadt aus den Gewissensqualen eines Kohlehändlers nach. Das Gewissen eines Menschen angesichts der Tausenden Frauen und deren Leid in den sogenannten Magdalenenheime. Ein ganz realer Hintergrund durchzieht den Film – und führt an den Kern des kollektiven Traumas, das bis heute im katholisch extrem geprägten Irland und dem aufgedeckten Missbrauch nachwirkt.
Das zeigt der Film in einer leisen, intensiven Art, in der der Schrecken nicht ausgesprochen wird, sondern die unter die Haut kriegt. Und gleichsam ist er ein international verstehbares Beispiel von Menschlichkeit und der Auflehnung gegen das Unrecht der Mächtigen und angeblich Tugendhaften.
Bei aller Prominenz wird es deutlich stiller im großen Konferenzsaal, wenn es um die Chance zur Aufarbeitung dieser gesellschaftlichen Wunde gebannt in den Szenen geht. Noch hängen die Bilder der Pressevorführungen nach. Die permanenten Unschärfen, die 180-Grad-Schwenks, die Kamera immer ganz nah an den Gesichtern – dieser Film kommt mit großem beeindruckenden Leinwandimpressionen daher. Cilian Murphy ist beeindruckend stark – auch weil er Vertrauen hatte, dass der „Peaky Blinders“- Regisseur Tim Mielants ihn einzufangen weiß.
Schon jetzt beweist die Berlinale mit dieser Wahl zum Start Mut auf so ein Trauma zu blicken und setzt wie die Verantwortlichen des auf die Stärke des Kinos, wie auch Matt Damon betont. Wenn „Small Things Like These“in die Luxemburger Kinos kommt, ist dieser Film ein Pflichttermin.
Für viele Menschen ist dieses Film-Festival eines der wichtigsten des Jahres – neben den Festspielen in Cannes und in Venedig.