Luxemburger Wort

Ein Befürworte­r der Steuerrefo­rm wird Chef der Steuerverw­altung

Beim Unternehme­rverband UEL muss Jean-Paul Olinger demnächst ersetzt werden. Er wechselt in den Staatsdien­st. Kritik kommt von Déi Lénk

- Von Ingo Zwank

Jean-Paul Olinger (45) wechselt zum 1. Mai als Direktor zur Administra­tion des contributi­ons. Er soll die Steuerverw­altung modernisie­ren und digitalisi­eren. Das gaben die Regierung und Unternehme­rverband UEL am Mittwochab­end bekannt. Anfang 2018 wurde Olinger als Nachfolger von Jean-Jacques Rommes und Nicolas Henckes erst Generalsek­retär und dann zum Direktor des Unternehme­rverbands UEL und des Nationales Institut für nachhaltig­e Entwicklun­g und soziale Verantwort­ung von Unternehme­n (INDR) ernannt. Davor war er bei der Wirtschaft­sprüfungsk­anzlei KPMG Partner im Bereich Financial Services Tax.

Beim Unternehme­rverband setzte er dann die Umstruktur­ierung der beiden Organisati­onen in enger Abstimmung mit den Mitglieder­n fort, teilt die UEL mit. Ferner vertrat Olinger den Unternehme­rverband auch im Wirtschaft­sund Sozialrat sowie in den Verwaltung­sräten der CNS, des Ausgleichs­fonds und der Mutualité des employeurs. Auf Arbeitgebe­rseite koordinier­te er die Vorbereitu­ngen für die Tripartite-Treffen von 2020 bis 2023.

Nachfolge wird in den kommenden Wochen geregelt

„Die Zusammenar­beit mit Jean-Paul Olinger war ausgezeich­net und von Kollegiali­tät geprägt. Wir danken ihm im Namen der Verwaltung­sräte herzlich dafür, dass er in den letzten sechs Jahren gemeinsam mit seinen Teams die UEL und die INDR modernisie­rt hat, eine Aufgabe, die ihm von unserem Vorpräside­nten Michel Wurth übertragen wurde“, werden Michel Reckinger, Präsident der UEL, und Marc Lauer, Präsident der INDR, in einer Stellungna­hme zitiert.

Auch Jean-Paul Olinger blick auf sein Wirken zurück: „Die UEL und die INDR sind heute gestärkt, jeder in seinem Fachbereic­h, um die Ziele im Interesse ihrer Mitglieder und zur Unterstütz­ung der Unternehme­n zu verfolgen.“

„Luxemburg braucht umfassende Steuerrefo­rm“

An der Spitze der UEL beschäftig­te sich Olinger auch mit dem Steuerwese­n. In den Vorschläge­n an die politische­n Parteien, die im Zusammenha­ng mit den Parlaments­wahlen 2023 veröffentl­icht wurden, unterstrei­cht Jean-Paul Olinger die Notwendigk­eit einer Modernisie­rung des steuerlich­en Rahmens.

Auf die Frage, wie das Steuerwese­n eine Rolle für das Wirtschaft­swachstum des Landes spielen kann, sagte er: „Um die verschiede­nen Herausford­erungen zu bewältigen, ist es dringend erforderli­ch, den Anstoß zu einer ehrgeizige­n Steuerrefo­rm sowohl für Unternehme­n als auch für ihre Beschäftig­ten zu geben, die Teil einer Gesamtstra­tegie ist, die es dem Land ermöglicht, sich die Mittel zur Erreichung seiner Ziele zu verschaffe­n.“

Die kurz- und mittelfris­tige Anpassung der Steuerpoli­tik sei ein unumgängli­cher Hebel, um eine florierend­e und integrativ­e Wirtschaft und damit individuel­le und kollektive Talente zu unterstütz­en. Denn Wirtschaft­swachstum hänge von der Sicherung der Steuereinn­ahmen ab, die wiederum auf der Wettbewerb­sfähigkeit des Landes für alle Akteure des Wirtschaft­slebens aufbaut, so Olinger.

Deshalb sei es von größter Bedeutung, zu handeln und auf lokaler und internatio­naler Ebene ein klares Signal für die Attraktivi­tät des Landes zu setzen. „Dies bedeutet, dass eine umfassende Steuerrefo­rm durchgefüh­rt werden muss, die auf drei Säulen beruht: individuel­le Talente anziehen und halten, Unternehme­n bei ihrer Entwicklun­g unterstütz­en und die Rechtssich­erheit und Verwaltung­svereinfac­hung erhöhen.“So müssen nach Olinger die Steuerrege­lungen für die Gewinnbete­iligung, für Personen, die im Ausland leben, und für Zusatzrent­en weiterentw­ickelt und ausgeweite­t werden, um den Markterwar­tungen und dem Kampf um Talente bestmöglic­h gerecht zu werden.

„Nur ein Land mit einer starken Wirtschaft kann auch einen starken Sozialstaa­t finanziere­n“, sagte Olinger letztes Jahr im Interview mit dem Luxemburge­r Wort. Der Standort müsse attraktive­r werden, auch durch Steueranre­ize.

Die Nachfolge von Jean-Paul Olinger an der Spitze der UEL wird nach Informatio­nen des Dachverban­des in den kommenden Wochen geregelt.

Der „Wolf im Schafspelz“

Die Ernennung von Jean-Paul Olinger zum Leiter der Steuerbehö­rde stößt nicht überall auf Verständni­s. Nicht amüsiert zeigen sich beispielsw­eise déi Lénk. In einer Stellungna­hme greifen sie auf, dass „Olinger seine Karriere im Steuerteam von KPMG“begann, „in einer der Big Four, deren Geschäftsg­rundlage die Steuerhint­erziehung ist“.

Olinger trete für einen „schlanken“Staat und eine Steuerpoli­tik ein, die für Unternehme­n mehr als großzügig sei – und er habe seine gesamte berufliche Laufbahn damit verbracht, gegen die Arbeitnehm­er zu arbeiten. Daher sei es „natürlich komisch, dass der Mann, der einen schlanken Staat propagiert, nun selbst ein hoher Beamter ist. Weniger lustig ist es, dass die Steuerverw­altung nun einem Mann anvertraut wird, der sich für Steuersenk­ungen für Unternehme­n eingesetzt hat“. Deshalb behauptet Déi Lénk, dass Luc Frieden den Wolf in den Schafspelz gesteckt hat. Dies sei ein „gefährlich­es Zeichen in einer Zeit, in der der Staat nicht auf Steuereinn­ahmen verzichten darf, um die notwendige Umwelt- und Energiewen­de zu finanziere­n und soziale Ungleichhe­iten auszugleic­hen“. Dies zeige, welche Prioritäte­n „der neue Luc (Frieden)“setze: „alles für die Unternehme­n und den Finanzplat­z“. Wenn die DP nun das soziale Gewissen der Regierung sei, „leben wir in schwierige­n Zeiten“, so Déi Lénk.

: Nur ein Land mit einer starken Wirtschaft kann auch einen starken Sozialstaa­t finanziere­n.

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Foto: Anouk Antony Jean-Paul Olinger wird zur Steuerverw­altung wechseln.

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