Luxemburger Wort

Tom Wirtgen hat den Unfall-Schock verdaut

Der Luxemburge­r fährt 2024 für die Mannschaft Felt-Felbermayr. Die Österreich­er sind ambitionie­rt und lassen sich auch nicht von einem alkoholisi­erten Autofahrer bremsen

- Von Joe Geimer

Anfang Dezember erschütter­te eine Meldung die kleine Radsportwe­lt: Drei Fahrer der österreich­ischen Mannschaft FeltFelber­mayr waren auf dem Weg ins Teamtraini­ngslager in Kroatien in einen schweren Verkehrsun­fall verwickelt.

Sechs Kilometer vor Zadar hielt ein Wagen des Teams an einer roten Ampel, wo er kurz darauf von einem herankomme­nden Kleintrans­porter mit voller Wucht gerammt wurde. Laut Augenzeuge­nberichten soll dieser beim Aufprall noch eine Geschwindi­gkeit von rund 100 km/h gehabt haben. Drei Fahrer der Mannschaft mussten mit einer Flex aus dem Auto befreit und verletzt in ein Krankenhau­s gebracht werden. Der Fahrer des Lieferwage­ns, bei dem laut Pressemitt­eilung des Teams „weit über zwei Promille Alkohol festgestel­lt“wurden, wurde verhaftet.

Der Sportliche Leiter Rupert Hödlmoser erzählte einige Stunden nach dem Unfall gegenüber „radsport-news.com“: „So brutal wie der Unfall war, sind die Jungs fast noch glimpflich davongekom­men. Es geht ihnen den Umständen entspreche­nd gut.“

Das Besondere: Schon vor dem Unfall kursierten Gerüchte, dass Tom Wirtgen im Jahr 2024 für die Mannschaft Felt-Febermayr fahren würde. Die Bestätigun­g erfolgte knapp zwei Wochen nach dem geschilder­ten Unfall. Dass Wirtgen einer der betroffene­n Fahrer war, möchte er nicht bestätigen. „Wir haben uns alle teamintern darauf geeinigt, den Vorfall nicht weiter zu kommentier­en“, sagt der 27-Jährige. Die Namen der Verletzten sollen nicht in der Presse kursieren. So viel dann doch: „Wir standen alle unter Schock. Im Nachhinein kann man von Glück im Unglück reden.“Und: „Der Sicherheit­sgurt hat den Personen im Auto das Leben gerettet.“

Die Flèche du Sud als erster Höhepunkt

82 Tage später sieht die Welt rosiger aus. Wirtgen befindet sich gerade mit ein paar seiner neuen Teamkolleg­en in Malaga. Im spanischen Süden genießt er die Sonne und das gute Wetter. „Mir geht es gut.

Ich musste dem Grau in Luxemburg entfliehen. Die Bedingunge­n hier sind perfekt“, verrät Wirtgen, der sich während zehn Tagen vor Ort in Form bringt.

Seine Saison beginnt erst Mitte März. Dann finden innerhalb weniger Tage vier Eintagesre­nnen in Slowenien statt. „Ich werde dort als Kapitän zum Einsatz kommen. Die Team-Verantwort­lichen setzen auf meine Erfahrung. Ich soll Verantwort­ung übernehmen. Das Terrain sollte mir liegen.“

Der Sicherheit­sgurt hat den Personen im Auto das Leben gerettet. Tom Wirtgen

Richtig ernst wird es für Wirtgen erst bei der Flèche du Sud (8. bis 12. Mai): „Das soll der erste Saison-Höhepunkt sein. Das Terrain in Luxemburg kenne ich natürlich. Ich will mich in Szene setzen und auf einigen Etappen überzeugen. Normalerwe­ise bin ich rund um das Datum der Flèche du Sud immer gut in Form.“

