Red Lion feiert bei der Berlinale Weltpremiere
Die Luxemburger Koproduktion „Black Tea“steht im Fokus des Rennens um den Goldenen Bären
Es ist endlich so weit: Die Luxemburger Produktionsfirma Red Lion hat sich nach dem Tod von Mitbegründer Pol Cruchten zurückgekämpft. Einst wagte der Luxemburger Regisseur und Produzent den Brückenschlag zu dem Regisseur Abderrahmane Sissako. Und doch sollten nun seine Erben, die Produzenten Jeanne Geiben und Vincent Quénault, diesen Kontakt intensivieren und ein gemeinsames Projekt ohne ihren Mitgründer auf den Weg bringen. Und genau diesem Film, „Black Tea“, gelang nun der Sprung in den Hauptwettbewerb der Berlinale 2024.
Offiziell liegt die Galavorstellung zum Film am späten Abend des Berlinale-Mittwochs – doch die Presse bekam schon die Möglichkeit, in den Film hineinzuschauen. Schon an dem langen Intro, in dem alle Partner mit ihren Jingles vorgestellt werden, zeigt sich, wie viel Herzblut auch der Filmförderer quer über den Erdball hier zugrunde liegt.
Zehn Jahr nach dem Erfolg von „Timbuktu“, der 2014 im Wettbewerb von Cannes lief und 2015 als „Bester Film“mit dem französischen Césars ausgezeichnet wurde, vertrauten ganz unterschiedliche Partner auf diese neue Filmidee, die der Mauretanier da auf der Leinwand vorhatte. So sehr, dass die Filmförderung in Luxemburg sie bei einem Budget von 6,36 Millionen Euro immerhin mit 1,5 Millionen Euro unterstützte.
Wie der Direktor des Luxemburger Filmfunds Guy Daleiden beim Empfang des Großherzogtums in der Berliner Botschaft betonte, sei das auch wichtiges Invest. Nicht nur, um Luxemburger Spitzenkräfte wie den Tonspezialisten Carlo Thoss international als Trumpf für die Filmszene im Land zu spielen, sondern sich auch mit den Inhalten zu identifizieren. Hier geht es um Kino, das einen Austausch der Kulturen zelebriert – und gleichzeitig kulturelle Wunden, Sperren, Hemmnisse, Fehl- und Trugschlüsse aufwirft. „Es ist doch schon ein Zeichen an der Basis, dass ein Film zwar in China spielt, aber in Taiwan gedreht werden musste“, betonte Daleiden.
Und Sissako selbst? Er habe ein Thema aufgegriffen, das er für grundlegend halte: Begegnungen. „Was die kulturelle Identität betrifft, so erforsche ich nie Charaktere, die durch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Menschen definiert sind. Ich habe das Gefühl, dass diejenigen, die weggehen, geistig schon lange vor ihrer eigentlichen Reise weg sind“, sagte er in einem von den Produktionsfirmen zur Verfügung gestellten Interview zum Film.
„Freiwilliges Verlassen und Exil haben etwas Interessantes über Identität zu sagen. Und für mich ist das Kino eine Möglichkeit, das auszudrücken. Vor allem in ,Black Tea’, in dem ich erkläre, dass die Menschen, egal, woher sie kommen, den gemeinsamen Wunsch haben, ein glückliches Leben zu führen und andere zu verstehen und zu begreifen. Das ist auch bei Aya und Cai der Fall“, fügte Sissako hinzu.
Begegnungen weit jenseits von Europa – und doch universell lesbar
Aya und Cai – gespielt von Nina Mélo (Aya) und Chang Han (Cai) – sind das Pfeilerpärchen, um den sich der Film mit seinen Untergeschichten entspinnt. Denn Sissako legt ein breites Portfolio an Figuren vor, an denen er sehr individuelle Lebensentwürfe und Lebensträume illustriert. „Ich habe fünfzehn Jahre gewartet, um diesen Film zu machen. Er existiert seit 2007 in meinem Kopf. Der Erfolg von ,Timbuktu’ hätte es mir ermöglicht, ihn zu machen, aber in der Zwischenzeit musste er reifen“, sagt Sissako.
