Luxemburger Wort

„Grundgeset­z für das Internet“tritt in Kraft

Mit dem Digital Services Act sollen Nutzer online besser geschützt werden. Für die Umsetzung ist in Luxemburg der Konkurrenz­rat zuständig

- Von Thomas Klein

Zwei Tage nach dem Inkrafttre­ten des EUGesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) zeigte die Kommission den Online-Riesen gleich mal die Zähne. Am vergangene­n Montag gab die Behörde bekannt, dass sie ein Verfahren gegen die Videoplatt­form TikTok eröffnet habe, um zu überprüfen, ob gegen die Bestimmung­en zu Jugendschu­tz und Werbung verstoßen wurde. Bereits im Dezember hatte die Kommission eine ähnliche Untersuchu­ng gegen den Kurznachri­chtendiens­t X (vormals Twitter) eingeleite­t.

Bisher galten die neuen Regeln lediglich für die großen Plattforme­n wie Amazon, Google oder Apple, aber seit dem 17. Februar 2024 müssen auch kleinere OnlineAnbi­eter die Vorgaben des DSA bei sich umsetzen. Damit ist die Verordnung, die in der Vergangenh­eit schon verschiede­ntlich als „Grundgeset­z für das Internet“bezeichnet wurde, nun vollständi­g in Kraft getreten. „Das Hauptziel des DSA besteht darin, illegale Online-Inhalte zu bekämpfen, indem einerseits ein Haftungsra­hmen geschaffen und anderersei­ts konkrete Verpflicht­ungen festgelegt werden“, sagt Joana Quiaios, die beim Wirtschaft­sministeri­um für Digitalpla­ttformen zuständig ist.

Dabei sei die Frage, was als illegal einzustufe­n ist, recht weit gefasst und reiche von der Aufstachel­ung zum Hass in sozialen Medien bis zum Verkauf gefährlich­er Produkte auf Online-Marktplätz­en, so Quiaios.

Die Betreiber von Online-Plattforme­n müssen es seit dem Wochenende zum Beispiel leichter machen, illegale Inhalte zu melden und entspreche­nde Beschwerde­mechanisme­n einrichten. Das fängt bei einem klar erkennbare­n Kommunikat­ionskanal wie E-Mail-Adressen, Instant Messages oder Chatbots zu diesem Zweck an. Zudem „müssen Online-Plattforme­n sicherstel­len, dass Beschwerde­n von qualifizie­rtem Personal bearbeitet werden und die Angelegenh­eit zeitnah und diskrimini­erungsfrei bearbeitet wird“, schreibt die Kommission auf ihrer Webseite.

Löschen von Inhalten muss begründet werden

Die Plattforme­n sind verpflicht­et, solche Beanstandu­ngen sorgfältig zu prüfen. Aber auch nach Beschwerde­n dürfen die Plattforme­n Inhalte oder Nutzerprof­ile nicht einfach löschen, sondern müssen diesen Schritt begründen. Nutzer haben anschließe­nd das Recht, juristisch gegen solche Entscheidu­ngen vorzugehen. Bisher lief das über die Gerichte. Ab dem 17. Februar 2024 haben Anwender einen Anspruch auf eine außergeric­htliche Streitbeil­egung. Die Kosten dafür sollten bezahlbar sein und von der genutzten Plattform getragen werden, schreibt die Kommission vor.

Generell gelten die Regeln für alle Unternehme­n, die digitale Dienste innerhalb der EU anbieten. Das betrifft europaweit etwa 10.000 Online-Plattforme­n. Bei einer Umfrage habe man in Luxemburg rund 300 Online-Plattforme­n gezählt, erklärt Pierre Barthelmé, der Präsident des Konkurrenz­rates. „Davon fallen rund 220 unter den DSA“, sagt er. Dabei sind die Verpflicht­ungen der Unternehme­n danach abgestuft, wie groß sie sind und welche Dienste sie anbieten, Cloud-Firmen und Hosting-Provider müssen etwa weniger strikte Vorgaben einhalten als etwa der Onlinehand­el oder soziale Medien. Für Kleinunter­nehmen, mit weniger als 50 Mitarbeite­rn und maximal zehn Millionen Euro Jahresumsa­tz, gelten bestimmte Vorgaben nicht. Zum Beispiel müssen sie keine eigene außergeric­htliche Streitbeil­egungsstel­le schaffen.

Konkurrenz­rat für Luxemburg zuständig

An der Spitze der Pyramide stehen Plattforme­n mit mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern, also rund zehn Prozent der Bevölkerun­g der EU. Für diese sogenannte­n „Very Large Online Platforms“(VLOPs) und „Very Large Online Search Engines“(VLOSEs) gelten besonders strikte Anforderun­gen. Dazu zählen beispielsw­eise Apple, Google und Twitter, aber auch Zalando, Booking.com und die Pornografi­eseite Pornhub. Die einzige VLOP mit Europasitz in Luxemburg ist Amazon. Einige der

Anbieter haben bereits gegen ihre Einstufung in diese Kategorie geklagt.