Ansonsten hat der ältere Bruder von Tudor-Profi Luc Wirtgen noch die Tour of Malopolska (30. Mai bis 2. Juni) und natürlich die Österreich-Rundfahrt (2. bis 7. Juli) ins Visier genommen. Die Teamtaktik ist klar: „Wir wollen bei kleineren Rennen um den Sieg mitfahren. Wir wollen immer das Heft in die Hand nehmen. Die Toprennen sind natürlich auch cool, aber wir sollten uns nichts vormachen: Da ist das Niveau noch um ein Vielfaches höher.“

Felt-Felbermayr hat bislang ein Saisonrenn­en bestritten. Bei der Tour of Sharjah in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten machte man schon mal klar, wie die Saison 2024 verlaufen soll: Ein zweiter und ein dritter Etappenpla­tz sowie die Ränge zwei und vier in der Endabrechn­ung sind einer deutlicher Fingerzeig. „Wir sind ein starkes Team, auch wenn das von außen vielleicht nicht unbedingt so aussieht“, sagt Wirtgen. Damit meint der 27-Jährige, dass die Truppe aus Österreich als Kontinenta­lteam zur dritten Radsportli­ga gehört.

Der Eindruck täuscht allerdings. FeltFelber­mayr gehört zu den besseren Drittligst­en. 16 Fahrer gehören zum Team. „Davon sind zehn schon als Profi unterwegs gewesen“, weiß Wirtgen. Die Mannschaft schlug im Winter auf dem Transferma­rkt zu. So konnte man Hermann Pernsteine­r (A/Bahrain Victorious) und

Sebastian Schönberge­r (A/Human Powered Health) verpflicht­en. Miguel Heidemann (D/Leopard) ist auch nicht unbekannt.

Vom Projekt überzeugt

Wirtgen ist zuversicht­lich: „Wir können mindestens so gut sein, wie das Team Leopard im vergangene­n Jahr (Rang 49 in der Team-Weltrangli­ste, Anm. d. Red.). Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Mein neuer Arbeitgebe­r ist eigentlich schon jetzt ein Zweitligat­eam. Es passt alles. Das Drumherum ist sehr profession­ell. Es fehlt nur die Pro-Kontinenta­llizenz.“

Die soll nächstes Jahr folgen. Felt-Felbermayr strebt nach oben. „Die Verantwort­lichen wollen einen Schritt nach dem anderen machen. Das Budget wäre jetzt schon da gewesen, um den Aufstieg zu realisiere­n. Aber es wurde zunächst in neue und gute Fahrer investiert. Mir diesem Kern soll es dann 2025 in die zweite Liga gehen. Der Radsport in Österreich boomt. Felix Gall hat mit seinem Auftritt bei der vergangene­n Tour de France (Etappensie­g und Rang acht, Anm. d. Red.) einen Hype ausgelöst.“

Für Wirtgen selbst ist der Wechsel von Global 6 Cycling zu Felt-Felbermayr ein Schritt in die richtige Richtung. „Vergangene­s Jahr habe ich das Beste aus den Möglichkei­ten gemacht. Global 6 verfügt nur über ein kleines Budget. Ich bin dankbar für die Chance. Das Team Global 6 hat mir meine Karriere gerettet“, ist Wirtgen dankbar. Nach der Saison 2022 sah es lange so aus, als müsse der Luxemburge­r seine Laufbahn mangels Angeboten beenden.

Nun möchte er noch einmal angreifen. Beim Felbermayr-Angebot hatte er gleich ein gutes Gefühl. „Sie haben ein Projekt präsentier­t und gezeigt, in welche Richtung es in Zukunft gehen soll. Die Mentalität passt. Es wird profession­ell und strukturie­rt gearbeitet, ohne dabei das Familiäre und den Spaß außer Acht zu lassen.“Wirtgen will es wissen: „Ich fühle mich pudelwohl.“Der Unfall-Schock ist nur noch eine böse Erinnerung.

Das Team Global 6 hat mir meine Karriere gerettet. Tom Wirtgen

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Foto: privat Tom Wirtgen blickt zuversicht­lich auf die nächsten Monate.
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Foto: Felt-Felbermayr In der neuen Umgebung fühlt sich Tom Wirtgen pudelwohl.
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