Die Handlung laut den Produktionsfirmen: „Nachdem sie an ihrem Hochzeitstag ,Nein’ gesagt hat, verlässt Aya die Elfenbeinküste und beginnt ein neues Leben in der quirligen ,Chocolate City’ in Guangzhou, China. In diesem Viertel, in dem die afrikanische Diaspora auf die chinesische Kultur trifft, wird sie in einer Teehandlung angestellt, die Cai, einem Chinesen, gehört. In der Abgeschiedenheit des Ladens beschließt Cai, Aya in die Teezeremonie einzuweihen. Durch die Unterweisung in dieser alten Kunst entwickelt sich ihre Beziehung langsam zu einer zärtlichen Liebe. Doch damit sich ihre aufkeimende Leidenschaft auf Vertrauen stützen kann, müssen sie sich von ihren Lasten befreien und sich ihrer Vergangenheit stellen.“
Die Bilder wirken ungemein schön; manchmal schon so schön, dass sie irreal wirken. Die Kamera nutzt eine große Ruhe, das Spiel wirkt so fast aus der Zeit oder aus einer chinesischen Metropole gefallen. Die Kostüme, insbesondere der weiblichen Darstellerinnen, sind schillernde Statements der Kulturen.
Funktioniert dieser Film im Kino? Mit seinen örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen Wechseln, die Sissako mit Bedeutungen auflädt, ist es jedenfalls nicht einfach, ihm und seiner Filmsprache zu folgen. Was aber nicht heißt, dass der Film keine Kraft hätte – im Gegenteil. Seine Stärke liegt in seiner Universalität, dem Selbstbewusstsein seiner Charaktere, seinem Brückenschlag und seiner schlicht handwerklichen Schönheit.
Oder wie Sissako sagt: „Ich habe diesen Film nie in Bezug auf den Drehort gese
Vor allem in ,Black Tea’, in dem ich erkläre, dass die Menschen, egal woher sie kommen, den gemeinsamen Wunsch haben, ein glückliches Leben zu führen und andere zu verstehen und zu begreifen. Abderrahmane Sissako, Regisseur
hen, sondern als eine Möglichkeit, meine Figuren zu betrachten. [....] Wir deuten an, dass wir uns in Afrika befinden, ohne jedoch sagen zu können, wo genau. Das Gleiche gilt für die Übergangsszene: Aya wechselt auf einen Schlag von einer afrikanischen zu einer chinesischen Straße. Was zählt, ist nicht der Ort, sondern dass der Gang der Frau der gleiche bleibt. Dass sie eine Freiheit beansprucht, die sich nicht auf ein bestimmtes Land beschränken lässt.“
Und er fügt hinzu: „Indem Aya ihre Umgebung beobachtet, erschafft sie die Welt, in der sie lebt. Der Ort, an dem ,Back Tea’ spielt, hat keine Bedeutung mehr. Am wichtigsten war es mir, die Quasi-Symmetrie der Gesten von Aya und Cai auf Film zu ban
nen, um zu zeigen, wie viel sie gemeinsam haben. Das ist eines der ersten Dinge, die mir für diesen Film vorschwebten, und ich habe mit meinem Kameramann viel mehr darüber gesprochen als darüber, wo wir drehen könnten. Trotzdem konnte ich mich von bestimmten Aspekten der chinesischafrikanischen Beziehungen nicht ablenken lassen: Ich möchte, dass mein Film seinem Ziel treu bleibt, über Afrika zu sprechen, wie es im Verhältnis zum Rest der Welt existiert. Das hindert den Film aber nicht daran, das neue China zu zeigen.“
Zu sehen ist der Film dann demnächst nicht nur beim LuxFilmFest, sondern auch im Regelkinoprogramm des Großherzogtums.