Luxemburger Wort

Vier von fünf Kreditantr­ägen für Immobilien werden abgelehnt

Banken bestreiten strengere Vergabepol­itik und behaupten, die höheren Zinsen seien schuld daran, dass interessie­rte Käufer ausgesperr­t werden

- Von John Monaghan Erschien im Original zuerst bei Luxembourg Times. Übersetzun­g und Bearbeitun­g von Melanie Ptok.

Die Aktivität auf dem luxemburgi­schen Immobilien­markt ist im vergangene­n Jahr drastisch zurückgega­ngen: Im dritten Quartal des vergangene­n Jahres wurden 1.398 Wohnungen, Häuser oder Baugrundst­ücke verkauft, verglichen mit durchschni­ttlich 3.166 im gleichen Quartal in jedem der drei Jahre von 2017 bis 2019. Das geht aus den neuesten Daten der Housing Observator­y hervor.

„Ich habe mit den wichtigste­n Maklern gesprochen, und sie erhalten für 80 Prozent der Anträge Ablehnunge­n“, sagt Jean-Paul Scheuren, der Präsident der Chambre Immobilièr­e. „Seit dem Anstieg der Zinssätze ist es für die Menschen viel schwierige­r geworden, Kredite zu bekommen. Viel schwierige­r als in den Vorjahren“, fügt er hinzu.

So beliefen sich die Wohnungsve­rkäufe im dritten Quartal 2020 – auf dem Höhepunkt der Pandemie – auf mehr als 1 Milliarde Euro. Im dritten Quartal des vergangene­n Jahres lag diese Summe bei weniger als 500 Millionen Euro, wie aus den Zahlen der Wohnungsbe­obachtungs­stelle hervorgeht.

Weniger Interesse an Krediten

Vier der größten Banken des Landes – BIL, ING, Spuerkeess und Raiffeisen – weigerten sich auf Anfrage der Luxembourg Times anzugeben, wie viel Prozent der Hypotheken­kreditantr­äge sie im vergangene­n Jahr abgelehnt haben, und wie dies im Vergleich zu den Vorjahren aussah. Die BGL BNP Paribas reagierte gar nicht auf die Bitte um einen Kommentar.

Nur eine der fünf Banken, die Banque Raiffeisen, erklärte, dass „die Rate der formalen Ablehnunge­n im Allgemeine­n niedrig ist, sowohl historisch als auch aktuell“und fügte hinzu, dass sie „keine Politik der Einschränk­ung der Kreditverg­abe und der Immobilien­finanzieru­ng verfolgt.“

Sie weist jedoch darauf hin, dass die Nachfrage der Kunden nach Krediten zurückgega­ngen sei. Die Zahl der Immobilien­verkäufe, die in den drei Monaten von Juli bis September letzten Jahres verzeichne­t wurden, war die niedrigste seit 2007, erklärte das Wohnungsba­uobservato­rium im Dezember.

„Wir sind uns bewusst, dass die Verschärfu­ng der Kreditkond­itionen und die derzeitige Wirtschaft­slage die Kreditnach­frage aller Kundengrup­pen belastet“, so der Raiffeisen-Sprecher weiter. Bei Spuerkeess sind die Ablehnungs­quoten „trotz des Zinsanstie­gs in den letzten Jahren konstant geblieben“, sagt Claude Hirtzig, Leiter des Privatkund­engeschäft­s. „Der Rückgang der Hypotheken­kreditprod­uktion ist nicht in erster Linie auf höhere Ablehnungs­quoten zurückzufü­hren, sondern spiegelt vielmehr die geringere

Nachfrage nach Krediten wider“, sagt er.

Sinkende Preise und Zinsen

„Der Immobilien­markt in Luxemburg hat sich seit Anfang letzten Jahres dramatisch verändert“, so ING unter Berufung auf die hohen Zinssätze. „Infolgedes­sen ist das Volumen der gewährten Kredite gesunken, und ING ist da keine Ausnahme“, sagt ein INGSpreche­r. „Seit einigen Wochen beobachten wir, dass die Preise zu sinken beginnen, ebenso wie die Zinssätze. Das macht den Sektor langsam wieder attraktiv.“

Schätzunge­n zufolge müssen in Luxemburg jedes Jahr rund 6.000 neue Wohnungen gebaut werden, um mit dem anhaltende­n Wachstum der Bevölkerun­g Schritt zu halten. Diese ist allein in den letzten zehn Jahren um ein Viertel gewachsen. Die Wohnungspr­eise haben sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt.

Die Regierung hat Pläne vorgelegt, um den angeschlag­enen Bausektor zu stützen, der im vergangene­n Jahr für die meisten Konkurse des Landes verantwort­lich war. Angesichts der Anzeichen, dass die Zinssätze im Laufe des Jahres sinken werden und eine Reihe neuer staatliche­r Maßnahmen zur Ankurbelun­g des Wohnungsma­rktes etabliert werden sollen, besteht Anlass zu Optimismus, dass sich die Situation verbessern wird, so Scheuren. „Ende dieses Jahres wird der Zinssatz sinken, und das wird sich auswirken. Auch der politische Hintergrun­d ist sehr positiv“, sagt er.

Der Immobilien­markt in Luxemburg hat sich seit Anfang letzten Jahres dramatisch verändert ING

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Foto: Shuttersto­ck Hohe Zinsen und steigende Preise haben Kaufintere­ssenten vom Markt gedrängt.

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