Luxemburger Wort

Caritas will künftig mehr Geld in Luxemburg ausgeben

Die Wohlfahrts­organisati­on will den Realitäten des Landes gerechter werden und stellt ihre „Vorschläge für mehr soziale Gerechtigk­eit in Luxemburg“vor

- Von Simone Molitor

Zurückhalt­end mit Forderunge­n und sparsam mit Kritik waren die Vertreter der Caritas bei ihrer Pressekonf­erenz gestern, dem Welttag der sozialen Gerechtigk­eit. Nicht das Bettelverb­ot sollte im Vordergrun­d stehen, sondern „Vorschläge für mehr soziale Gerechtigk­eit in Luxemburg“. Der Start der neuen Regierung in Sachen Armutsbekä­mpfung, die eigentlich eine ihrer Prioritäte­n sein sollte, wurde trotzdem als „ein wenig unglücklic­h“bezeichnet. Dabei war man bei der Caritas anfangs ganz positiv gestimmt.

„Wir hatten das Gefühl, dass uns zugehört wurde. Viele unserer Toppriorit­äten finden sich im Koalitions­abkommen wieder“, sagte Generaldir­ektor Marc Crochet. 2023 sei ein wichtiges Jahr für die Caritas gewesen, „um den politische­n Austausch zu suchen“. „Wir machen weiter Druck, damit sich die Situation für die Menschen am Rande der Gesellscha­ft verbessert und Geflüchtet­e bessere Perspektiv­en für die Zukunft bekommen“, versprach Präsidenti­n Marie-Josée Jacobs. Mit großer Besorgnis nehme man die steigenden Preise zur Kenntnis: „Vor allem bei den Lebensmitt­eln. Sie sind kein Luxus. Wir müssen aufpassen, dass die Menschen, die mit ihrem Einkommen geradeso über die Runden kommen, nicht plötzlich in die Armut rutschen.“

Spenden in Höhe von 3,3 Millionen Euro

Ihr internatio­nales Engagement plant die Caritas weiterzufü­hren, jedoch die Zahl der Länder, in denen man aktiv ist, „etwas reduzieren“. Man wolle den Realitäten des Landes gerechter werden und deshalb das Budget künftig anders gewichten, informiert­e Marc Crochet. Im vergangene­n Jahr hat die Caritas Spenden in Höhe von 3,3 Millionen Euro erhalten. „Ein größerer Teil davon fließt nun in unsere Arbeit in Luxemburg“, erklärte er. „Natürlich engagieren wir uns weiterhin in Krisengebi­eten wie Afghanista­n, Syrien und Südsudan“, betonte Marie-Josée Jacobs.

Carole Reckinger, politische Sprecherin der Caritas, will der neuen Regierung nach 95 Tagen im Amt zwar noch keine Zensur ausstellen, dennoch kritisiert­e sie die kürzlich angekündig­te Wohnungsba­uoffensive. „Die Maßnahmen kommen vor allem Investoren und Hausbesitz­ern zugute. Und die Erhöhung des Mietzuschu­sses geht nicht weit genug“, stellte sie fest und erinnerte in diesem Zusammenha­ng auch an die hohe Nichtinans­pruchnahme von Hilfen.

Anpassung des Revis ist unumgängli­ch

Ein prominente­r Punkt im Koalitions­abkommen sei der Revis (Revenu d’inclusion sociale). Hier sieht die Wohlfahrts­organisati­on besonders viel Handlungsb­edarf. „Trotz Revis bleibt das Armutsrisi­ko in bestimmten Kategorien sehr hoch, vor allem bei Kindern und jungen Erwachsene­n zwischen 18 und 25 Jahren sowie bei Alleinerzi­ehenden“, bemerkte Reckinger und erinnerte daran, dass in Luxemburg jedes vierte Kind Gefahr laufe, in Armut aufzuwachs­en.

Für die Caritas ist es unerlässli­ch, dass die Verwaltung­sverfahren vereinfach­t und der Zugang zu Sozialleis­tungen automatisi­ert wird. Die Zahl der Sozialarbe­iter müsse erhöht werden, um die Menschen bei Behördengä­ngen besser unterstütz­en zu können. „Die Rolle der So

zialarbeit muss generell gestärkt werden. Fallmanage­r sollten die Menschen von Anfang an begleiten“, forderte Reckinger.

Schwierig bleibt die Berechnung­sgrundlage des Haushaltse­inkommens, wenn es um die Auszahlung des Revis gehe. „Wenn zum Beispiel erwachsene Kinder arbeiten, aber noch zu Hause wohnen, wird ihr Einkommen angerechne­t, was dazu führen kann, dass die Eltern den Anspruch auf Revis verlieren“, kritisiert­e sie.

Verbesseru­ngsbedarf sieht die Caritas auch bei der berufliche­n Wiedereing­liederung. „Es wäre sinnvoll, in einer Studie herauszufi­nden, wie viele Menschen tatsächlic­h wieder auf dem ersten Arbeitsmar­kt Fuß fassen“, regte Reckinger an. Die im Koalitions­vertrag angedachte Aktivierun­gsprämie gehe am Bedarf vorbei. „Meist ist es nicht so, dass die Menschen nicht arbeiten wollen, sondern dass sie aus gesundheit­lichen Gründen oder wegen fehlender Kinderbetr­euung daran gehindert werden. Das muss unbedingt berücksich­tigt werden“, so die Politikbea­uftragte der Caritas.

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 ?? Foto: Christophe Olinger ?? Die Caritas um Generaldir­ektor Marc Crochet, Präsidenti­n Marie-Josée Jacobs und Politikbea­uftragte Carole Reckinger (v.l.n.r.) bedauert, dass die erste Maßnahme der Regierung gegen die Armen gerichtet ist.
Foto: Christophe Olinger Die Caritas um Generaldir­ektor Marc Crochet, Präsidenti­n Marie-Josée Jacobs und Politikbea­uftragte Carole Reckinger (v.l.n.r.) bedauert, dass die erste Maßnahme der Regierung gegen die Armen gerichtet ist.

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