„Grundgesetz für das Internet“tritt in Kraft
Mit dem Digital Services Act sollen Nutzer online besser geschützt werden. Für die Umsetzung ist in Luxemburg der Konkurrenzrat zuständig
Zwei Tage nach dem Inkrafttreten des EUGesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) zeigte die Kommission den Online-Riesen gleich mal die Zähne. Am vergangenen Montag gab die Behörde bekannt, dass sie ein Verfahren gegen die Videoplattform TikTok eröffnet habe, um zu überprüfen, ob gegen die Bestimmungen zu Jugendschutz und Werbung verstoßen wurde. Bereits im Dezember hatte die Kommission eine ähnliche Untersuchung gegen den Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) eingeleitet.
Bisher galten die neuen Regeln lediglich für die großen Plattformen wie Amazon, Google oder Apple, aber seit dem 17. Februar 2024 müssen auch kleinere OnlineAnbieter die Vorgaben des DSA bei sich umsetzen. Damit ist die Verordnung, die in der Vergangenheit schon verschiedentlich als „Grundgesetz für das Internet“bezeichnet wurde, nun vollständig in Kraft getreten. „Das Hauptziel des DSA besteht darin, illegale Online-Inhalte zu bekämpfen, indem einerseits ein Haftungsrahmen geschaffen und andererseits konkrete Verpflichtungen festgelegt werden“, sagt Joana Quiaios, die beim Wirtschaftsministerium für Digitalplattformen zuständig ist.
Dabei sei die Frage, was als illegal einzustufen ist, recht weit gefasst und reiche von der Aufstachelung zum Hass in sozialen Medien bis zum Verkauf gefährlicher Produkte auf Online-Marktplätzen, so Quiaios.
Die Betreiber von Online-Plattformen müssen es seit dem Wochenende zum Beispiel leichter machen, illegale Inhalte zu melden und entsprechende Beschwerdemechanismen einrichten. Das fängt bei einem klar erkennbaren Kommunikationskanal wie E-Mail-Adressen, Instant Messages oder Chatbots zu diesem Zweck an. Zudem „müssen Online-Plattformen sicherstellen, dass Beschwerden von qualifiziertem Personal bearbeitet werden und die Angelegenheit zeitnah und diskriminierungsfrei bearbeitet wird“, schreibt die Kommission auf ihrer Webseite.
Löschen von Inhalten muss begründet werden
Die Plattformen sind verpflichtet, solche Beanstandungen sorgfältig zu prüfen. Aber auch nach Beschwerden dürfen die Plattformen Inhalte oder Nutzerprofile nicht einfach löschen, sondern müssen diesen Schritt begründen. Nutzer haben anschließend das Recht, juristisch gegen solche Entscheidungen vorzugehen. Bisher lief das über die Gerichte. Ab dem 17. Februar 2024 haben Anwender einen Anspruch auf eine außergerichtliche Streitbeilegung. Die Kosten dafür sollten bezahlbar sein und von der genutzten Plattform getragen werden, schreibt die Kommission vor.
Generell gelten die Regeln für alle Unternehmen, die digitale Dienste innerhalb der EU anbieten. Das betrifft europaweit etwa 10.000 Online-Plattformen. Bei einer Umfrage habe man in Luxemburg rund 300 Online-Plattformen gezählt, erklärt Pierre Barthelmé, der Präsident des Konkurrenzrates. „Davon fallen rund 220 unter den DSA“, sagt er. Dabei sind die Verpflichtungen der Unternehmen danach abgestuft, wie groß sie sind und welche Dienste sie anbieten, Cloud-Firmen und Hosting-Provider müssen etwa weniger strikte Vorgaben einhalten als etwa der Onlinehandel oder soziale Medien. Für Kleinunternehmen, mit weniger als 50 Mitarbeitern und maximal zehn Millionen Euro Jahresumsatz, gelten bestimmte Vorgaben nicht. Zum Beispiel müssen sie keine eigene außergerichtliche Streitbeilegungsstelle schaffen.
