Luxemburger Wort

Gil Linster mischt die Nascar-Szene auf

Als erster Rennfahrer aus Luxemburg startet der 30-Jährige auf der legendären Strecke von Daytona. Mit seiner Leistung schreibt er ein Stück Autosportg­eschichte

- Von Jean-Marie Resch

„Drivers start your engines!“Diese magischen Worte („Fahrer startet eure Motoren“) auf einer so legendären Strecke wie Daytona zu hören, ist für jeden Rennfahrer etwas Besonderes. Gil Linster erfüllte sich am vergangene­n Wochenende diesen Traum und startete als erster Luxemburge­r überhaupt bei einem Rennen auf dem Hochgeschw­indigkeits­kurs in Florida.

Doch Linster begnügte sich beim ArcaMenard­s-Daytona 200 nicht mit der Rolle des Teilnehmer­s, der von der Gelegenhei­t profitiert, einmal in seiner Karriere mit einem Nascar-Boliden ein Rennen auf dem Ovalkurs zu bestreiten. Nach 200 Meilen (320 km) und 80 turbulente­n Runden belegte der Ford-Mustang-Pilot den hervorrage­nden siebten Gesamtrang und schrieb damit ein Stück Autosportg­eschichte.

Linster erzielte das beste Ergebnis eines europäisch­en Fahrers in dieser Rennserie, die in den USA hinter dem Nascar-SprintCup und der Nascar-Xfinity-Series an dritter Stelle steht. Unter anderem aufgrund seiner guten Leistungen in der Nascar-Whelen-Euro-Series, dem europäisch­en NascarAble­ger und einem geglücktem DaytonaTes­t Mitte Januar gehörte er zu den 49 Auserwählt­en, die vergangene Woche zum Daytona 200-Qualifying antraten.

Der 30-Jährige zeigte sich zunächst tief beeindruck­t von der besonderen Anlage. „Das ist ein unbeschrei­bliches Gefühl. Diese Strecke ist so riesig und die Steilkurve­n so beeindruck­end. Das hat schon was, wenn man bedenkt, dass man hier locker Geschwindi­gkeiten von etwas über 300 km/h fährt.“

Allein würde man sich schnell an die hohen Geschwindi­gkeiten gewöhnen. Das Fahren im Pulk sei aber eine ganz andere Nummer. „Das wird Draft genannt. Dabei wird man gedrückt, schiebt selbst den Vordermann an oder wird von einem Gegner, der auf den Zug aufspringe­n will, seitlich weggeschob­en. Das ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt Linster.

Knapp an der Sensation vorbei

Speziell war auch Linsters Leistung im Qualifying. Zur Überraschu­ng aller lag der Daytona-Neuling bis kurz vor Schluss auf dem ersten Startplatz. Erst als die letzte der acht

Startgrupp­en mit unter anderem etwas stärkeren Werksautos von Ford und Toyota auf die Strecke ging, rutschte der Luxemburge­r auf Rang sieben zurück.

Für europäisch­e Verhältnis­se eher ungewöhnli­ch ist das Vorstartve­rfahren. „Wir werden den Fans auf einer großen Bühne vorgestell­t und gehen dann, immer begleitet von Kameras, zum Auto. Unterwegs nimmt ein Pfarrer jeden Fahrer einzeln in den Arm und betet auf Wunsch kurz mit ihm. Sind alle Fahrer bei ihren Autos, wird nach einem gemeinsame­n Gebet die Nationalhy­mne abgespielt. Wir steigen ein und dann wird es auf einmal ganz still, weil wir wissen, dass gleich der Moment der magischen Worte kommt. Sobald die Ansage „Drivers start your engines“ertönt, wird es laut“, beschreibt der Frisinger die letzten Momente vor dem Start.

Nascar-Rennen sind oftmals geprägt von einer kompromiss­losen Vorgehensw­eise etlicher Piloten. Mit unter anderem acht Safety-Car-Phasen und einer Massenkoll­ision (Big One) in der letzten Runde hatte das Daytona 200 einige Zwischenfä­lle zu bieten. Linster gelang es dabei, sich mit viel Können und dem nötigen Glück des Tüchtigen im blauen HOOSH.com-Ford mit der gelben Nummer 68 sehr geschickt aus der Affäre zu ziehen.

Blindes Vertrauen in die Hilfe vom Tribünenda­ch

„Sicherlich macht man vieles intuitiv und eine Portion Glück gehört auch dazu. Aber durch die Arbeit im Simulator habe ich gelernt, Situatione­n gut zu lesen, wann ein Auto vor mir ausbricht und in welche Richtung es dann fährt. Das ist wie beim Billard. Wenn man weiß, wo und wie die Kugel gegen die Bande stößt, weiß man auch, wohin sie weiterroll­t.“

Auf diese Weise überstand er vier größere Unfälle direkt um ihn herum, ohne dabei heftige Korrekture­n am Lenkrad vornehmen zu müssen. Eine große und wichtige Hilfe war in diesen Momenten auch der Spotter von Linster, der oben auf dem Tribünenda­ch postiert ist. Unter anderem ausgerüste­t mit einem Fernglas hat dieser die gesamte Strecke im Blick und kann via Funkkontak­t seinen Fahrer durch problemati­sche Situatione­n lotsen.

„Ich vertraue meinem Spotter blind. Es bleibt keine Zeit. Wenn mein Spotter sagt, ich soll nach oben fahren, dann mache ich das. Er sieht viel mehr als ich im Auto. Bei 300 km/h erkennst du zum Beispiel ein Trümmertei­l, das vor dir liegt, viel zu spät“, so der Fahrer des Kimmel-Racing-Teams.

Linster konnte nicht nur jenseits des Atlantiks für Luxemburg werben, sondern auch beim einheimisc­hen Publikum punkten. „Dass ich als Europäer auf Anhieb so gut abgeschnit­ten habe, hat zumindest in den USA für genügend Aufmerksam­keit gesorgt. Einige Teams haben auch schon angeklopft“, blickt Linster zuversicht­lich auf den weiteren Saisonverl­auf.

: Das ist wie beim Billard. Wenn man weiß, wo und wie die Kugel gegen die Bande stößt, weiß man auch, wohin sie weiterroll­t. Gil Linster

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Fotos: Daylon Barr Photograph­y Gil Linster erfüllte sich mit dem Rennen auf der legendären Strecke von Daytona einen Traum.
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Gil Linster (68) schrieb ein Stück Autosportg­eschichte.

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