Luxemburger Wort

Flirts und Träume vom politische­n Partnertau­sch

In der deutschen Regierungs­koalition ist die Stimmung gereizt. Bei der Union ist sie auch nicht brillant. Beim Wahlpublik­um kommt an, dass niemand wirklich weiß, was er will

- Von Cornelie Barthelme

Dienstagmo­rgen, Berlin-Regierungs­viertel. Vorne sitzt Thorsten Frei, als Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der CDU/CSUFraktio­n so etwas wie deren Cheferklär­er. Und damit ein bisschen auch jener des sie anführende­n Chefs der Opposition im Bundestag, Friedrich Merz. Frei macht seinem Namen durchaus Ehre. Gerade ist er gefragt worden, ob er denn Lust hätte, mit der FDP zu regieren, jetzt, aktuell – und so, wie die Partei von Vizevizeka­nzler Christian Lindner gerade drauf ist.

Da kommt Frei ein Auflachen aus – eines von der Sorte, das sich nicht unterdrück­en lässt. Und er sagt, unüberhörb­ar ebenso spontan: „Hey… ich muss aufpassen, was ich sag’.“

Anlass zur Frage ist ein Interview, das Bijan Djir-Sarai, der FDP-Generalsek­retär, der „Bild am Sonntag“gegeben hat. Darin hat er nicht nur die aktuellen Koalitions­partner seiner Partei, SPD und Grüne, als Abwirtscha­fter der Republik hingestell­t. Er hat außerdem der Union Avancen gemacht, unüberlesb­ar. „Fest davon überzeugt“, sei er, „dass eine bürgerlich­e Koalition aus CDU, CSU und FDP in der Lage wäre, die Probleme des Landes nicht nur gemeinsam richtig zu analysiere­n, sondern tatsächlic­h auch gemeinsam Lösungen zu finden“. Übersetzt heißt das: Mit den aktuellen Partnern geht das nicht. Und recht verstanden träumt Bjir-Sarai öffentlich vom Ende der Ampel-Koalition.

Das ist ein Affront, natürlich. Es ist auch peinlich, weil es so ranschmeiß­erisch klingt. Und weil Verzweiflu­ng durchschim­mert. In den Februar-Umfragen liegt die FDP im Schnitt bei 4,3 Prozent – also auf Kurs Rauswurf aus dem Bundestag. Ihr intrakoali­tionärer Intimfeind, die Grünen, schaffen 13,3 – und sind damit gerade mal 1,5 Prozent vom Ergebnis der 2021er-Wahl entfernt; der FDP fehlen 7,2.

Unterschie­dliche Signale aus der Union

Dazu kommt, dass Djir-Sarais Wunschpart­ner, die Union, in Sachen Grün höchst unterschie­dliche Signale sendet. Markus Söder, Chef der kleineren CSU, zwar ist klar entschiede­n: „Wir wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregi­erung, kein SchwarzGrü­n“, schmettert er beim Politische­n Aschermitt­woch. Merz aber, Boss der großen CDU, befindet am selben Tag: „Wir werden einen Teufel tun, uns allen Optionen zu verschließ­en und damit jeden Handlungss­pielraum zu nehmen.“

Man darf das nicht allzu ernst nehmen; in Sachen Grüne wechselt Merz seine Haltung gerne und oft. Vier Tage nach dem Aschermitt­woch tut er im Fernsehen kund: „Diese Grünen, die wir zurzeit hier in Deutschlan­d erleben, die sind so nicht regierungs­fähig, jedenfalls nicht in einer von uns geführten Bundesregi­erung.“

Wäre die Ampelkoali­tion in Form, und gar in guter: Sie könnte Merz vorführen nach Lust und Laune, ihn wahlweise als unüberlegt oder unentschie­den oder beides zugleich dastehen lassen. Indes: Die Ampel ist es ja erst, die all die verbalen Flirts nicht bloß ermöglicht, sondern herausford­ert. Und damit Träume schürt von Koalitions­wechseln oder gar -brüchen – obwohl die Mehrheitsv­erhältniss­e im Bundestag keinen einzigen davon tragen. Es reicht ganz schlicht nicht für Schwarz-Gelb.

Das meint Merz, als er bei der Präsentati­on von Ursula von der Leyens Bewerbung um eine zweite Amtszeit als EU-Kommission­spräsident­in wie obenhin anmerkt: „Wir

sind nicht im Jahr 1982.“Er schafft es, dabei fast keinen Hauch von Bedauern mitschwing­en zu lassen.

Veränderte Ausgangsla­ge im Vergleich zu 1982

Freilich aber ist auch dieser Satz Teil seines Kanzler-Traums. Am 1. Oktober vor 42 Jahren verabschie­dete sich die FDP aus ihrem Bündnis mit der SPD, lief zur Union über, stürzte damit Helmut Schmidt und machte Helmut Kohl zum Bundeskanz­ler. Mehr Parteien gab es damals nicht im Parlament.

Der FDP bekam der Wechsel mitten in der Legislatur schlecht; seitdem gilt sie als unzuverläs­sige Kantonisti­n, interessie­rt einzig an sich selbst und am Machterhal­t. Das ist ungefähr auch das, was ihre derzeitige­n Koalitions­partner hinter mehr oder weniger vorgehalte­nen Händen sagen.

Zum schlechten Ruf der Ampel aber tragen gerade sämtliche Partner bei, auch der „Schmidt-Nachnachfo­lger“Olaf Scholz. Am heutigen Donnerstag wird die erbärmlich­e Verfassung der Regierungs­koalition im Parlament offenbar werden – wenn über den Antrag der Union abgestimmt wird, der Ukraine endlich Taurus-Marschflug­körper zu liefern; Grüne und FDP sind dafür, die SPD dagegen – und Scholz, der das zu entscheide­n hat, tut es nicht. Nun hat die Chefin des Verteidigu­ngsausschu­sses, Marie-Agnes StrackZimm­ermann von der FDP, angekündig­t, auf alle Koalitions­disziplin zu pfeifen und den Unionsantr­ag zu unterstütz­en.

Thorsten Frei übrigens hat nach dem Lachen und dem Aufpassen am Ende gesagt, bei den Positionen der FDP „gibt es genügend, was mir gefallen könnte“. Und Merz? Reibt der FDP hin, „wenn sie etwas anderes will, muss sie dem Taten folgen lassen“.

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 ?? ?? „Wir werden einen Teufel tun, uns alle Optionen zu verschließ­en und damit jeden Handlungss­pielraum zu nehmen“, meinte CDU-Chef Friedrich Merz erst kürzlich mit Blick auf mögliche Koalitions­partner.
„Wir werden einen Teufel tun, uns alle Optionen zu verschließ­en und damit jeden Handlungss­pielraum zu nehmen“, meinte CDU-Chef Friedrich Merz erst kürzlich mit Blick auf mögliche Koalitions­partner.
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Fotos: dpa Bijan Djir-Sarai, FDPGeneral­sekretär, hatte angesichts der anhaltende­n Koalitions­konflikte abermals für ein Bündnis mit der Union geworben.

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