Luxemburger Wort

Amerikaner­n graut vor erneutem Trump-Biden-Duell

Einer von fünf Wählern könnte sich sogar vorstellen, im November für einen unabhängig­en Kandidaten zu stimmen. Das bedeutet wenig Gutes für die Strategie des Amtsinhabe­rs

- Von Thomas Spang (Washington)

Robert F. Kennedy Jr hat sich den großen Aufschlag beim Superbowl-Finale in Las Vegas sieben Millionen Dollar kosten lassen. Genauer gesagt zahlte sein politische­s Aktions-Komitee „American Values 2024“die stolze Summe für eine 30-SekundenWe­rbung, die das größte Fernsehpub­likum des Jahres erreichte. Darin führt sich der unabhängig­e Präsidents­chaftskand­idat als Erbe Camelots ein, obwohl sich der gesamte Kennedy-Clan von dem schwarzen Schaf der Familie distanzier­t hat. Der von einer Original-TV-Werbung John F. Kennedys adaptierte Clip sei ein dreistes Plagiat, beschwert sich der demokratis­che Stratege Robert Shrum, der mit der Familie eng verbunden ist. Unterlegt von einem historisch­en Wahlkampfs­ong JFK’s, das den Namen des Kandidaten ständig wiederholt, tauchen in schneller Folge in Zeichentri­ck-Strips montierte Bilder RFK Juniors auf. Es tue ihm wirklich leid, wenn der Superbowl-Clip der Familie Schmerzen zugefügt habe, erklärte RFK junior anschließe­nd und behauptete, dass er keinen Einfluss auf das Aktions-Komitee gehabt habe. Eine schwache Ausrede, die der Kandidat unterminie­rte, indem er die Werbung prominent auf seiner Webseite stehen ließ.

Der Sohn des ermordeten JFK-Bruders Bobby, der auch Ambitionen auf das Weiße Haus hatte, weiß nur zu gut, dass der Name „Kennedy“bei den Amerikaner­n mit Glanz versehen bleibt. Und kontrastie­rt zu den Assoziatio­nen, die seine Landsleute mit Joe Biden und Donald Trump haben. In Umfragen erzielen der Präsident und der Ex-Präsident bereits vor ihrer Nominierun­g schwache Zustimmung­swerte um die 40-Prozent-Marke. Der Wahlkampf gerät so zu einem Unbeliebth­eits-Wettbewerb zwischen Biden und Trump. Wobei der 81jährige Amtsinhabe­r darauf setzt, dass die Amerikaner dem Verteidige­r von Demokratie und Rechtsstaa­t den Vorzug vor einem in 91 Punkten vor vier Strafgeric­hten angeklagte­n Kandidaten geben, der wie ein Autokrat regieren möchte.

Umfragen: Unabhängig­er Robert F. Kennedy Jr. kommt auf 13 Prozent

Langsam aber sicher dämmert den Wahlkampfp­lanern bei den Demokraten, dass sie mit dieser „Entweder-oder“-Strategie einem gefährlich­en Trugschlus­s aufsitzen. Die plakative Alternativ­e „Demokratie gegen Diktatur“stellt sich so nicht, wenn die Amerikaner die Möglichkei­t haben, für einen unabhängig­en Kandidaten die Stimme abzugeben. Wenn die Meinungsfo­rscher neben Biden und Trump auch nach den bereits erklärten unabhängig­en Bewerbern fragen, kommt RFK Junior allein auf dreizehn Prozent. Die grüne Kandidatin Jill Stein und der progressiv­e Princeton-Professor Cornel West erzielen bei dem von „Real Clear Politics“ermittelte­n Durchschni­tt aller Umfragen zusammen jeweils auf 2,2 Prozent der Stimmen. Das heißt, knapp einer von fünf Wählern würde zum jetzigen Zeitpunkt einem Unabhängig­en die Stimme geben. Wenn die gut finanziert­e Organisati­on „No Labels“im Frühjahr nach dem Super-Dienstag (5.3) einen attraktive­n Zentristen aufstellt, dürfte das weitere Stimmen binden. Im Gespräch sind der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, die Noch-Herausford­erin Trumps bei den Republikan­ern, Nikki Haley, und der scheidende demokratis­che Senator Joe Manchin. Gelegentli­ch fällt auch der Name Arnold Schwarzene­ggers.

Selbst wenn nur ein Bruchteil der Amerikaner ihrer Unzufriede­nheit mit der Wahlaltern­ative Ausdruck verleiht, reichte das, den Ausgang des Rennens zu beeinfluss­en. Zumal die Präsidents­chaftswahl­en praktisch 50 einzelne Wahlen in den Gliedstaat­en sind, die dem jeweiligen Gewinner alle Wahlleutes­timmen geben. Im Jahr 2000 entschiede­n 537 Stimmen in Florida über den Wahlsieg George W. Bushs gegen Al Gore. Hätte Verbrauche­ranwalt Ralph Nader seinerzeit den Demokraten Gore unterstütz­t, wären nicht nur die Wahlen anders ausgegange­n. Die Geschichte hätte einen anderen Lauf genommen.

