„L’Empire“ist ein fader Mix aus Star Wars und den Ch’tis
Der Berlinale-Wettbewerbsbeitrag kommt in die Luxemburger Kinos. Doch das Team um Bruno Dumont scheitert an der eigenen Hybris
Mon Dieu! Oder „A la Bataille“, wie der Regisseur es unter sein riesiges Premieren-Porträt schreibt. Das Böse ist unter uns, viel gravierender, als wir es je für möglich gehalten hätten. Der französische Regisseur Bruno Dumont verortet die große Schlacht zwischen dem außerirdischen Gut und Böse, die „Einser“und „Nuller“, mitten an die normannische Küste. Oder wie die Berlinale zusammenfassend zum Beitrag im Wettbewerb vermeldet: „Opalküste, Nordfrankreich. In einem beschaulichen, malerischen Fischerdorf tut sich etwas: Ein besonderes Baby wird geboren. Ein Kind, das so einzigartig und eigenartig ist, dass es einen geheimen Krieg zwischen guten und bösen außerirdischen Mächten auslöst.“
„Packen wir noch eins drauf“, dachte sich wohl auch das Marketing-Team und beschwört mit viel Dramatik die Handlung so: „Im Zentrum dieses digitalen Krieges und einer echten interplanetarischen Befruchtung sind die Menschen die sexuelle, spirituelle und reproduktive Beute dieser universellen und alternativen Fortpflanzung. Dämonen der Nuller-Mächte bereiten im Verborgenen die Invasion vor, getarnt als Bewohner eines kleinen Küstendorfes in Nordfrankreich. Diese Dämonen übernehmen die Einwohner, nehmen ihre Körper in Besitz und verdammen sie, um auf der Erde ein Pandämonium zu errichten. Die Fortpflanzung zwischen einem Menschen und einem Inkubus-Dämon hat den Wain hervorgebracht, einen kaiserlichen Prinzen und zukünftigen Erzeuger der Null-Rasse und, nebenbei bemerkt, Freddy, den Sohn eines jungen geschiedenen Paares, Lou und Jony.“
Viel Pathos, der im Kino nicht aufgeht
Und als wäre das nicht genug, kommt noch mehr Episches dazu: „Doch gleichzeitig arbeitet eine neue Spezies von Kreaturen, die von den Einsen, ebenfalls aus Menschen, geformt wurde, an einer alternativen und nützlichen Evolution. Vor der apokalyptischen Pubertät der Wain versuchen die Einsen um jeden Preis, dieses höllische Schicksal zu vereiteln. Während sie auf die letzte Schlacht warten, kämpfen die imperialen Legionen darum, die Menschheit für ihre Sache zu gewinnen. In dem Versuch, ihre Imperien wiederherzustellen, entfesseln zwei gegnerische Kräfte aus den Tiefen des Weltraums, One und Zero, einen apokalyptischen Konflikt auf der Erde.“
Wie das im Berlinale-Kino wirkt? Sehr französisch. Und wie das mit stark sprachlich und kontextuellen Humor so ist, er ist einfach ganz schlecht an ein internationales Publikum transportierbar. Diese Mischung aus Autorenkino, Science-Fiction Schnickschnack und Persiflagen, Küstenlandschafts- und Küstenmenschenporträt, normannischen Ch‘tis-Hinterwäldlern, deren Körper von gefühlt adligen Machtgestalten übernommen werden, und allzu menschlichen Sexualakten und frivolen Andeutungen ist erst beschaulich, dann aber ermüdend.
Es wirkt dann irgendwann bemüht, und vergleichsweise undramatisch. Ein Fieber, eine Spannung? Fehlanzeige. Auch wenn Dumont in der BerlinalePressekonferenz betonte: „Ich liebe Space-Operas. Das ist etwas Unterhaltendes, Amüsantes. Hier haben wir die Möglichkeit, komplexe Fragen auf amüsante Weise zu behandeln. Das Ende der Zeit, der Ursprung der Welt, der Anfang von allem – ich hatte einfach Lust, etwas in dieser Art zu machen, was aber in meinem terrestrischen Umfeld verortet ist.“
Am schlimmsten aber ist das Pathos, den sich das Hin und Her der Mächte nicht nur in der Pressekommunikation selbst zuschreibt. Der Film vermische „Figuren aus zwei ikonischen Filmgenres der Filmgeschichte: die ScienceFiction-Superhelden der WeltraumOdysseen Hollywoods und die Antihelden des Naturalismus, die für die Sozialchroniken des internationalen Autorenkinos typisch sind. Er vermischt sie, ohne sich auf einen bestimmten Film zu beziehen, und lässt sich von den Vorbildern des jeweiligen Genres inspirieren.“
Und weiter: „Er ist also eine tragikomische Erzählung über die conditio humana, denn er zeigt den ewigen, vergeblichen und schlüpfrigen Kampf zwischen Idealen und Neigungen. Die den beiden Filmgenres, auf die sich der Film bezieht (Weltraum-Odyssee und naturalistische Chronik), zugrundeliegenden Philosophien sind diametral entgegengesetzt, ähnlich wie der Gegensatz zwischen italienischer und flämischer Malerei im Mittelalter.“
Das grenzt schon an Hybris in Anbetracht des Endergebnisses. Anamaria Vartolomei versucht in der BerlinalePressekonferenz zur Ehrenrettung ihre Erklärung: „Ich habe das Drehbuch bekommen, wusste aber gar nicht, worauf
Die Unsicherheit, was wie wo wer bedeutet, macht den Film spürbar auch beim Zusehen schwierig.
es hinauslaufen sollte. Ich habe mir das angeschaut und hatte große Lust, dabei zu sein. Aber ich sah eben auch diese literarische Dimension des Drehbuchs. Es ist völlig unkonventionell. [....]“. Aber sie sagte auch zu ihrer Rolle „Ich war in vielen Punkten unsicher.“
Und genau diese Unsicherheit, was wie wo wer bedeutet, macht den Film spürbar auch beim Zusehen schwierig. Worauf will das hinaus? Humor, der mit zu viel Ernst gedacht ist? Oder Ernst, der zu geblödelt daherkommt? Letztlich reicht es in jedem Fall nicht, um wirklich zu überzeugen. Es sei denn, man kennt und mag eben die vielen französischen Unternoten, die dem Komplex mehr abzuringen vermögen.