Kabelloses Laden für Elektroautos kommt
Plug-in-Fahrzeuge brauchen vielleicht bald keinen Stecker mehr. Stellantis will das erste Auto dieses Typs in vier Jahren auf den Markt bringen
Das ist das Versprechen: Aufladen von Elektrofahrzeugen mithilfe einer induktiven Übertragung von Elektronen, die all die lästigen Kabel überflüssig machen. Mehrere Start-ups arbeiten seit Jahren an einer Welt, in der aufladen ohne Kabel möglich ist. Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektroautos wächst auch die Dynamik, induktives Laden für Stromer Wirklichkeit werden zu lassen. Unternehmen schließen sich deshalb zusammen, um eine standardisierte Technologie zu entwickeln.
Aber es gibt noch Hürden: lange Ladezeiten, Investitionen und das Interesse für den Bau von Ladestationen und die Beteiligung von Autoherstellern daran. Auf dem Papier hört sich das kabellose Laden gut an. Doch die Technologie steht vor demselben Paradoxon, das auch die Einführung öffentlicher Steckdosen beeinträchtigt: Eine stärkere Verbrauchernachfrage könnte die Autohersteller dazu veranlassen, das kabellose Laden einzuführen – die wachsende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen wird aber zum Teil durch die Unsicherheit, was öffentliche Lademöglichkeiten betrifft, gebremst.
„Wenn ich ein Autohersteller wäre, würde ich wahrscheinlich zögern, ein Fahrzeug damit auszustatten, einfach weil es noch keine kabellosen Ladegeräte gibt“, sagt Michael Weismiller, Programmmanager für Forschung und Entwicklung im US
Energieministerium. „Wichtig ist, dass die Infrastruktur und die Fahrzeuge zur gleichen Zeit eingeführt werden, damit es letztendlich Sinn macht“.
Funktioniert ähnlich wie bei Handys
Das kabellose oder induktive Laden von Elektroautos funktioniert mithilfe magnetischer Resonanz und einer Ladestation, die ein stromübertragendes Feld erzeugt. Wenn sich eine Spule in einem Empfänger unter dem Auto mit einer Spule in der Ladestation ausrichtet, fängt der Empfänger diese Energie auf und speist sie in die Autobatterie ein. Die Technologie ähnelt dem kabellosen Aufladen von Mobiltelefonen, für das ebenfalls ein Empfänger und ausgerichtete Spulen erforderlich sind.
Die Geschwindigkeit ist allerdings ein Problem. Die meisten kabellosen Ladegeräte entsprechen einem Level-2-Ladegerät, welches E-Auto-Besitzer meist zu Hause haben, und nicht den Gleichstrom-Aufladestationen, die an vielen öffentlichen Tankstellen verfügbar sind. Auch Elektroautos müssen mit Blick auf das kabellose Laden entwickelt werden. Eine Nachrüstung ist zwar machbar, kann aber in der Praxis dazu führen, dass die Garantie für die Fahrzeugbatterie erlischt, sagt Amaiya Khardenavis, Analystin bei der Forschungsgruppe Wood Mackenzie.
Noch sind die Kosten hoch
Für die Automobilhersteller ist die Einführung des kabellosen Ladens immer noch schwer zu rechtfertigen: Es ist teuer und es gibt noch keine Ladestationen, die es für Autokäufer interessant machen. Alex Gruzen, CEO des Ladetechnikunternehmens WiTricity sagt, dass die kabellose Ladefunktion seines Unternehmens die Autohersteller mehrere hundert Dollar pro Auto und die Verbraucher mindestens 2.500 Dollar kosten wird – beides Zahlen, die seiner Meinung nach in den nächsten fünf Jahren sinken werden.
Diese Hürden bedeuten, dass das kabellose Laden von Elektroautos, zumindest im Moment, nur in Form von Pilotprojekten existiert. Einige Autohersteller in China und Südkorea testen die Technologie für neue Pkw. Aber viele Versuche zum kabellosen Laden sind auf Nutzfahrzeuge ausgerichtet, die in der Regel feste Routen haben und über Nacht auf festen Parkplätzen aufladen können.
Nach Angaben von WiTricity können Pkw mit der Technologie für bis zu 35 Meilen (rund 56 Kilometer) pro Stunde aufgeladen werden. „Das Aufladen ist nach wie vor einer der größten Unsicherheitsfaktoren für Käufer von Elektrofahrzeugen, und wir machen es zu etwas, das einfach im Hintergrund abläuft“, sagt Gruzen.
Wir arbeiten an einem induktiven Ladeverfahren, bei dem man noch nicht einmal etwas anschließen muss. Franz von Holzhausen, Teslas Designchef
Tesla mit eigener Technik
Teslas Designchef Franz von Holzhausen bestätigt, dass das Unternehmen seine eigene Version der Technologie verfolgt. „Wir arbeiten an einem induktiven Ladeverfahren, bei dem man noch nicht einmal etwas anschließen muss – man muss nur in die Garage fahren, über das Pad fahren und schon wird geladen“, sagte von Holzhausen.
Das Signal von Tesla weckt auch bei anderen Autoherstellern Interesse. „Das ist der große Weckruf“, sagt McCool, CEO der Elektrotechnikfirma Hevo. „Bis dahin galt das kabellose Aufladen immer noch als eine Randerscheinung. Jetzt ist es eine Trendtechnologie“.
„Das bedeutet, dass Ladegeräte für Mehrfamilienhäuser gebaut werden können“, sagt Gruzen. „Es bedeutet, dass Parkplätze, Straßenparkplätze, alle kabelloses Laden von Unternehmen übernehmen können, die sich auf diese Art von öffentlicher Infrastruktur spezialisiert haben. Und die Autohersteller können sich darauf konzentrieren, Autos zu bauen, die kompatibel sind.“
Eine ganze Straße als Ladestation
Experten sagen jedoch, dass künftige Entwicklungen in der Automobiltechnologie – insbesondere das autonome Fahren – die Argumente für das kabellose Laden verstärken könnten. Die SAE – eine Vereinigung von Ingenieuren und Verkehrsexperten – arbeitet derzeit an einer Standardmethode für die Ausrichtung von Elektroautos auf Ladesäulen, was sich als besonders wichtig erweisen wird, wenn die Autos anfangen, selbst zu fahren und zu parken.
Das Aufladen eines Elektrofahrzeugs an einer Ladestation ist auch nicht die letzte Grenze des Ladens. Die SAE plant, ihre Norm für leichte Nutzfahrzeuge zu aktualisieren, um eine Ladetechnik einzubeziehen, bei der ein Auto Strom in das Netz zurückspeisen kann. Gruzen sagt, dass die nächste Generation der kabellosen Ladekomponenten von WiTricity genau das können wird; er geht davon aus, dass er sie noch in diesem Jahr an Autohersteller verkaufen wird.
Die SAE entwickelt auch technische Richtlinien für das „dynamische induktive Laden“, also das Laden ohne Stecker, wenn ein Fahrzeug in Bewegung ist. Diese Technologie, die Straßen selbst zu Ladestationen machen könnte, steckt noch in den Kinderschuhen. Anfang dieses Monats gab Stellantis aber bekannt, dass sein Chrysler Halcyon Concept EV, das 2028 in Produktion gehen soll, mit einer dynamischen kabellosen Ladefunktion ausgestattet sein wird. Bloomberg