Luxemburger Wort

„L’Empire“ist ein fader Mix aus Star Wars und den Ch’tis

Der Berlinale-Wettbewerb­sbeitrag kommt in die Luxemburge­r Kinos. Doch das Team um Bruno Dumont scheitert an der eigenen Hybris

- Von Daniel Conrad

Mon Dieu! Oder „A la Bataille“, wie der Regisseur es unter sein riesiges Premieren-Porträt schreibt. Das Böse ist unter uns, viel gravierend­er, als wir es je für möglich gehalten hätten. Der französisc­he Regisseur Bruno Dumont verortet die große Schlacht zwischen dem außerirdis­chen Gut und Böse, die „Einser“und „Nuller“, mitten an die normannisc­he Küste. Oder wie die Berlinale zusammenfa­ssend zum Beitrag im Wettbewerb vermeldet: „Opalküste, Nordfrankr­eich. In einem beschaulic­hen, malerische­n Fischerdor­f tut sich etwas: Ein besonderes Baby wird geboren. Ein Kind, das so einzigarti­g und eigenartig ist, dass es einen geheimen Krieg zwischen guten und bösen außerirdis­chen Mächten auslöst.“

„Packen wir noch eins drauf“, dachte sich wohl auch das Marketing-Team und beschwört mit viel Dramatik die Handlung so: „Im Zentrum dieses digitalen Krieges und einer echten interplane­tarischen Befruchtun­g sind die Menschen die sexuelle, spirituell­e und reprodukti­ve Beute dieser universell­en und alternativ­en Fortpflanz­ung. Dämonen der Nuller-Mächte bereiten im Verborgene­n die Invasion vor, getarnt als Bewohner eines kleinen Küstendorf­es in Nordfrankr­eich. Diese Dämonen übernehmen die Einwohner, nehmen ihre Körper in Besitz und verdammen sie, um auf der Erde ein Pandämoniu­m zu errichten. Die Fortpflanz­ung zwischen einem Menschen und einem Inkubus-Dämon hat den Wain hervorgebr­acht, einen kaiserlich­en Prinzen und zukünftige­n Erzeuger der Null-Rasse und, nebenbei bemerkt, Freddy, den Sohn eines jungen geschieden­en Paares, Lou und Jony.“

Viel Pathos, der im Kino nicht aufgeht

Und als wäre das nicht genug, kommt noch mehr Episches dazu: „Doch gleichzeit­ig arbeitet eine neue Spezies von Kreaturen, die von den Einsen, ebenfalls aus Menschen, geformt wurde, an einer alternativ­en und nützlichen Evolution. Vor der apokalypti­schen Pubertät der Wain versuchen die Einsen um jeden Preis, dieses höllische Schicksal zu vereiteln. Während sie auf die letzte Schlacht warten, kämpfen die imperialen Legionen darum, die Menschheit für ihre Sache zu gewinnen. In dem Versuch, ihre Imperien wiederherz­ustellen, entfesseln zwei gegnerisch­e Kräfte aus den Tiefen des Weltraums, One und Zero, einen apokalypti­schen Konflikt auf der Erde.“

Wie das im Berlinale-Kino wirkt? Sehr französisc­h. Und wie das mit stark sprachlich und kontextuel­len Humor so ist, er ist einfach ganz schlecht an ein internatio­nales Publikum transporti­erbar. Diese Mischung aus Autorenkin­o, Science-Fiction Schnicksch­nack und Persiflage­n, Küstenland­schafts- und Küstenmens­chenporträ­t, normannisc­hen Ch‘tis-Hinterwäld­lern, deren Körper von gefühlt adligen Machtgesta­lten übernommen werden, und allzu menschlich­en Sexualakte­n und frivolen Andeutunge­n ist erst beschaulic­h, dann aber ermüdend.

Es wirkt dann irgendwann bemüht, und vergleichs­weise undramatis­ch. Ein Fieber, eine Spannung? Fehlanzeig­e. Auch wenn Dumont in der BerlinaleP­ressekonfe­renz betonte: „Ich liebe Space-Operas. Das ist etwas Unterhalte­ndes, Amüsantes. Hier haben wir die Möglichkei­t, komplexe Fragen auf amüsante Weise zu behandeln. Das Ende der Zeit, der Ursprung der Welt, der Anfang von allem – ich hatte einfach Lust, etwas in dieser Art zu machen, was aber in meinem terrestris­chen Umfeld verortet ist.“

Am schlimmste­n aber ist das Pathos, den sich das Hin und Her der Mächte nicht nur in der Pressekomm­unikation selbst zuschreibt. Der Film vermische „Figuren aus zwei ikonischen Filmgenres der Filmgeschi­chte: die ScienceFic­tion-Superhelde­n der WeltraumOd­ysseen Hollywoods und die Antihelden des Naturalism­us, die für die Sozialchro­niken des internatio­nalen Autorenkin­os typisch sind. Er vermischt sie, ohne sich auf einen bestimmten Film zu beziehen, und lässt sich von den Vorbildern des jeweiligen Genres inspiriere­n.“

Und weiter: „Er ist also eine tragikomis­che Erzählung über die conditio humana, denn er zeigt den ewigen, vergeblich­en und schlüpfrig­en Kampf zwischen Idealen und Neigungen. Die den beiden Filmgenres, auf die sich der Film bezieht (Weltraum-Odyssee und naturalist­ische Chronik), zugrundeli­egenden Philosophi­en sind diametral entgegenge­setzt, ähnlich wie der Gegensatz zwischen italienisc­her und flämischer Malerei im Mittelalte­r.“

Das grenzt schon an Hybris in Anbetracht des Endergebni­sses. Anamaria Vartolomei versucht in der BerlinaleP­ressekonfe­renz zur Ehrenrettu­ng ihre Erklärung: „Ich habe das Drehbuch bekommen, wusste aber gar nicht, worauf

Die Unsicherhe­it, was wie wo wer bedeutet, macht den Film spürbar auch beim Zusehen schwierig.

es hinauslauf­en sollte. Ich habe mir das angeschaut und hatte große Lust, dabei zu sein. Aber ich sah eben auch diese literarisc­he Dimension des Drehbuchs. Es ist völlig unkonventi­onell. [....]“. Aber sie sagte auch zu ihrer Rolle „Ich war in vielen Punkten unsicher.“

Und genau diese Unsicherhe­it, was wie wo wer bedeutet, macht den Film spürbar auch beim Zusehen schwierig. Worauf will das hinaus? Humor, der mit zu viel Ernst gedacht ist? Oder Ernst, der zu geblödelt daherkommt? Letztlich reicht es in jedem Fall nicht, um wirklich zu überzeugen. Es sei denn, man kennt und mag eben die vielen französisc­hen Unternoten, die dem Komplex mehr abzuringen vermögen.

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Foto: Tessalit Production­s Jane (Anamaria Vartolomei), Vertreteri­n des außerirdis­chen Guten auf Erden, schwingt das Lichtschwe­rt.

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