Konkurrenzrat für Luxemburg zuständig
An der Spitze der Pyramide stehen Plattformen mit mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern, also rund zehn Prozent der Bevölkerung der EU. Für diese sogenannten „Very Large Online Platforms“(VLOPs) und „Very Large Online Search Engines“(VLOSEs) gelten besonders strikte Anforderungen. Dazu zählen beispielsweise Apple, Google und Twitter, aber auch Zalando, Booking.com und die Pornografieseite Pornhub. Die einzige VLOP mit Europasitz in Luxemburg ist Amazon. Einige der
Anbieter haben bereits gegen ihre Einstufung in diese Kategorie geklagt.
Die Zuständigkeit für die VLOPS liegt direkt bei der Kommission. Für alle anderen Anbieter sind die jeweiligen nationalen DSA-Koordinatoren verantwortlich. In Luxemburg ist das die Autorité de la concurrence. Das Personal habe man bereits vor einem Jahr aufgestockt als man einen eigenen Bereich gegründet hat, der sich mit der digitalen Ökonomie befasst, erklärt Pierre Barthelmé vom Konkurrenzrat. Ob das reicht, hänge auch von der Menge und Komplexität der Beschwerden ab, die man erhalte. „Ich glaube nicht, dass wir jetzt 20 oder 30 Leute zusätzlich bekommen, aber je nachdem wie sich das kurz- und mittelfristig entwickelt, wird man den Service ausbauen müssen“, sagt er.
Zusammen mit der Kommission wird der Konkurrenzrat dann für die Umsetzung des DSA in Luxemburg verantwortlich sein und ist damit befugt, Zugang zu Daten zu verlangen, Untersuchungen anzuordnen und im Falle eines Verstoßes Geldstrafen zu verhängen. „Insgesamt können Bußgelder von bis zu sechs Prozent des weltweiten
Das Hauptziel des DSA besteht darin, illegale Online-Inhalte zu bekämpfen, indem einerseits ein Haftungsrahmen geschaffen und andererseits konkrete Verpflichtungen festgelegt werden
Umsatzes eines Unternehmens ausgesprochen werden“, sagt Joana Quiaios.
Unterstützt werden können die nationalen Koordinationsstellen von sogenannten „Trusted Flaggers”. Damit sind potenzielle Hinweisgeber gemeint, die besondere Fachkenntnisse und Kompetenzen haben, um illegale Inhalte zu identifizieren. In Luxemburg könnte das etwa „Bee Secure“sein, sagt Barthelmé. „Die sind prädestiniert dafür, weil sie seit Jahren Plattformen auf gewalttätige Inhalte oder Pornografie überprüfen“, so der Chef des Konkurrenzrates. Die Online-Plattformen müssen Meldungen von Trusted Flaggers Vorrang einräumen und beschleunigt bearbeiten.
Weniger gezielte Werbung
Neben der Einrichtung der Beschwerdemechanismen wird mit der Verordnung der Umgang mit Nutzerdaten eingeschränkt. Die Sammlung von Daten für gezielte Werbung wird bei Minderjährigen grundsätzlich verboten. Bei Erwachsenen dürfen bestimmte Daten, wie Informationen über sexuelle Orientierung, politische Überzeugungen oder ethnische Zugehörigkeit nicht mehr für solches „Targeted Advertising“verwendet werden.
Auch die Vorgaben zum Design der Plattformen werden strenger. Verboten werden künftig sogenannte „Dark Patterns“. Damit ist gemeint, dass die Seiten so gestaltet sind, dass sie den Nutzer manipulieren, indem sie es ihm beispielsweise möglichst schwer machen, ein Abonnement zu kündigen, oder möglichst leicht, nicht notwendige Cookies zu akzeptieren.
Aber für Unternehmen bedeutet die Verordnung nicht nur zusätzliche Belastungen. Ein wichtiges Ziel des DSA sei auch die Harmonisierung der europäischen Gesetzgebung, sagt Quiaios. „Für Unternehmen bietet die Regelung mehrere Vorteile. Anstatt 27 verschiedene Gesetze einhalten zu müssen, profitieren Unternehmen von einem einheitlichen Regelwerk in der gesamten EU. Und für Geschäftsanwender bedeutet dies einen sichereren und zuverlässigeren Zugang zu digitalen Dienstanbietern, was das Vertrauen in das europäische digitale Ökosystem sichert“, so die Digitalexpertin.