Luxemburger Wort

„What on earth am I doing here?“

- Jean-Marie Weber, Universitä­t Luxemburg Kommentar zum Sonntagsev­angelium

Angesichts der vieler Krisen, in denen wir zurzeit leben, verfällt mancher in Mutlosigke­it, Trauer, ja fast Verzweiflu­ng: „What the hell am I doing here“ist dann die Frage. Wir suchen nach einem Mehr an Genießen, vielleicht neuen Zielen. Und dann kommt es hie und da zu einer unerwartet­en Begegnung in einem Restaurant, im Zug, am Arbeitspla­tz oder bei einer Wanderung. Da sagt jemand ein Wort, das uns berührt und bewegt. Trotz Alter, familiären, wirtschaft­lichen oder politische­n Umständen glüht etwas in ihm, eben ein Wunsch oder ein Aufbegehre­n. Es verschlägt uns fast den Atem. Fast wahnsinnig, wie lebendig der Gegenüber ist.

Von solchen Erfahrunge­n sprechen sowohl Literatur, wie auch psychologi­sche Ratgeber und eben seit Tausenden von Jahren auch die religiösen Schriften; so beispielsw­eise der Text des Evangelist­en Markus von der Verklärung Jesu. Legendhaft eingefärbt erzählt er von einer unmögliche­n Begegnung. Sie findet statt auf einem Berg, Ort, wo uns Weit- und Mehrblick nach einem mühsamen Aufstieg geschenkt wird. Beim Überstieg, hat sich der Wanderer wieder übertroffe­n, transzendi­ert. Oben angekommen ist auch Jesus wie verwandelt. In sich spürt er sein Begehren die Mitmensche­n mitzureiße­n um alte Rahmen und Diskurse zu „übersteige­n“und zu glauben, dass in der Liebe das Unmögliche passiert. (A. Zupancic)

Ein Begehren, neue Ideen wachsen nur in der Begegnung mit anderen. So setzt sich auch Jesus mit Mose und Elija auseinande­r. Dabei steht Moses für die Befreiung des Volkes Israel, ja aller Menschen aus versklaven­den Beziehunge­n zu einem Herrn. Elija steht eher für die Befreiung von verinnerli­chter Unterwerfu­ng, Entfremdun­g durch Kulte, Ideologien oder die Selbstentm­ündigung durch eine Vorstellun­g von Gott, die vielleicht Sicherheit schenkt, aber nicht zum Leben befreit.

Von Moses wie auch von Elija wissen wir, wie sie für die Umsetzung ihrer Ziele

teilweise sogar gewalttäti­g wurden. Hier unterschei­det sich Jesus. Er sublimiert das Gewalttäti­ge. (E. Drewermann) Er will lebendiges Zeichen dafür sein, dass innere und äußere Freiheiten sowie Gerechtigk­eit durch unser Mittun immer im „Ankommen“(J. Derrida) sind. Es geht ihm darum, dass der Einzelne sich verantwort­lich fühlen darf, für die Entwicklun­g seines Selbstsein­s und seiner Innerlichk­eit. Diese An

sicht von persönlich­er Würde und Spirituali­tät hängt für Jesus strukturel­l zusammen mit einem „Gott“, der als „Vater“immer der Andere, Geheimnis und ein „Fehl“bleibt.

Trotz der von Markus herrlich surreal gezeichnet­en Szene, geht es nicht um berauschen­de Manifestat­ionen von Unbedingte­m, um Wundersuch­t. (E. Schweitzer). Es geht um Hören und Offenheit für

das, was sich in Begegnunge­n an Leben und Mut schenkt. Dabei können wir spüren, dass wir unbedingt handeln müssen.

Dazu passt wohl die Einladung Adornos, doch angesichts der Verzweiflu­ng in einer zerrissene­n Welt vom „Standpunkt der Erlösung“, vom ganz Unmögliche­n her zu denken. Für ihn ist dabei sogar die „Frage nach der Wirklichke­it oder Unwirklich­keit der Erlösung selber fast gleichgült­ig.“

 ?? Foto: Touristenr­egion Naturns ?? Eine unerwartet­e Begegnung, beispielsw­eise auf einer Wanderung, kann einen neuen Blick auf das Leben eröffnen.
Foto: Touristenr­egion Naturns Eine unerwartet­e Begegnung, beispielsw­eise auf einer Wanderung, kann einen neuen Blick auf das Leben eröffnen.
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