Luxemburger Wort

„Die Komplexitä­t der Prozeduren stört uns“

Bürokratie­abbau und millionens­chwere Aufkäufe von Bauvorhabe­n sind zwei Wege, wie die Regierung um Premier Luc Frieden kurzfristi­g neue Wohnungen auf den Markt bringen will

- Von Ines Kurschat

Der Logementsd­ësch hatte noch gar nicht angefangen, da meldeten sich auf den sozialen Netzwerken schon kritische Stimmen zu Wort. Die sozialen Wohnungsag­enturen hatte als Erste bedauert, nicht zum Treffen ins Senninger Schloss eingeladen worden zu sein, auch die Gewerkscha­ften protestier­en.

„Ein Wohnungsba­u-Tisch ohne Gewerkscha­ften, Mieterschu­tz, SNHBM und Fonds du Logement ist wie eine Uhr ohne Zeiger – ohne Richtung und Orientieru­ng“, fasste der ehemalige Arbeitsmin­ister und LSAP-Abgeordnet­e Georges Engel die Kritik in einen Tweet. Der guten Laune von Premiermin­ister Luc Frieden (CSV) tat das keinen Abbruch, als er Donnerstag­mittag vor die versammelt­en Medienvert­reter trat. Die Gespräche zwischen der Regierung und Vertretern der Immobilien- und Baubranche sowie dem Gemeindesy­ndikat Syvicol seien in „extrem konstrukti­ver und angenehmer“Atmosphäre verlaufen. Alle verfolgten dasselbe Ziel – schneller mehr Wohnungen zu bauen und dies zu einem bezahlbare­n Preis.

Baugenehmi­gungen künftig zwei Jahre gültig

6.000 Wohnungen, so rechnet Frieden, braucht das Land, um die jährlich rund 12.000 neuen Einwohner, die oft für die Arbeit nach Luxemburg ziehen, angemessen zu beherberge­n. Sie zu bauen, so das Angebot an Wohnungen insgesamt zu erhöhen und Einfluss auf den Preis zu nehmen, sei nicht ohne die Privatwirt­schaft zu bewerkstel­ligen. Da sind sich CSV und DP einig. Hauptpiste, um die Bauvorhabe­n im Wohnungsma­rkt zu beschleuni­gen, ist für die Regierung ein mannigfalt­iger Bürokratie­abbau. Mannigfalt­ig, weil die „administra­tive Vereinfach­ung“gleich mehrere Ebenen einbeziehe­n soll. Das fängt bei der Dauer der bislang auf ein Jahr begrenzten Baugenehmi­gungen an. Sie will die Regierung auf zwei Jahre verlängern. „Damit der Bürger nicht mehr ewig auf etwas warten muss“, be

: Der Bürger soll nicht mehr ewig auf etwas warten müssen. Luc Frieden, Premiermin­ister zum Bürokratie­abbau

gründet Frieden diesen Schritt. Reagiert eine Gemeinde nicht binnen Frist, soll das Schweigen als Zustimmung gewertet werden. Noch steht die Frist nicht fest, im Gespräch sind vier Monate. Außerdem sollen Bauvorhabe­n schneller genehmigt werden.

Verhältnis­mäßigkeits­prüfung für Natur- und Umweltaufl­agen

Alle bei einem Bauvorhabe­n von Wohnungen involviert­en Verfahren sollen zudem einer gründliche­n Prüfung hinsichtli­ch, wie es Frieden nennt, ihrer Verhältnis­mäßigkeit unterzogen werden.

Dabei prüfen die Ministerie­n offenbar mit folgender Prämisse: Die vorige Regierung habe in diversen Fällen Vorgaben aus Europäisch­en Direktiven im Bereich Umwelt- und Klimaaufla­gen eher extensiv ausgelegt und entspreche­nd in nationale Gesetze gegossen. Die neue Devise unter CSV/DP scheint künftig zu sein: Nur noch so viel Umweltschu­tz wie nötig respektive von Brüssel vorgeschri­eben.

Bemerkensw­erterweise sind einige Aussagen Friedens fast deckungsgl­eich mit denen der Vertreter der Baubranche: Frieden will, dass auf ausgewiese­nem Bauland gebaut werden kann, ungeachtet dessen, ob nach längerem Brachliege­n Hecken oder sonstige Biotope darauf gewachsen sind. Das klingt nicht viel anders, als was UEL-Präsident Michel Reckinger dem „Wort“einen Tag vor dem Logementsd­ësch erklärt hatte: „Wo Baugrundst­ück draufsteht, muss gebaut werden können.“Wie genau dieser „Natur auf Zeit“-Ansatz geregelt werden soll, erläuterte Frieden aber nicht. Die Bestimmung­en zur Finanzieru­ng von Bankkredit­en sollen ebenfalls genauer überprüft werden. Bisher liegt der Anteil, mit denen größere Wohnprojek­te vorzufinan­zieren sind, bei 80 Prozent, eine Überlegung ist, diese auf 60 oder 70 Prozent herabzusen­ken – und somit Bauvorhabe­n schneller voranzubri­ngen.

Arbeitsgru­ppe zu Bürokratie­abbau, kein zweiter Logementsd­ësch

Die Überlegung­en sollen ab sofort in einer Arbeitsgru­ppe bis Ende Mai vertieft werden. Deren Zusammense­tzung dürfte wiederum auf Kritik stoßen: In der Arbeitsgru­ppe sind die Vertreter vorgesehen, die jetzt schon am Logementsd­ësch dabei saßen. Eine zweite Beratungsr­unde hält Luc Frieden für nicht mehr nötig. Danach sei es an Regierung und Chamber, sich mit den Vorschläge­n zu befassen und daraus Schlussfol­gerungen zu ziehen.

Ein weiterer Ansatz ist, die Ausschreib­ungsverfah­ren zu straffen, das dürfte indes nicht so einfach sein – die Regeln sind teils durch europäisch­e Richtlinie­n vorgegeben. Jeder Ressortmin­ister, in dessen Kompetenz Prozeduren zum Wohnungsba­u liegen, soll diese ebenfalls auf ihre Proportion­alität hin überprüfen. Dies ebenfalls bis Ende Mai, damit die Regierung danach „Schlussfol­gerungen ziehen kann“, so Frieden, der zur Eile mahnt: „Die Krise ist groß“.

Der Staat wird zudem auch kurzfristi­g direkt in den Wohnungsba­umarkt eingreifen, indem er größere Wohnungspr­ojekte von privater Hand aufkauft. Noch diese Woche sollen Verträge für rund 100 Millionen Euro und 170 Wohnungen von der öffentlich­en Hand aufgekauft werden. Insgesamt will der Staat in dieser Legislatur­periode weitere 500 Millionen investiere­n und damit 800 zusätzlich­e Wohnungen auf den Markt bringen. Außerdem sollen diesbezügl­iche Private-PublicPart­nerships verstärkt geprüft werden.

Wo Baugrundst­ück draufsteht, muss gebaut werden können. Michel Reckinger, UEL-Präsident

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 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Premiermin­ister Luc Frieden informiert die Medien über die Beratungen am Logementsd­ësch im Senninger Schloss.
Foto: Gerry Huberty Premiermin­ister Luc Frieden informiert die Medien über die Beratungen am Logementsd­ësch im Senninger Schloss.

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