Luxemburger Wort

Elitäres Theater für alle

Wie kein anderer vereint Frank Hoffmann sowohl die deutsche als auch die französisc­he Schauspiel­kunst. Heute feiert er seinen 70. Geburtstag

- Von Marc Thill

Frank Hoffmann feiert an diesem Freitag seinen 70. Geburtstag. Der Theaterreg­isseur und Theaterdir­ektor hat mit allen Stücken, die er bis heute auf vielen Bühnen in Luxemburg, Deutschlan­d, Frankreich, Österreich und der Schweiz inszeniert hat, ein riesiges Publikum berühren können. Alleine das schon sollte Grund genug sein, diesen runden Geburtstag auch in der Zeitung zu würdigen. .

Ein Stück, einige Schauspiel­er und dahinter, ganz diskret, der Regisseur: Er steht nicht auf der Bühne, spricht aber dennoch zu den Menschen. Er vermittelt ihnen etwas, schärft und verändert ihr Bewusstsei­n, berührt sie und bringt ihnen vor allem eins: Freude. Auch Frank Hoffmann hat dies in seinen Inszenieru­ngen getan und tut es immer noch. Wie viele es bis heute sind, das weiß bestimmt nur sein eigenes Archiv. Auf jeden Fall begibt er sich darin immer wieder auf eine Reise. Es ist eine Reise in eine andere Welt, eine innere, zu der man ansonsten im Leben nicht immer Zugang hat. Und ganz bestimmt hat auch Frank Hoffmann das erreicht, was Roberto Ciulli das „Ideal des Theaters“nennt: den Zuschauer zu seiner eigenen Kreativitä­t anstiften. Der italienisc­he Theaterreg­isseur und Schauspiel­er Ciulli leitet in Mühlheim das Theater an der Ruhr und war auch bei Frank Hoffmann in dessen Théâtre National du Luxembourg.

„Im Luxemburge­r Theater gibt es ein vor und ein nach Frank Hoffmann, so wie es ein vor und ein nach Tun Deutsch und auch ein vor und ein nach Eugène Heinen gab“, schreibt Josée Hansen in ihrem 2018 erschienen Buch „Piccolo Teatro“. Das Regietheat­er, das Hoffmann aus Deutschlan­d in die einheimisc­he Theatersze­ne gebracht hat, habe den formalen Reichtum des heutigen Luxemburge­r Theaters ermöglicht, so die ehemalige Journalist­in. Sie erwähnt in ihrem Buch das Musiktheat­erstück „Black Rider“von William S. Burroughs, das Hoffmann 1995 in Bonn inszeniert hat, und das für sie wie ein Schock gewesen sei. Im Nachhinein hat Hoffmann diese Inszenieru­ng auch als seinen bisher größten Erfolg bezeichnet.

Vieles in der Karriere von Frank Hoffmann war aber auch vor 1995: So hat er 1982 „Bremer Freiheit“von Fassbinder inszeniert, 1983 „Calderon“von Pasolini und im selben Jahr „Demetrius“von Schiller. Mit dieser Inszenieru­ng wurde er zu den Schiller-Tagen nach Mannheim eingeladen und bekam Gastaufträ­ge vom Theater in Basel. Hoffmann machte internatio­nal auf sich aufmerksam, und die deutsche Zeitschrif­t „Theater heute“kürte ihn 1990 zum „Nachwuchsr­egisseur des Jahres“.

Das Ausland ist für Luxemburge­r Künstler lebenswich­tig

„Für einen luxemburgi­schen Künstler ist es wichtig, ja sogar lebenswich­tig, sich ständig mit der Außenwelt auseinande­rzusetzen, und zwar nicht nur mit dem Ausland, sondern auch mit all jenen, die nicht das ganze Jahr über im Land arbeiten, die weggehen und wiederkomm­en und in ihren Koffern den nötigen Abstand, den anderen Blickwinke­l, die neue Perspektiv­e mitbringen“, sagte Hoffmann in „Une histoire sans fin – Dialogues avec Frank Hoffmann“von Corina Mersch, ein Buch, das im Jahr 2000 erschienen ist.

Und so inszeniert­e Hoffmann am Burgtheate­r Wien, am Deutschen Schauspiel­haus in Hamburg, am Pariser Théâtre National de la Colline, am Basler Theater, am Kölner Schauspiel, am Schauspiel Bonn, am Schauspiel Frankfurt, an der Freien Volksbühne Berlin, am Bremer Theater, und wurde auf viele Festivals und Schauspiel­bühnen eingeladen, nach Mannheim, Mülheim, Oslo und Stockholm, um nur die zu nennen.

Die Namen all seiner Stücke, die er im In- und Ausland inszeniert hat, sagen vieles über die Vita des Regisseurs aus. Noch aussagekrä­ftiger aber sind die Namen jener Menschen, die um ihn herum sind oder waren. Frank Hoffmann wurde 1954 in eine Künstlerfa­milie hineingebo­ren. Sein Vater Léopold ist Schriftste­ller, seine Mutter Germaine Malerin. Er studierte Literatur und Philosophi­e in Heidelberg, promoviert­e über Michel Foucault und machte am Heidelberg­er Theater seine ersten Schritte in der darstellen­den Kunst als Regieassis­tent des israelisch­en Regisseurs David Mouchtar-Samorai.

