Thomas Tuchel oder ein „Horrorfilm, der nicht aufhört“
Der FC Bayern setzt in der größten Krise seit Jahren erst einmal weiter auf seinen schwer angeschlagenen Trainer. Der Druck wird immer größer – auch auf die Stars
Thomas Tuchel leitete hinter verschlossenen Türen das Training an der Säbener Straße als wäre nichts gewesen. Dabei befand sich der große FC Bayern nach der nächsten Demütigung an diesem Montagvormittag im Ausnahmezustand. Der schwer angeschlagene Trainer geht mit einem halbherzigen Treuebekenntnis in die Wochen der Wahrheit, die größte Krise seit Jahren erschüttert den Rekordmeister in seinen Grundfesten. Der Druck auf Tuchel, aber auch auf die Stars um Joshua Kimmich, Leroy Sané oder Leon Goretzka wird immer größer.
„Das fühlt sich im Moment an wie ein Horrorfilm, der nicht aufhört. Es läuft alles gegen uns. Im Moment müssen wir alles hinterfragen“, sagte Goretzka fassungslos nach der Blamage von Bochum. Das ernüchternde 2:3 setzte nicht nur dem deutschen Nationalspieler gehörig zu, die Nerven lagen blank. So geriet der nach seiner Auswechslung völlig frustrierte Kimmich mit Tuchels Assistent Zsolt Löw aneinander.
Wie ernst die Lage ist, zeigte auch, dass selbst „Radio“Thomas Müller nur noch eingeschränkt sendete. „Eine Woche zum Vergessen. Es ist schwierig, die richtigen Worte für unsere Gefühle zu finden“, schrieb der Ur-Bayer bei Instagram. „Das ist nicht der FC Bayern“, ergänzte Kapitän Manuel Neuer erschüttert.
Die dritte Pleite in Serie, die leblose Mannschaft und die greifbare Gefahr der ersten Saison ohne Titel seit zwölf Jahren sorgte für einen Schockzustand bei den erfolgsverwöhnten Münchnern – bei denen „TUC-HELL“(The Sun) im Epizentrum der Kritik steht. Die Fragen nach der Zukunft des 50-Jährigen werden immer lauter – und die Antworten? Sie sind halbherzig bis kryptisch.
Die Sehnsucht nach Kontinuität
Er halte „nichts von diesen monströsen Trainer-Unterstützungsbekundungen. Ich weiß ja, was sie hören wollen, aber diese Treueschwüre sind ja nach einer Woche schon wieder vorbei“, sagte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen vieldeutig, um hinzuzufügen: „Deswegen sage ich es auf meine Art und Weise. Das ist aktuell kein Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Wir müssen uns auf die nächsten Spiele konzentrieren.“Ob Tuchel am Samstag (18.30 Uhr) gegen Leipzig auf der Bank sitze? „Selbstverständlich.“
Dennoch wird weiter munter spekuliert: Vor allem eine Rückkehr von „Sextuple“-Coach Hansi Flick wird als Option immer wieder genannt. Flick will sich dazu nicht äußern. Auch José Mourinho gilt angeblich als Kandidat. Noch hält Tuchel aber offenbar die Sehnsucht der Bosse nach Kontinuität im Amt. Seit Pep Guardiola 2016 haben sich schon fünf Trainer beim FC Bayern versuchen dürfen – und sind bis auf Flick alle mehr oder weniger krachend gescheitert. Und was sagt der dünnhäutige Tuchel zu seiner brenzligen Lage? „Ich fürchte mich vor gar nichts. Das ist mein Beruf. Alles gut.“
Von wegen – auch wenn der Trainer in Bochum versuchte, den nächsten Rückschlag schönzureden. Dabei zerfiel sein verunsichertes Team gegen den kampfstarken VfL trotz früher Führung durch Jamal Musiala beim leisesten Gegenwind erneut in alle Einzelteile – wie beim Debakel in Leverkusen (0:3) und der Pleite gegen Lazio Rom (0:1).
Dies richtete auch den Blick auf die offenbar schwer trainierbaren Stars. An der „Generation nix“, wie die SZ schon mal über Kimmich, Sané und Co. schrieb, waren schon die Bundestrainer Joachim Löw und Flick sowie zuletzt Julian Nagelsmann verzweifelt. Seit dem ChampionsLeague-Erfolg 2020 ist kaum mehr eine Achse erkennbar.
Auch Tuchel gelang es in elf Monaten nicht, die tief sitzenden Probleme zu lösen. Vom berühmten „Mia san mia“ist nicht mehr viel übrig. Sportdirektor Christoph Freund und der künftige Sportvorstand Max Eberl, der am 1. März starten soll, sind gefordert.
Aktuell hilft gegen Leipzig nur ein Befreiungsschlag, um die Situation halbwegs zu beruhigen. Die zwölfte Meisterschaft in Serie ist bei acht Punkten Rückstand kein Thema mehr. Man müsse „keine Träumereien anstellen“, sagte Goretzka. Der Titel sei, ergänzte Tuchel, „jetzt gerade nicht so realistisch“. Vielmehr sei es wichtig, „dass wir in die Spur finden“. Wenn es nach den Bossen und Fans geht, am besten schleunigst! sid