Kinnbacken statt roter Rosen
Die traditionelle Kënnbakestee in Böwingen lockte mehr als 230 Besucher an
„Fir d’éischt, fir d‘zweet a fir d‘drëtt“, schrie Ausrufer Jos Elsen am Sonntagnachmittag etliche Male durch das Böwinger Kulturzentrum. Fieberhaft gaben die Anwesenden ihre Gebote ab und hofften dabei auf den Zuschlag für eine Luxemburger Spezialität: Kinnbacken.
Insgesamt elf Stück wechselten den Besitzer während der Versteigerung des Männerchors aus Böwingen/Attert. Doch nicht nur Kinnbacken wurden versteigert. Auch Würste, Speck, Nüsse und Schinken waren im Angebot.
Seit November im Räucherofen
Im Räucherofen lagen die schweinischen Leckereien bereits seit November, wie Präsident Claude Mathekowitsch verriet. Früher habe er den „Jelly“für die Versteigerung noch selbst zubereitet, doch dafür fehle ihm heute die Zeit.
Doch woher kommt eigentlich diese Tradition? In Edmond de la Fontaines Werk „Luxemburger Sitten und Bräuche“aus dem Jahr 1883 wird der 14. Februar nicht als Tag der Liebenden erwähnt. Laut Historiker Jos Massard soll der heilige Valentin jedoch als Beschüt
zer der einheimischen Schweine erwähnt worden sein. Dieser sei in Böwingen, Bauschleiden, Perl, Rambruch, Sassel und Stadtbredimus verehrt worden. Allerdings hätte Edmond de la Fontaine nichts über die Versteigerung der Kinnbacken geschrieben. Weiterhin zitiert Massard den Kirchenhistoriker Emile Donckel, der 1967 insgesamt 18 Orte aufzählt, in denen es zu solchen Versteigerungen von Kinnbacken kam.
In Böwingen werden jährlich Kinnbacken versteigert
Der Historiker führt noch weitere Heilige auf, unter anderem den heiligen Antonius, den eigentlichen Schweinsheili
gen, sowie die heilige Apollonia. Sie gilt seit dem 13. Jahrhundert als Patronin gegen Zahnschmerzen. Folgerichtig hätten die Menschen in verschiedenen Dörfern Kinnbacken geopfert, weil dort die Zähne sitzen, wie Massard recherchiert hat.
Stellenweise, so der Historiker weiter, kommt noch ein weiterer Schutzpatron ins Spiel, nämlich der heilige Medardus am 8. Juni, der Beschützer der Bauern und Winzer. Jos Massard hat diese Tradition in Luxemburg bis ins Jahr 1741 in Bockholtz zurückverfolgt. In Böwingen/Attert kurbelten Pfarrer Jos Hansen und Bürgermeister Jos Müller diese Tradition Anfang der 1960er Jahre wieder an. Seither lädt der Männerchor jedes Jahr zur „Kënnbakestee“ein.