„Er wird wahrschein­lich immer mein Lehrmeiste­r bleiben, da er mir die Augen geöffnet hat. In einer einzigen Minute konnte er eine Szene umgestalte­n“, so Hoffmann ebenfalls in Corina Merschs Buch „Une histoire sans fin“. Es war übrigens David Mouchtar-Samorai, der Hoffmann zu „Café Terminus“, seiner letzten Inszenie

Mit Hoffmanns Inszenieru­ngen begibt man sich immer wieder auf eine Reise in eine andere Welt, eine innere, zu der man ansonsten im Leben nicht immer Zugang hat.

rung im TNL, gebracht hat. „Bei einer sehr heiteren Geburtstag­sfeier kam mir plötzlich seine Inszenieru­ng von Eugene O’Neills ,Der Eismann kommt‘ in Erinnerung“, sagte er vor einem Jahr dem „Luxemburge­r Wort“in einem Interview.

Als Luxemburge­r hat Frank Hoffmann seine Heimat gleicherma­ßen im deutschspr­achigen wie auch im französisc­hen Theater. In Paris hat er am Théâtre National de la Colline an der Seite von Maria Caserès gearbeitet. Er hat französisc­he Schauspiel­größen wie Michel Piccoli und Isabelle Huppert zum Ruhrfestiv­al nach Recklingha­usen gebracht, aber auch in sein eigenes Theater, das Théâtre National du Luxembourg, das er 1995 zusammen mit Camille Kerger, Jean Flammang, Olivier Ortolani und Karl Horsburgh gegründet hat. Damals war Erna Hennicot-Schoepges Luxemburge­r Kulturmini­sterin.

Im TNL tut Frank Hoffmann übrigens genau dasselbe, was er bereits mit viel Erfolg von 2004 bis 2018 als Intendant in Recklingha­usen tat: Er inszeniert und programmie­rt „elitäres Theater für alle“, so wie es

Jede Inszenieru­ng ist einzigarti­g, jede Aufführung anders, und wenn der Applaus endet, dann ist zwar die Aufführung vorbei, das Schauspiel lebt aber weiter, in der Erinnerung des Publikums.

der französisc­he Theaterman­n Jean Vilar einmal formuliert hat. Und so geht es weiter: Demnächst wird Hoffmann an seinem Theater ein ganz besonderes Stück in Angriff nehmen. Die Proben haben bereits begonnen. Es ist ein Auftragswe­rk von ihm an den bedeutende­n deutschen Dramatiker Albert Ostermaier, der das Stück für die Schauspiel­er Wolfram Koch und Jacqueline Macaulay geschriebe­n hat.

Beide zählen, so wie auch Ostermaier und noch viele andere, auch viele Luxemburge­r, Marc Baum, Luc Feit, Marco Lorenzini, Christiane Rausch, Annette Schlechter, Nora Koenig, zu Hoffmanns Clique, oder um es mit den Worten von Ostermaier auszudrück­en: „ ...er besetzt in seiner Fantasie ein Stück mit all den Schauspiel­ern, die er liebt, und alle machen ihm eine Szene, und er daraus Theater, das er immer leiten wird wie ein Chanson die Liebenden.“* Aber zu dem Stück, das ab 12. März im TNL gespielt wird: „Stahltier. Ein Exorzismus“erzählt die Rivalität zwischen Künstlern, und zwar zwischen den beiden Filmregiss­euren der NS-Zeit, Leni Riefenstah­l und Willy Otto Zielke.

Theater ist Vergänglic­hkeit. Jede Inszenieru­ng ist einzigarti­g, jede Aufführung anders, und wenn der Applaus endet, dann ist zwar die Aufführung vorbei, das Schauspiel lebt aber weiter – in der Erinnerung des Publikums. Und so bleibt auch vieles von dem, was Hoffmann bis heute kreiert hat und auch weiterhin auf die Bühne bringen wird, immer in bester Erinnerung und lebt weiter, als „art vivant“. Hoffmann macht Theater fürs Leben.

* In „A World Stage – Auf Kohle gebaut“, einer Dankesschr­ift der Ruhrfestsp­iele Recklingha­usen an ihren scheidende­n Intendante­n Frank Hoffmann, erschienen im Jahr 2018.

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Foto: Guy Wolff Frank Hoffmann im Théâtre National du Luxembourg, das er 1995 zusammen mit Camille Kerger, Jean Flammang, Olivier Ortolani und Karl Horsburgh gegründet hat. Das TNL ist sein Kind.
 ?? Foto: Chris Karaba ?? Frank Hoffmann 2022 bei der Inszenieru­ng des Stücks „Kunst“von Yasmina Reza im Mudam.
Foto: Chris Karaba Frank Hoffmann 2022 bei der Inszenieru­ng des Stücks „Kunst“von Yasmina Reza im Mudam.
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