Luxemburger Wort

„Wir brauchen einen Bau-Booster “

Der Privatsekt­or möchte sich an der Schaffung von erschwingl­ichen Wohnungen beteiligen und hofft auf einen konstrukti­ven Dialog mit der Regierung

- Von Michèle Gantenbein

Anfang des Jahres hat die Regierung ein Krisenpake­t vorgestell­t, mit Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die Immobilien- und Baubranche kurzfristi­g wieder anzukurbel­n. Doch damit ist die seit Jahren andauernde Wohnungskr­ise nicht gelöst. „Wir haben ein strukturel­les Problem“, sagt der Präsident der Immobilien­kammer, Jean-Paul Scheuren. „Und das müssen wir alle gemeinsam mit neuen Lösungen angehen.“

Um dieses strukturel­le Problem gemeinsam anzugehen, treffen sich heute die Vertreter der Immobilien- und Baubranche mit der Regierung und dem Syvicol auf Schloss Senningen für ein dreistündi­ges Meeting, um über die Wohnungskr­ise zu diskutiere­n und konkrete Lösungsvor­schläge auf den Tisch zu legen.

Schneller bauen, günstiger bauen, mehr bauen

Ziel ist es, schneller zu bauen, günstiger zu bauen, mehr zu bauen und vor allem mehr erschwingl­iche Wohnungen zu bauen, um den Druck aus dem Wohnungsma­rkt zu nehmen. Die Gespräche drehen im Kern um drei Themenbere­iche: die Beteiligun­g des Privatsekt­ors an der Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum, die Abschaffun­g von administra­tiven Hürden und ein neuer Urbanismus.

Die vorige Regierung hat die Beteiligun­g des Privatsekt­ors an der Schaffung von erschwingl­ichen Wohnungen stets abgelehnt und vertrat die Meinung, dass dieser Bereich den öffentlich­en Bauträgern vorbehalte­n sein sollte. Die neue Regierung hingegen ist der Ansicht, dass die Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum ohne die Privaten nicht zu bewerkstel­ligen ist.

„Wir haben Modelle entwickelt, die es ermögliche­n, kurzfristi­g mehr bezahlbare Wohnungen zu bauen“, erklärt UEL-Präsident Michel Reckinger auf LW-Nachfrage. Ziel sei es, jährlich 6.000 Wohnungen fertigzust­ellen, davon 3.000 im erschwingl­ichen Sektor – in Zusammenar­beit mit den öffentlich­en Bauträgern, die jährlich auf rund 400 bis 500 Wohnungen kommen.

Administra­tive Hürden aus dem Weg räumen

Ein anderes Stichwort, um schneller voranzukom­men und günstiger zu bauen, lautet administra­tive Vereinfach­ung. Das bedeutet: Prozeduren müssen gestrafft und unnötige Reglementi­erungen abgeschaff­t werden. „Wo Baugrundst­ück draufsteht, muss gebaut werden können“, sagt Reckinger. Damit spielt er unter anderem auf die Umweltaufl­agen an. „Wir wollen den Umweltschu­tz nicht aushebeln, aber es kann nicht sein, dass wir durch jahrelange Verlängeru­ngen am Bauen gehindert werden. Das muss aufhören. Wir müssen schneller werden. Wir brauchen einen BauBooster.“

Ein dritter Punkt, der heute diskutiert wird, sind neue Formen von Urbanismus, mit dem Ziel höher und dichter zu bauen. Um das zu bewerkstel­ligen, müssen die PAG- und PAP-Prozeduren sowie die kommunalen Bauordnung­en unter die Lupe genommen und gegebenenf­alls angepasst werden. „Und wir müssen die Gemeinden, die ihre kommunalen Bebauungsp­läne noch nicht überarbeit­et haben, unterstütz­en, damit wir vorankomme­n“, sagt Reckinger.

