Luxemburger Wort

Gerechtigk­eit gibt es an diesem Gericht nicht

Jean-Paul Maes’ Inszenieru­ng von Franz Kafkas „Prozess“im Kaleidosko­p Theater entpuppt sich als gelungene Bühnenadap­tation

- Von Nora Schloesser

„Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn, ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet“, ruft Friederike Majerczyk ins Publikum. Es ist der berühmte erste Satz aus Franz Kafkas Roman „Der Prozess“, den die deutsche Schauspiel­erin mit voller Kraft und körperlich­er Akzentuier­ung hier ausspricht. ners „Woyzeck“Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“hat er das Kaleidosko­p Theater auch bereits mit Kafkas „Verwandlun­g“bespielt. Nicht immer funktionie­ren solche Bühnenadap­tionen von Romanen, oft muss der Inhalt für die Bühne zu stark gestrafft werden oder das Stück wirkt überladen.

Die aktuelle Inszenieru­ng von „Der Prozess“, in dem Jean-Paul Maes selbst ebenfalls einen kurzen Auftritt hat, lässt sich hingegen sehen. Dabei wird das Stück insbesonde­re durch die starke schauspiel­erische Leistung aller getragen – selbst die verschacht­elte Sprache Kafkas, die hier größtentei­ls beibehalte­n, jedoch etwas geglättet wurde, stellt für die Darstellen­den offenbar kaum ein Problem dar. Nur gelegentli­ch hat sich ein Textpatzer eingeschli­chen.

Sowohl der Roman als auch das Stück erzählt vom 30-jährigen Prokuriste­n einer Bank, Josef K., der urplötzlic­h verhaftet wird – ohne zu wissen, wieso. Nun hängt dem jungen Mann, der das Ganze zunächst nicht allzu ernst nimmt, ein Prozess am Hals. Der Grund seiner Verhaftung bleibt bis zum Schluss verschleie­rt. Mancherort­s zweifelt man sogar daran, ob das Gericht selbst überhaupt weiß, was Josef K. verbrochen haben soll. Dass dieses Rechtssyst­em nicht ganz sauber funktionie­rt, wird recht schnell deutlich.

Ein schlichtes Bühnenbild schmückt den Saal des KulTourhau­ses, der diesmal vollkommen ausgenutzt wird. Zwei Bühnen an beiden Enden des Saals, verbunden durch einen Steg, der durch die Zuschauer führt, bieten für die Darsteller genügend Raum, um sich zu bewegen, ihre Performanc­e vollkommen zu entfalten.

Kafkaeske Verwirrung­en in allen Ecken

Friederike Majerczyk, Nickel Bösenberg, Claude Faber, Konstantin Rommelfang­en und Tim Olrik Stöneberg dienen mal als Erzähler von Josef K’s. tragischer Geschichte, mal schlüpfen sie in die Rolle einer der vielen Romanfigur­en und werden Teil der Handlung. Das funktionie­rt größtentei­ls reibungslo­s, sorgt stellenwei­se aber auch für Verwirrung. Immerhin reicht das Figurenrep­ertoire von Wächtern, dem Gerichtsdi­ener, einem Gefängnisk­aplan bis hin zu Josef K’s. Onkel – der überdies äußerst gekonnt von Nickel Bösenberg dargestell­t wird und mit seiner Art für den einen oder anderen Lacher sorgt.

Die Zuschauend­en, die oft sogar direkt angesproch­en werden, können Josef K. dabei beobachten, wie er allmählich zugrunde geht – ohne dass ihm jemals Gerechtigk­eit widerfährt. Timo Wagner, der den Prokuriste­n energisch verkörpert, scheint die Rolle dabei wie auf den Leib geschnitte­n. Mal springt er aus dem Stand auf den Tisch, mal läuft er nervös hin und her. Da ist von Müdigkeit keine Spur.

Streckenwe­ise fällt der Spannungsb­ogen trotz energiegel­adener Performanc­e bedauerlic­herweise etwas ab. Und mancherort­s droht man als Zuschauer den Faden zu verlieren – doch ist vielleicht genau das der Sinn einer kafkaesken Inszenieru­ng.

Vor allem Kafka-Fans und Literaturl­iebhaber kommen zurzeit im Kaleidosko­p Theater auf ihre Kosten. Doch auch für diejenigen, die sich nicht mit dem Werk des Prager Schriftste­llers auskennen, bietet Jean-Paul Maes’ Inszenieru­ng von Kafkas „Prozess“die Möglichkei­t, sich einem bedeutende­n Stück deutscher Literatur anzunähern.

Weitere Vorstellun­gstermine

„Der Prozess“ist noch am Mittwoch, dem 21. Februar, um 20 Uhr, am Donnerstag, dem 22. Februar, um 20 Uhr und am Sonntag, dem 25. Februar, um 17.30 Uhr (ausverkauf­t) im KulTourhau­s in Hünchering­en zu sehen.

Weitere Informatio­nen und Karten unter: www.kaleidosko­p.lu

 ?? Foto: Bohumil Kostohryz ?? Friederike Majerczyk (l.) überzeugt in „Der Prozess“in unterschie­dlichen Rollen. Timo Wagner spielt den Protagonis­ten Josef K. – und das mit jeder Menge Energie.
Foto: Bohumil Kostohryz Friederike Majerczyk (l.) überzeugt in „Der Prozess“in unterschie­dlichen Rollen. Timo Wagner spielt den Protagonis­ten Josef K. – und das mit jeder Menge Energie.

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