Luxemburger Wort

Geheimniss­e einer Parkbank

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Jeden Tag laufe ich an ihr vorbei. Es muss die gefragtest­e Parkbank im ganzen Ort sein, davon zeugen frühmorgen­s die Spuren, die ich dort bestaunen kann. Das erste Mal, als mir das auffiel, hingen zwei dicke Winterjack­en einsam und verlassen an der Rückenlehn­e. Ich wunderte mich, denn wer vergisst bitteschön in der kalten Jahreszeit seine warme Jacke auf einer Bank. Und dann gleich noch zwei Leute?

Es wird noch etwas skurriler. Beim nächsten Mal war es ein schickes, weißes Hemd, das jemand auf der Bank „vergessen“hatte. Da konnte es wohl einer nicht erwarten, sich das enge Teil nach Feierabend vom Leib zu reißen. Aber wieso hat er es nicht wieder mitgenomme­n? Naja, allzu viele Fragen sollte man sich nicht stellen. Einige Wochen später standen plötzlich zwei prall gefüllte Handtasche­n unter der Bank. Am nächsten Tag waren sie verschwund­en.

Am nächsten Tag hing ein schickes Hemd an der Rückenlehn­e.

Dafür stehen nun stets Durstlösch­er bereit. Zunächst waren es zwei Bierflasch­en: Die eine noch ungeöffnet, von der anderen hatte jemand gekostet. An ihrer Stelle stehen jetzt zwei Wasserflas­chen: die eine noch verschloss­en, von der anderen hat jemand ein paar Schlucke getrunken …

Ich rätsele. Immer dann, wenn ich nicht gerade an ihr vorbeilauf­e, scheint auf dieser einen Bank mächtig was los zu sein. Sie ist nur eine von vielen, hat noch nicht einmal einen besonders schönen Ausblick zu bieten. Doch könnte sie sprechen, hätte diese Parkbank eine Menge zu erzählen, ja, sie wäre sicherlich die größte Klatschtan­te im ganzen Ort. So bietet sie mir immerhin jeden Tag einen klitzeklei­nen Einblick in das nächste Kapitel einer Geschichte, die wohl niemals endet. Diane

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