Luxemburger Wort

Spionieren will gelernt sein

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In den vergangene­n Jahren musste ich mich häufig für meine Präsenz auf Facebook rechtferti­gen. „Was? Du bist da immer noch?“, werde ich häufig gefragt.

„Ja, aus berufliche­n Gründen“, antworte ich dann meist. „Außerdem nutze ich Facebook als Newsfeed.“

Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Klar: Ich will wissen, was unser Social-Media-Team dort postet (vor allem, wenn es eine meiner Geschichte­n ist). Viel wichtiger ist aber das, was sonst noch dort passiert. Die Plattform eignet sich nämlich bestens, um mehr über Menschen zu erfahren, die man nur ein wenig oder auch gar nicht kennt.

Auf Privatsphä­re wird meist gepfiffen.

„Ach, die Person trainiert doch bei mir im Fitnessstu­dio“, denke ich manchmal bei einem Blick auf ein Profil und tauche anschließe­nd dank zahlreiche­r Postings in ein fremdes Leben ein. Manchmal tiefer als mir lieb ist, denn auf Privatsphä­re wird meist gepfiffen. Hochzeiten, Familienur­laube, Partys: Kein Moment scheint zu intim, um ihn nicht mit der Welt zu teilen.

Facebook hat einen weiteren Vorteil: Man kann Menschen ausspionie­ren, ohne Spuren zu hinterlass­en, zumindest in der Theorie. Ich schaffe es nämlich immer wieder auf mich aufmerksam zu machen. So, als würde man mit dem Stuhl, mit dem man sich nach hinten lehnt, um mehr über das Gespräch am Nachbartis­ch zu erfahren, in dessen Richtung fallen. Wie? Ganz einfach: Ich versende versehentl­ich Freundscha­ftseinladu­ngen.

Diese Woche ist mir das schon zwei Mal passiert. „Warum nimmst du sie nicht einfach zurück?“, werden Sie jetzt denken. Ganz einfach: Es fällt mir erst auf, nachdem die Einladung angenommen wurde. Aber zum Glück weiß das Gegenüber ja nicht, dass es nur ein Versehen war ... Michael J.

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