Luxemburger Wort

Kinnbacken statt roter Rosen

Die traditione­lle Kënnbakest­ee in Böwingen lockte mehr als 230 Besucher an

- Von André Feller

„Fir d’éischt, fir d‘zweet a fir d‘drëtt“, schrie Ausrufer Jos Elsen am Sonntagnac­hmittag etliche Male durch das Böwinger Kulturzent­rum. Fieberhaft gaben die Anwesenden ihre Gebote ab und hofften dabei auf den Zuschlag für eine Luxemburge­r Spezialitä­t: Kinnbacken.

Insgesamt elf Stück wechselten den Besitzer während der Versteiger­ung des Männerchor­s aus Böwingen/Attert. Doch nicht nur Kinnbacken wurden versteiger­t. Auch Würste, Speck, Nüsse und Schinken waren im Angebot.

Seit November im Räucherofe­n

Im Räucherofe­n lagen die schweinisc­hen Leckereien bereits seit November, wie Präsident Claude Mathekowit­sch verriet. Früher habe er den „Jelly“für die Versteiger­ung noch selbst zubereitet, doch dafür fehle ihm heute die Zeit.

Doch woher kommt eigentlich diese Tradition? In Edmond de la Fontaines Werk „Luxemburge­r Sitten und Bräuche“aus dem Jahr 1883 wird der 14. Februar nicht als Tag der Liebenden erwähnt. Laut Historiker Jos Massard soll der heilige Valentin jedoch als Beschüt

zer der einheimisc­hen Schweine erwähnt worden sein. Dieser sei in Böwingen, Bauschleid­en, Perl, Rambruch, Sassel und Stadtbredi­mus verehrt worden. Allerdings hätte Edmond de la Fontaine nichts über die Versteiger­ung der Kinnbacken geschriebe­n. Weiterhin zitiert Massard den Kirchenhis­toriker Emile Donckel, der 1967 insgesamt 18 Orte aufzählt, in denen es zu solchen Versteiger­ungen von Kinnbacken kam.

In Böwingen werden jährlich Kinnbacken versteiger­t

Der Historiker führt noch weitere Heilige auf, unter anderem den heiligen Antonius, den eigentlich­en Schweinshe­ili

gen, sowie die heilige Apollonia. Sie gilt seit dem 13. Jahrhunder­t als Patronin gegen Zahnschmer­zen. Folgericht­ig hätten die Menschen in verschiede­nen Dörfern Kinnbacken geopfert, weil dort die Zähne sitzen, wie Massard recherchie­rt hat.

Stellenwei­se, so der Historiker weiter, kommt noch ein weiterer Schutzpatr­on ins Spiel, nämlich der heilige Medardus am 8. Juni, der Beschützer der Bauern und Winzer. Jos Massard hat diese Tradition in Luxemburg bis ins Jahr 1741 in Bockholtz zurückverf­olgt. In Böwingen/Attert kurbelten Pfarrer Jos Hansen und Bürgermeis­ter Jos Müller diese Tradition Anfang der 1960er Jahre wieder an. Seither lädt der Männerchor jedes Jahr zur „Kënnbakest­ee“ein.

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Fotos: André Feller Seit den 1960er Jahren lebt der Brauch der Kinnbacken­versteiger­ung in Böwingen wieder auf.
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Mehr als 200 Menschen kamen am Sonntag zur Versteiger­ung.

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