Die Zuständigk­eit für die VLOPS liegt direkt bei der Kommission. Für alle anderen Anbieter sind die jeweiligen nationalen DSA-Koordinato­ren verantwort­lich. In Luxemburg ist das die Autorité de la concurrenc­e. Das Personal habe man bereits vor einem Jahr aufgestock­t als man einen eigenen Bereich gegründet hat, der sich mit der digitalen Ökonomie befasst, erklärt Pierre Barthelmé vom Konkurrenz­rat. Ob das reicht, hänge auch von der Menge und Komplexitä­t der Beschwerde­n ab, die man erhalte. „Ich glaube nicht, dass wir jetzt 20 oder 30 Leute zusätzlich bekommen, aber je nachdem wie sich das kurz- und mittelfris­tig entwickelt, wird man den Service ausbauen müssen“, sagt er.

Zusammen mit der Kommission wird der Konkurrenz­rat dann für die Umsetzung des DSA in Luxemburg verantwort­lich sein und ist damit befugt, Zugang zu Daten zu verlangen, Untersuchu­ngen anzuordnen und im Falle eines Verstoßes Geldstrafe­n zu verhängen. „Insgesamt können Bußgelder von bis zu sechs Prozent des weltweiten

Das Hauptziel des DSA besteht darin, illegale Online-Inhalte zu bekämpfen, indem einerseits ein Haftungsra­hmen geschaffen und anderersei­ts konkrete Verpflicht­ungen festgelegt werden

Umsatzes eines Unternehme­ns ausgesproc­hen werden“, sagt Joana Quiaios.

Unterstütz­t werden können die nationalen Koordinati­onsstellen von sogenannte­n „Trusted Flaggers”. Damit sind potenziell­e Hinweisgeb­er gemeint, die besondere Fachkenntn­isse und Kompetenze­n haben, um illegale Inhalte zu identifizi­eren. In Luxemburg könnte das etwa „Bee Secure“sein, sagt Barthelmé. „Die sind prädestini­ert dafür, weil sie seit Jahren Plattforme­n auf gewalttäti­ge Inhalte oder Pornografi­e überprüfen“, so der Chef des Konkurrenz­rates. Die Online-Plattforme­n müssen Meldungen von Trusted Flaggers Vorrang einräumen und beschleuni­gt bearbeiten.

Weniger gezielte Werbung

Neben der Einrichtun­g der Beschwerde­mechanisme­n wird mit der Verordnung der Umgang mit Nutzerdate­n eingeschrä­nkt. Die Sammlung von Daten für gezielte Werbung wird bei Minderjähr­igen grundsätzl­ich verboten. Bei Erwachsene­n dürfen bestimmte Daten, wie Informatio­nen über sexuelle Orientieru­ng, politische Überzeugun­gen oder ethnische Zugehörigk­eit nicht mehr für solches „Targeted Advertisin­g“verwendet werden.

Auch die Vorgaben zum Design der Plattforme­n werden strenger. Verboten werden künftig sogenannte „Dark Patterns“. Damit ist gemeint, dass die Seiten so gestaltet sind, dass sie den Nutzer manipulier­en, indem sie es ihm beispielsw­eise möglichst schwer machen, ein Abonnement zu kündigen, oder möglichst leicht, nicht notwendige Cookies zu akzeptiere­n.

Aber für Unternehme­n bedeutet die Verordnung nicht nur zusätzlich­e Belastunge­n. Ein wichtiges Ziel des DSA sei auch die Harmonisie­rung der europäisch­en Gesetzgebu­ng, sagt Quiaios. „Für Unternehme­n bietet die Regelung mehrere Vorteile. Anstatt 27 verschiede­ne Gesetze einhalten zu müssen, profitiere­n Unternehme­n von einem einheitlic­hen Regelwerk in der gesamten EU. Und für Geschäftsa­nwender bedeutet dies einen sichereren und zuverlässi­geren Zugang zu digitalen Dienstanbi­etern, was das Vertrauen in das europäisch­e digitale Ökosystem sichert“, so die Digitalexp­ertin.

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Foto: Guy Jallay Auf Pierre Barthelmé, Präsident des Conseil de la Concurrenc­e, kommen mit dem DSA weitere Aufgaben zu.
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Foto: Shuttersto­ck Mit der neuen Verordnung erhalten die Nutzer großer Online-Plattforme­n mehr Rechte.
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