„Hubert Aiwanger ist die lebendige Brandmauer gegen Rechts“
Das wohl bekannteste Mitglied der Freien Wähler „krachlederte“zum Neujahrsempfang der Partei in Trier ordentlich in Richtung Grüne. Joachim Streit, EU-Spitzenkandidat der Freien Wähler, sprach ihn gar frei von rechter Ideologie
Man stelle sich vor, René Goscinny – der Schöpfer der Asterix-Comics – hätte versucht, die deutsche Politiklandschaft in einem neuen Band zu verewigen. Blasphemie könnte man meinen. Doch nach dem Auftritt von Hubert Aiwanger, des bayrischen Vize-Ministerpräsidenten, seines Zeichens auch bayrischer Wirtschaftsminister und in der Hauptsache Bundesvorsitzender der Freien Wähler, scheint dieser schreckliche Gedanke durchaus in der Realität anschlussfähig zu sein. Dann nämlich wäre „seine“Partei so etwas wie das berühmte gallische Dorf, das sich nicht bloß einem vermeintlich linksgrünen Zeitgeist erwehren muss, sondern vielmehr dazu angetreten ist, jene „Ideologie in den Abfalleimer“zu befördern.
Eines muss man dem 53-jährigen Bayer lassen: Er versteht es, die Zuhörer mitzunehmen. Die rund 50-minütige Rede hält er ohne jegliche Gedächtnisstütze ganz frei, geradezu routiniert. Die Gäste im Saal, derer geschätzte 150, hören ihm zu, goutieren diese und jene Aussage, in der sie sich gespiegelt sehen, klatschen. Die Affäre um das antisemitische Flugblatt spielte dem Vernehmen nach keine Rolle mehr.
Die Brandmauer steht, vielleicht
Man dürfe sich nicht von einer „Meinungsmaschinerie“einschüchtern lassen, die „jedes Benennen von offensichtlichen Problemen diskreditiert“, die „Pflaster über offene Knochenbrüche kleben will“und dann Kritiker als „Leugner hinstellt“sagt Aiwanger und meint damit den politischen Hauptgegner der Freien Wähler.
Über die AfD, der gegenüber die Partei erst einen Tag zuvor eine Brandmauer beschlossen hatte, verliert er nur insofern Wörter, als dass er den Blauen quasi sinnstiftende Bedeutung für die Existenz der Grünen zumisst. „Alles, was die AfD kritisiert, darf nicht mehr von anderen kritisiert werden, damit werden Maulkörbe in die Mitte der Gesellschaft getragen“, schimpft Aiwanger. Dann die Warnung: „Wer die AfD wählt, stärkt die Grünen, weil so bürgerliche Mehrheiten nicht mehr möglich sind.“Joachim Streit, EU-Spitzenkandidat der Freien Wähler, attestierte sogar: „Hubert Aiwanger ist die lebendige Brandmauer gegen Rechts“.
Erklärtes Ziel der Freien Wähler, wenigstens in den Augen Hubert Aiwangers, sei die „Versöhnung von Politik und Realität“. Ideologische Dichotomien wie „Atomkraft ist rechts, das Windrad ist links“oder die Schlacht um das Fortbewegungsmittel der Zukunft müssten enden. Politikern, insbesondere den grünen, empfiehlt Aiwanger Praktika auf dem Bauernhof, „damit sie am eigenen Leib erfahren, was sie beschließen“.
Am Ende bleibt ein Saal voll zufriedener Wähler und Amtsträger zurück. Immerhin wissen sie jetzt, dass Atomenergie nicht der Weisheit letzter Schluss, dass die Partei eigentlich der viel größere Vorkämpfer in Sachen Umweltschutz ist, dass in den 1970er und 80er Jahren auf dem Land die Welt noch in Ordnung war und dass in Bayern mit 400 Festmetern pro Hektar die größten Holzvorkommen in Europa zu finden sind. Ob sich das an den Wahlurnen bemerkbar macht? Die Antwort liegt womöglich im Politik-Merksatz der Freien Wähler versteckt: Es kommt darauf an!