Luxemburger Wort

Von der Leyens rote Linien im Umgang mit Rechtskons­ervativen

Die EU-Kommission­schefin kann sich bei einer Wiederwahl eine Zusammenar­beit mit der ECR-Fraktion vorstellen – aber nicht um jeden Preis

- Von Diego Velazquez (Brüssel)

Wird Ursula von der Leyen, die derzeitige EU-Kommission­schefin und designiert­e Spitzenkan­didatin der EU-Christdemo­kraten (EVP), auf die Unterstütz­ung der rechtskons­ervativen bis rechtsextr­emen ECR-Fraktion im EU-Parlament zurückgrei­fen, um wiedergewä­hlt zu werden? Diese Frage wollte die CDU-Politikeri­n nach einem Treffen mit der EVPFraktio­n im EU-Parlament, der auch die CSV-EU-Parlamenta­rierinnen angehören, nicht klar beantworte­n.

Der rechtskons­ervativen Fraktion der Europäisch­en Konservati­ven und Reformer (ECR), der zum Beispiel die italienisc­he Fratelli d’Italia oder die polnische PiS-Partei angehören, werden deutliche Zugewinne bei den Europawahl­en im Juni vorhergesa­gt. Von der Leyens EVP hätte durchaus die Möglichkei­t, ein Mehrheitsa­bkommen mit der ECR abzuschlie­ssen und eine rechte Mehrheit anzupeilen. Die EVP hat sich in dieser Legislatur­periode auch bereits themenspez­ifisch mit der ECR verbündet, besonders als es darum ging, strengere EU-Umweltaufl­agen zu bekämpfen.

„Für mich ist es wichtig mit klaren proeuropäi­schen Gruppen (zu arbeiten), die sowohl die NATO als auch die Ukraine unterstütz­en, als auch Unterstütz­er unserer demokratis­chen Werte sind“, antwortete sie auf die Frage, ob sie sich einer Zusammenar­beit mit der ECR-Fraktion vorstellen könnte. „Und sie dürfen keine Putin-Freunde sein“.

Ein Journalist wies von der Leyen dann darauf hin, dass ihre Beschreibu­ng zahlreiche nationale Parteien, die die ECRFraktio­n ausmachen, für eine Zusammenar­beit faktisch ausschließ­en würde. Die PiS-Partei hat in den Polen den Rechtsstaa­t ausgehöhlt, Eric Zemmours Reconquête ist sehr Putin-affin und die ungarische Fidesz-Partei, die mit dem Gedanken spielt, der ECR beizutrete­n, ist sowohl antidemokr­atisch als auch prorussisc­h.

Pokern auf Spaltung der ECR?

Von der Leyen ließ daraufhin Teile ihrer diesbezügl­ichen Strategie durchblick­en: „Sie wissen, dass sich die Zusammense­tzung der EU-Fraktionen nach den EUWahlen ändern kann“, sagte sie. „Wir wissen noch nicht, welche Parteien die ECR verlassen werden und möglicherw­eise der EVP beitreten werden – auch das ist möglich.“Ihr Kalkül scheint demnach klar: Von der Leyen hofft darauf, dass der gemäßigte Flügel der ECR-Fraktion sich abspalten und der EVP beitreten wird – oder sich zumindest offen für eine losere Zusammenar­beit zeigt. Damit wäre ihre Mehrheit gesichert.

: Ursula von der Leyen hat eine Gelegenhei­t verpasst, um sich klar von Rechtsauße­n abzugrenze­n. Marc Angel, LSAP-EU-Parlamenta­rier

Allerdings bleibt die Frage, was genau „gemäßigt“für Ursula von der Leyen bedeutet. Ihre Beschreibu­ng scheint maßgeschne­idert auf Giorgia Melonis Fratelli d’Italia zu passen. Melonis Partei ist sehr wohl stramm rechts – doch die italienisc­he Regierungs­chefin gibt sich in Brüssel sehr staatstrag­end: Sie ist resolut für die Unterstütz­ung der Ukraine, hat nichts Grundsätzl­iches gegen die Europäisch­e Union und gibt sich auch sonst eher moderat auf dem EU-Parkett. Auch die flämische N-VA würde von der Leyens Beschreibu­ng entspreche­n – auch wenn sie auf regionaler Ebene die Zusammenar­beit mit Rechtsextr­emisten nicht kategorisc­h ausschließ­t und an der Spaltung Belgiens arbeitet.

„Ursula von der Leyen hat eine Gelegenhei­t verpasst, um sich klar von Rechtsauße­n abzugrenze­n“, bedauert indes Marc Angel, EU-Parlamenta­rier der LSAP. Stattdesse­n „trägt sie dazu bei, Neo-Faschisten wie die Fratelli d’Italia weißzuwasc­hen, nur weil sie auf der internatio­nalen Bühne eine sympathisc­he Maske anziehen“. Diese Strategie sei ein Spiel mit dem Feuer, meint der wahrschein­liche Spitzenkan­didat der LSAP bei den EU-Wahlen. „Schaut man sich an, was diese Parteien auf nationaler und regionaler Ebene machen, dann sind sie alles andere als gemäßigt: Sie beschneide­n konsequent die Rechte der Ärmsten und Schwächste­n“.

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Foto: AFP Ursula von der Leyen ist die designiert­e Spitzenkan­didatin der Europäisch­en Volksparte­i (EVP).

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