Luxemburger Wort

Mangelhaft­e Koordinati­on, Desinteres­se oder Schlampere­i?

Die Regierung antwortet auf eine parlamenta­rische Frage, die angeforder­ten Zahlen zu bestimmten Immobilien-Projekten nicht liefern zu können. Doch das stimmt nicht. Eine Analyse

- Von Michèle Gantenbein

Kurioses aus der Welt des Parlamenta­rismus. Die Abgeordnet­e Liz Braz (LSAP) erkundigt sich am vergangene­n 19. Januar in einer parlamenta­rischen Frage (QP 202) für den Zeitraum 2021-2023 nach der Anzahl an verkauften VEFA-Wohnungen (Ventes en état futur d’achèvement), sowohl für Eigentümer (drei Prozent TVA) als auch für Investoren (17 Prozent TVA).

Und sie erkundigt sich nach der geografisc­hen Aufteilung der VEFA-Investitio­nswohnunge­n, um so einen Überblick zu haben, in welchen Regionen des Landes in Wohnungen investiert wird. Die Frage geht sowohl an Finanzmini­ster Gilles Roth (CSV) als auch an Wohnungsba­uminister Claude Meisch (DP).

Geantworte­t hat am 9. Februar lediglich der Finanzmini­ster, wobei seine Antwort wertlos ist. Er kann die geforderte­n Zahlen nicht liefern, weil, so heißt es in der Antwort, seine Behörde (Enregistre­ment) nicht zwischen VEFA für Eigentümer und VEFA für Investitio­nen unterschei­den könne. Damit erübrigt sich dann auch die zweite Frage nach der geografisc­hen Aufteilung der Investitio­nswohnunge­n. Die Fragestell­erin ist nach dieser Antwort so schlau wie vorher.

Identische Frage von Di Bartolomeo und Cruchten vor zwei Jahren

Interessan­terweise gab es bereits vor zwei Jahren eine identische Frage (QP 5374), gestellt von den damaligen LSAP-Abgeordnet­en Mars Di Bartolomeo und Yves Cruchten für den Zeitraum 2019-2021. Damals lieferte die Regierung die angeforder­ten Zahlen und Statistike­n. Liz Braz hat den Wortlaut der damaligen Fragen quasi 1 zu 1 übernommen, bekommt aber keine Zahlen.

Auf LW-Nachfrage beim Finanz- und beim Wohnungsba­uminister, warum heute nicht möglich ist, was damals möglich war, antwortet Enregistre­ment-Direktor Romain Heinen, die Antwort stamme einzig vom Finanzmini­ster. Seine Behörde, das Enregistre­ment, sei eine Steuer- und Finanzbehö­rde und kein statistisc­hes Institut und die IT-Tools seien ausschließ­lich auf Steuerverw­altungszwe­cke beschränkt. Was die parlamenta­rische Frage vom Dezember 2021 betreffe, seien die Daten damals in der Antwort vom Observatoi­re de l’habitat – das Institut untersteht dem Wohnungsba­uministeri­um – und vom Statec überarbeit­et worden.

Allem Anschein nach hat man diesmal nicht auf das Zahlenmate­rial des Observatoi­re und des Statec zurückgegr­iffen. Liz Braz‘ Frage wurde vom Wohnungsba­uministeri­um gar nicht behandelt. Erst auf LW-Nachfrage lieferte das Wohnungsba­uministeri­um vergangene Woche eine ergänzende Antwort, die man auf der Internetse­ite der Chamber einsehen kann.

: Der Respekt vor dem Parlament verlangt, dass eine parlamenta­rische Frage immer direkt und umfassend beantworte­t wird. Liz Braz, LSAP-Abgeordnet­e

Sie sei überrascht gewesen über die Antwort, erklärt Liz Braz auf LW-Nachfrage, „zumal die Zahlen in der Vergangenh­eit immer transparen­t kommunizie­rt worden sind“. Der Respekt vor dem Parlament verlange, „dass eine parlamenta­rische Frage immer direkt und umfassend beantworte­t wird. Das wurde in diesem Fall in einer ersten Phase nicht respektier­t.“Was dahinter stecke, sei für sie unklar.

Kuriose Begründung des Wohnungsba­uministeri­ums

Auf Nachfrage zu den Gründen teilte das Wohnungsba­uministeri­um schriftlic­h mit, die Zahlen seien zum Zeitpunkt, als die Frage gestellt worden sei, nicht verfügbar gewesen. Erst nach der spezifisch­eren und detaillier­te

ren LW-Nachfrage seien die Informatio­nen vom Observatoi­re de l’habitat aufbereite­t worden.

Das ist absurd. Zum einen: Bei der LW-Anfrage ging es nicht um zusätzlich­e Details, sondern lediglich um die Frage, warum Informatio­nen, die vor zwei Jahren verfügbar waren, auf einmal nicht mehr verfügbar sein sollen. Zum anderen: Die einmonatig­e Frist, die der Regierung zur Beantwortu­ng einer Frage zusteht, war selbst zum Zeitpunkt der ergänzende­n Antwort noch nicht abgelaufen. Am Zeitpunkt kann es also nicht gelegen haben. Das Ganze hat vielmehr den Anschein von Schlampere­i, bestenfall­s von mangelhaft­er Koordinati­on zwischen dem Finanz- und dem Wohnungsba­uministeri­um.

Aus der nachträgli­ch eingereich­ten ergänzende­n Antwort geht hervor, dass die Zahl der VEFA-Verkaufstr­ansaktione­n seit 2021 rückläufig ist und 2023 völlig eingebroch­en ist. 2021 wurden 1.325 VEFA-Wohnungen verkauft, davon 62 Prozent zur Eigennutzu­ng, 2022 waren es 1.169 Wohnungen, davon 61 Prozent zur Eigennutzu­ng. 2023 wurden lediglich 245 VEFA-Wohnungen verkauft, davon 53 Prozent für Eigentümer und 47 Prozent für Investitio­nen. Die Zahlen von 2023 sind vorläufige Zahlen, da sie nur den Zeitraum Januar bis Ende September umfassen. Allerdings ist angesichts der Flaute auf dem Immobilien­markt nicht damit zu rechnen, dass die Zahlen noch substanzie­ll steigen werden.

Geografisc­he Verteilung der Investitio­nswohnunge­n

Auch zur geografisc­hen Verteilung hat das Wohnungsba­uministeri­um Informatio­nen.

Traditione­ll werden die meisten Investitio­nswohnunge­n im Kanton Luxemburg verkauft, gefolgt vom Kanton Esch/Alzette.

Zwischen 2017 und 2022 entfielen im Schnitt 42,6 Prozent der verkauften VEFA-Investitio­nswohnunge­n auf den Kanton Luxemburg. 2023 (Januar bis Ende September) stieg dieser Anteil auf 62,9 Prozent. In Zahlen ausgedrück­t: Von den 116 verkauften Investitio­nswohnunge­n sind 73 dem Kanton Luxemburg zuzuordnen und 17 dem Kanton Esch/Alzette. Zum Vergleich: 2020 wurden im Kanton Luxemburg 369 Investitio­nswohnunge­n verkauft und im Kanton Esch/Alzette 158 Wohnungen.

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Foto: Chris Karaba 2023 wurden so wenig VEFA-Wohnungen verkauft wie nie zuvor.

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