Welche konkreten Ideen die Teilnehmer vorstellen werden und was die Regierung von den Vorschläge­n hält, bleibt abzuwarten. Michel Reckinger und Jean-Paul Scheuren aber spüren Dialogbere­itschaft bei der Regierung und blicken deshalb zuversicht­lich auf den bevorstehe­nden Austausch.

Scheuren übt sogar Selbstkrit­ik und ist der Meinung, „dass auch die Privaten sich ändern müssen“, und dass es einen Mentalität­swandel im Privatsekt­or brauche. „Wir müssen von dem Gut-Böse-Schema wegkommen und alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir können nicht immer nur auf die Prozeduren schimpfen. Wir müssen auch unseren Teil dazu beitragen und die Dossiers so bearbeiten und abgeben, dass die andere Seite es leichter hat.“

Das Treffen am heutigen Donnerstag ist nur der Auftakt. Damit sich Verbesseru­ngen einstellen, sind ohne Zweifel weitere Treffen notwendig. Der Ökonom Michel-Edouard Ruben vom Thinktank Idea der Handelskam­mer hat eine Idee für die Zeit nach dem ersten großen Austausch. Er schlägt vor, dem Logementsd­ësch eine „institutio­nelle Dimension“zu verleihen und sich dabei „von der Vergangenh­eit inspiriere­n“zu lassen.

Wiederbele­bung der Baukommiss­ion aus den Siebzigerj­ahren

„Man sollte die 1975 geschaffen­e Commission du bâtiment wiederbele­ben“, erklärt Ruben im Gespräch mit dem „Wort“. „Damals befand sich der Bausektor in der Krise. Die Regierung hat diese Kommission damals geschaffen und sie mit hohen Beamten und Vertretern aus dem Gewerkscha­fts-, dem Arbeitgebe­r- und dem Bankenwese­n besetzt. Ihre Aufgabe bestand darin, die Situation zu analysiere­n und der Regierung Vorschläge zu unterbreit­en, um die Produktion­skapazität aufrechtzu­erhalten.“

Die gesetzlich­e Basis dieser Kommission existiert noch heute. „Mein Vorschlag wäre, diese Kommission – in moderner Form – zu reaktivier­en und sie mit der Ausarbeitu­ng eines Berichts zu beauftrage­n, der nicht mehr als 30 Seiten umfasst und präzise Ziele und Vorschläge enthält, die als Grundlage für eine Neuausrich­tung der Wohnungspo­litik dienen und für alle in der Kommission vertretene­n Mitglieder bindend sind“, erklärt Ruben. „Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer starken Allianz zwischen den wichtigste­n Immobilien­akteuren im Dienste des Ziels: die Zahl der gebauten Wohnungen zu maximieren.“

OAI: „Viele Gesetze und Regeln widersprec­hen sich“

Der Verband der Architekte­n und beratenden Ingenieure (OAI) sitzt heute ebenfalls mit am Tisch. Was dem OAI ganz besonders wichtig ist, ist eine Entwirrung der vielen verschiede­nen Gesetze, Reglementi­erungen und Prozeduren, die teilweise im Widerspruc­h zueinander stünden. „Wir brauchen mittelfris­tig einen Code de la constructi­on, der sicherstel­lt, dass Gesetze und Regeln im Einklang miteinande­r stehen und sich nicht gegenseiti­g aushebeln“, sagt OAI-Direktor Pierre Hurt im Gespräch mit dem „Wort“. Wünschensw­ert wäre auch, mit weniger Regeln eine gute Bauqualitä­t sicherzust­ellen.

Ein weiterer Gedanke: Weniger Gesetze, dafür mehr innovative Normen, „die dem technische­n Fortschrit­t flexibel angepasst werden können und experiment­elles Bauen ermögliche­n“.

Wir müssen von dem Gut-Böse-Schema wegkommen und alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Jean-Paul Scheuren, Präsident der Chambre immobilièr­e

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Foto: Shuttersto­ck 2023 wurden knapp 400 neue Wohnungen (VEFA) gebaut. Üblicherwe­ise sind es mehr als 3.000 pro Jahr.

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