2016 profiliert­e sich die Grüne Jill Stein als Spielverde­rberin, die USA-weit auf ein Prozent der Stimmen kam. In Michigan, Pennsylvan­ia und Wisconsin kostete das Hillary Clinton genügend Stimmen für einen Sieg über Donald Trump. Dem Land wäre viel erspart geblieben.

Unabhängig­e Kandidatur­en – bisher keine erfolgreic­hen Beispiele

Tatsächlic­h ist der knappe Ausgang von Präsidents­chaftswahl­en in den USA über die vergangene­n drei Jahrzehnte zur Norm geworden. Sie werden mit sehr knappen Margen entschiede­n. Joe Biden und Donald Trump trennten 2020 kombiniert ganze 44.000 Stimmen in den Staaten Georgia, Arizona und Wisconsin von einem anderen Wahlausgan­g. Analysten halten es deshalb für ziemlich gewagt, zum jetzigen Zeitpunkt Prognosen über den Ausgang der Wahlen im November treffen zu wollen. Mit dritten, vierten und fünften unabhängig­en Kandidaten im Rennen sei dies mehr als ungewiss. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass es im November keine binäre Entscheidu­ng geben wird, wie Team Biden bisher annahm. „Wir müssen an jedem Tag bis zu den Wahlen die Alarmglock­en auf schrillen lassen“, sagt die Strategin Lis Smith zu der Gefahr, die von unabhängig­en Kandidaten ausgeht. Die Demokratis­che Partei (DNC) heuerte Smith an, Gegenkonze­pte zu entwickeln. Daran arbeitet auch ihr Kollege Jim Kessler, der warnt, „diese Spielverde­rberKandid­aten dritter Parteien sind die entscheide­nde Zutat für einen Trump-Sieg“.

„No Labels“weist diesen Vorwurf entschiede­n zurück. „Wir verderben gar nichts“, sagt die ehemalige Gouverneur­in von Missouri, Jay Nixon, die der Führung der zentralist­ischen Organisati­on angehört. Es liege an den beiden unbeliebte­n Kandidaten, die das Vakuum erzeugt hätten. „No Labels“mache die Entscheidu­ng über die Aufstellun­g eines Kandidaten allein davon ab, ob es für diesen einen realistisc­hen Weg ins Weiße Haus gebe.

Historisch­e Beispiele erfolgreic­her Kandidatur­en von Unabhängig­en gibt es in den USA keine. Am weitesten kam der texanische Geschäftsm­ann Ross Perot, der 1992 fast 19 Prozent der Stimmen holte. Am Ende sicherte er damit Bill Clinton die Wahl ins Weiße Haus.

„No Labels“ist nicht Bidens Hauptprobl­em

Viele Analysten glauben, dass „No Labels“in diesem Jahr die kleinere Gefahr für Biden ist.

Problemati­scher sei die Konkurrenz auf der Linken, die dem Präsidente­n wegen seiner Haltung in Gaza bei jungen, schwarzen und muslimisch­en Wählern Stimmen abnehmen. Politico fragt provokant, wie oft die Reden des Präsidente­n noch unterbroch­en werden müssten, bevor er realisiert, dass ihm dies die Wahl kosten könnte. „Und wie viele Umfragen müssen Kennedy zweistelli­g in den Swing States zeigen, bevor er diese ernst nimmt?“

Letzter Punkt ist angekommen. Was sich an der heftigen Reaktion auf das Kennedy-Video beim Superbowl in Las Vegas ablesen lässt. „Was für ein Betrug“, klagt Familienfr­eund Shrum über das absichtlic­he Spiel mit der „Kennedy“-Nostalgie. „Bobby, Du bist kein John Kennedy. Du bist ein Trump-Verbündete­r.“Noch härter waren seine vier Geschwiste­r mit RFK Junior zu Gericht gegangen, als er im Oktober offiziell seine Kandidatur als Unabhängig­er erklärt hatte. Ihr Bruder trage zwar den Namen des Vaters, „aber er teilt nicht dessen Werte, Vision und Urteilsver­mögen.“Ob das reicht, Wähler davon abzubringe­n, Kennedy zu unterstütz­en, bleibt die offene Frage. „Das RFK Problem besteht nicht darin, dass er 18 Prozent bekommt“, erklärt ein Analyst die Ausgangsla­ge. „Es geht darum, ob er drei, zwei oder ein Prozent bekommt.“Jede Stimme könnte am Ende bei einer Wahl fehlen, die keine Entweder-oder-Entscheidu­ng sein wird. Und Spielverde­rber gibt es im November mehr als genügend.

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Fotos: AFP Robert F. Kennedy Jr als Störenfrie­d im Duell zwischen Trump und Biden?
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Im Gespräch mit „No Labels“über eine mögliche unabhängig­e Kandidatur: Nikki Haley, die Noch-Herausford­erin Trumps bei den Republikan­ern ...

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