Luxemburger Wort

Die „Diva der Morgenstil­le“singt beim Echter'Jazz-Festival

Morgen tritt die südkoreani­sche Sängerin Youn Sun Nah in Echternach auf. Das Festival verspricht ab heute und bis Samstag drei Tage Musikvergn­ügen

- Von Marc Thill

2018 war Youn Sun Nah zuletzt in Luxemburg, und zwar mit „She Moves On“, einem Album, in dem sich die südkoreani­sche Jazzsänger­in ganz überrasche­nd dem Pop und Rock zugewandt hatte. Nun kommt sie nach Echternach ins Trifolion, wo sie an diesem Freitag beim Echter’Jazz Festival auf der Bühne stehen wird. Zwei Tage zuvor, am vergangene­n Dienstag, erreichten wir sie über ihr Handy in der rumänische­n Hauptstadt Bukarest, wo sie noch am selben Abend ein Konzert hatte.

„Wie ist das Wetter in Luxemburg?“, fragte sie. „Eher grau“, lautete die Antwort. Darauf sie: „Ich glaube, zu dieser Jahreszeit ist es überall in Europa grau.“Ein leichtes Bedauern klingt in ihrer Stimme mit. „Ich freue mich auf Luxemburg“, fügt sie dennoch hinzu.

Mindestens fünfmal war die stimmstark­e und überrasche­nd wandlungsf­ähige Interpreti­n hierzuland­e, trat in der Philharmon­ie, aber auch opderschme­lz in Düdelingen auf, einem Kulturhaus, das ganz besonders auf Jazz-Musik spezialisi­ert ist. Diesmal aber hat das Trifolion in Echternach sie für sein Jazz-Festival gebucht, das an diesem Donnerstag mit Anne Paceo und ihrem Projekt S.H.A.M.A.N.E.S. sowie mit dem Thierry Maillard Ensemble beginnen wird.

Von dieser Big Band mit starker weiblicher Gesangsbes­etzung – gleich 14 Musikerinn­en stehen auf der Bühne – gibt es sogar eine Brücke zu Youn Sun Nah am Tag darauf. Sie wird nämlich Lieder von Frauengesa­ngsstimmen aus ihrem Album „Elles“vortragen. Ihr neuestes Opus ist Anfang Januar erschienen und umfasst Songs, die die Sängerin ganz besonders ins Herz geschlosse­n hat und die halt alle auch von Frauen gesungen wurden: Nina Simone, Björk, Grace Jones, Edith Piaf … .

„Nachdem ich für mein letztes Album die meisten Lieder selbst komponiert hatte, dachte ich, es wäre nun an der Zeit für ein CoverAlbum“, erzählt die Sängerin, die nur vom serbischen Starpianis­ten Bojan Z. begleitet wird. „Ich hatte mir eine Liste mit Songs erstellt, um die 50 Lieder, und als ich die dann gekürzt hatte, stellte ich fest, dass fast nur Lieder dabei waren, die von Frauenstim­men gesungen wurden.“Youn Sun Nah hat sich dann für zehn Songs entschiede­n, zu denen sie eine persönlich­e Verbindung spürt: „Mit allen assoziiere ich eine lebhafte Erinnerung und habe auch das Gefühl, dass ich selbst sie lebendig vortragen kann.“Ist es ihre ganz persönlich­e Hommage an die ganz großen Frauenstim­men des Jazz und des französisc­hen Chansons? „Ja, an alle, die mich immer wieder ermutigt haben, selbst Lieder zu schreiben und zu singen“, sagt Youn Sun Nah. Edith Piaf hat sie mit ihren Chansons nach Paris gelockt, mit Björk fand sie in die Popmusik.

Youn Sun Nah wird auch die „Diva der Morgenstil­le“genannt. Südkorea gilt als das Land der Morgenstil­le. Geboren 1969, ist sie mit Klassik und traditione­ller Musik aufgewachs­en. Ihre Eltern waren beide Sänger, ihr Vater Chorleiter, ihre Mutter Musicaldar­stellerin. „Ich war umgeben von Musik, ich hörte viel Chorgesang, aber dank meiner Mutter auch die Broadway-Musicals“, erzählt sie und betont: „Ja, ich hatte viel Glück, es war eine große Chance für mich, in einem solchen Umfeld aufzuwachs­en.“

Früh begann sie dann auch mit dem Singen. In Korea ist das normal, jeder singt dort – das Land ist die Heimat des Karaoke. Als 13-Jährige stand Youn Sun Nah bereits mit dem Korean Symphony Orchestra auf der Bühne. Gesang blieb aber nur ihr Hobby – sie studierte zunächst französisc­he Literatur. Nach Anfängen im Gospelgesa­ng war sie vor allem fasziniert vom Jazzgesang und vom französisc­hen Chanson. „Ein Musiker in Südkorea hatte mir Jazzmusik empfohlen, ich kannte das damals nicht, und fragte ihn, was das sei. Er erklärte mir, Jazzmusik stehe am Beginn der Pop- und Rockmusik, und meinte, wenn ich das beherrsche, dann könne ich alles andere auch singen.“

1995 zog Youn Sun Nah nach Paris und studierte mit 26 Jahren am Centre d’Informatio­ns Musicales Jazzgesang. Nach dem Studium kehrte sie mit einem halbfertig­en Album im Gepäck nach Hause, und konnte es mithilfe ihrer Eltern fertigstel­len. Noch fehlte aber ein Label. Sony sagte zu: „Reflet“(2001) wurde ihr erstes Werk. Weitere folgten, unter anderem „Light for the people“, „So I am“, „Voyage“, „Lento“, „She Moves On“, „Immersion“…

Sie war auf allen großen Jazz-Festivals der Welt zu Gast und singt – voluminös und sensibel, eindringli­ch und berührend, sinnlich und mysteriös – auch von allem. Ihr Repertoire ist breitgefäc­hert: Tom Waits, Sting, Pink Floyd, Metallica, Nine Inch Nails und, und, und …

Mittlerwei­le ist ihr Leben ein Hin und Her zwischen Paris, New York und Seoul. Manchmal hat sie bis zu 21 Konzertabe­nde im Monat. „Zu Weihnachte­n mache ich immer eine Tournee in Südkorea“, sagt Youn Sun Nah – sie will dann auch mal nach Hause. Bei ihren Konzerten vergisst sie auch nie ihr Herkunftsl­and und dessen Kultur. Jedes Mal, wenn sie singt, sind immer auch ein oder zwei Südkoreane­r im Publikum. Sie singt dann „Arirang“, ein traditione­lles koreanisch­es Lied, das für ihre Landsleute so wichtig ist, dass es zum UNESCO-Weltkultur­erbe gehört. Dann weinen die Koreaner im Saal.

 ?? Foto: Seung Yull Nah ?? Youn Sun Nah huldigt in ihrem neuen Album „Elles“ihren Wegbereite­rinnen. Mit allen Frauenstim­men, die sie für ihr das Album zurückbeha­lten hat, assoziiert die Sängerin aus Südkorea eine lebhafte Erinnerung.
Foto: Seung Yull Nah Youn Sun Nah huldigt in ihrem neuen Album „Elles“ihren Wegbereite­rinnen. Mit allen Frauenstim­men, die sie für ihr das Album zurückbeha­lten hat, assoziiert die Sängerin aus Südkorea eine lebhafte Erinnerung.

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