„Wir brauchen einen Bau-Booster “
Der Privatsektor möchte sich an der Schaffung von erschwinglichen Wohnungen beteiligen und hofft auf einen konstruktiven Dialog mit der Regierung
Anfang des Jahres hat die Regierung ein Krisenpaket vorgestellt, mit Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die Immobilien- und Baubranche kurzfristig wieder anzukurbeln. Doch damit ist die seit Jahren andauernde Wohnungskrise nicht gelöst. „Wir haben ein strukturelles Problem“, sagt der Präsident der Immobilienkammer, Jean-Paul Scheuren. „Und das müssen wir alle gemeinsam mit neuen Lösungen angehen.“
Um dieses strukturelle Problem gemeinsam anzugehen, treffen sich heute die Vertreter der Immobilien- und Baubranche mit der Regierung und dem Syvicol auf Schloss Senningen für ein dreistündiges Meeting, um über die Wohnungskrise zu diskutieren und konkrete Lösungsvorschläge auf den Tisch zu legen.
Schneller bauen, günstiger bauen, mehr bauen
Ziel ist es, schneller zu bauen, günstiger zu bauen, mehr zu bauen und vor allem mehr erschwingliche Wohnungen zu bauen, um den Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen. Die Gespräche drehen im Kern um drei Themenbereiche: die Beteiligung des Privatsektors an der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, die Abschaffung von administrativen Hürden und ein neuer Urbanismus.
Die vorige Regierung hat die Beteiligung des Privatsektors an der Schaffung von erschwinglichen Wohnungen stets abgelehnt und vertrat die Meinung, dass dieser Bereich den öffentlichen Bauträgern vorbehalten sein sollte. Die neue Regierung hingegen ist der Ansicht, dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ohne die Privaten nicht zu bewerkstelligen ist.
„Wir haben Modelle entwickelt, die es ermöglichen, kurzfristig mehr bezahlbare Wohnungen zu bauen“, erklärt UEL-Präsident Michel Reckinger auf LW-Nachfrage. Ziel sei es, jährlich 6.000 Wohnungen fertigzustellen, davon 3.000 im erschwinglichen Sektor – in Zusammenarbeit mit den öffentlichen Bauträgern, die jährlich auf rund 400 bis 500 Wohnungen kommen.
Administrative Hürden aus dem Weg räumen
Ein anderes Stichwort, um schneller voranzukommen und günstiger zu bauen, lautet administrative Vereinfachung. Das bedeutet: Prozeduren müssen gestrafft und unnötige Reglementierungen abgeschafft werden. „Wo Baugrundstück draufsteht, muss gebaut werden können“, sagt Reckinger. Damit spielt er unter anderem auf die Umweltauflagen an. „Wir wollen den Umweltschutz nicht aushebeln, aber es kann nicht sein, dass wir durch jahrelange Verlängerungen am Bauen gehindert werden. Das muss aufhören. Wir müssen schneller werden. Wir brauchen einen BauBooster.“
Ein dritter Punkt, der heute diskutiert wird, sind neue Formen von Urbanismus, mit dem Ziel höher und dichter zu bauen. Um das zu bewerkstelligen, müssen die PAG- und PAP-Prozeduren sowie die kommunalen Bauordnungen unter die Lupe genommen und gegebenenfalls angepasst werden. „Und wir müssen die Gemeinden, die ihre kommunalen Bebauungspläne noch nicht überarbeitet haben, unterstützen, damit wir vorankommen“, sagt Reckinger.
Welche konkreten Ideen die Teilnehmer vorstellen werden und was die Regierung von den Vorschlägen hält, bleibt abzuwarten. Michel Reckinger und Jean-Paul Scheuren aber spüren Dialogbereitschaft bei der Regierung und blicken deshalb zuversichtlich auf den bevorstehenden Austausch.
Scheuren übt sogar Selbstkritik und ist der Meinung, „dass auch die Privaten sich ändern müssen“, und dass es einen Mentalitätswandel im Privatsektor brauche. „Wir müssen von dem Gut-Böse-Schema wegkommen und alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir können nicht immer nur auf die Prozeduren schimpfen. Wir müssen auch unseren Teil dazu beitragen und die Dossiers so bearbeiten und abgeben, dass die andere Seite es leichter hat.“
Das Treffen am heutigen Donnerstag ist nur der Auftakt. Damit sich Verbesserungen einstellen, sind ohne Zweifel weitere Treffen notwendig. Der Ökonom Michel-Edouard Ruben vom Thinktank Idea der Handelskammer hat eine Idee für die Zeit nach dem ersten großen Austausch. Er schlägt vor, dem Logementsdësch eine „institutionelle Dimension“zu verleihen und sich dabei „von der Vergangenheit inspirieren“zu lassen.
Wiederbelebung der Baukommission aus den Siebzigerjahren
„Man sollte die 1975 geschaffene Commission du bâtiment wiederbeleben“, erklärt Ruben im Gespräch mit dem „Wort“. „Damals befand sich der Bausektor in der Krise. Die Regierung hat diese Kommission damals geschaffen und sie mit hohen Beamten und Vertretern aus dem Gewerkschafts-, dem Arbeitgeber- und dem Bankenwesen besetzt. Ihre Aufgabe bestand darin, die Situation zu analysieren und der Regierung Vorschläge zu unterbreiten, um die Produktionskapazität aufrechtzuerhalten.“
Die gesetzliche Basis dieser Kommission existiert noch heute. „Mein Vorschlag wäre, diese Kommission – in moderner Form – zu reaktivieren und sie mit der Ausarbeitung eines Berichts zu beauftragen, der nicht mehr als 30 Seiten umfasst und präzise Ziele und Vorschläge enthält, die als Grundlage für eine Neuausrichtung der Wohnungspolitik dienen und für alle in der Kommission vertretenen Mitglieder bindend sind“, erklärt Ruben. „Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer starken Allianz zwischen den wichtigsten Immobilienakteuren im Dienste des Ziels: die Zahl der gebauten Wohnungen zu maximieren.“
OAI: „Viele Gesetze und Regeln widersprechen sich“
Der Verband der Architekten und beratenden Ingenieure (OAI) sitzt heute ebenfalls mit am Tisch. Was dem OAI ganz besonders wichtig ist, ist eine Entwirrung der vielen verschiedenen Gesetze, Reglementierungen und Prozeduren, die teilweise im Widerspruch zueinander stünden. „Wir brauchen mittelfristig einen Code de la construction, der sicherstellt, dass Gesetze und Regeln im Einklang miteinander stehen und sich nicht gegenseitig aushebeln“, sagt OAI-Direktor Pierre Hurt im Gespräch mit dem „Wort“. Wünschenswert wäre auch, mit weniger Regeln eine gute Bauqualität sicherzustellen.
Ein weiterer Gedanke: Weniger Gesetze, dafür mehr innovative Normen, „die dem technischen Fortschritt flexibel angepasst werden können und experimentelles Bauen ermöglichen“.
Wir müssen von dem Gut-Böse-Schema wegkommen und alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Jean-Paul Scheuren, Präsident der Chambre immobilière