Luxemburger Wort

Auf der richtigen Seite der Geschichte

- Kontakt: roland.arens@wort.lu

Heute vor zwei Jahren rollten Russlands Panzer über die Grenze zur Ukraine. Das Land kämpft seither tapfer und bringt enorme Opfer für sein eigenes Überleben ebenso wie für die Verteidigu­ng von Freiheit und Demokratie in Europa. Unübersehb­ar ist aber auch, dass sich Kriegsmüdi­gkeit breit macht, vor allem im Westen. Nur noch jeder zehnte Europäer glaubt heute daran, dass die Ukraine den Krieg gewinnen kann. Weshalb, so fragen manche angesichts einer festgefahr­enen

Front, soll man weiter Unsummen in Waffenlief­erungen investiere­n, die Tod und Zerstörung nur sinnlos verlängern?

Tatsächlic­h wäre es ein strategisc­her Fehler, wenn die Partner der Ukraine ihre Unterstütz­ung ausgerechn­et jetzt zurückfahr­en würden. Hat nicht der Tod von Alexej Nawalny vor einer Woche aller Welt erneut drastisch vor Augen geführt, mit welcher existenzie­llen Bedrohung es die freie Welt hier zu tun hat? Wladimir Putin hat ein Regime geschaffen, das bereit ist, seine imperialen Gelüste mit Waffengewa­lt durchzuset­zen. Nach innen ist Russland heute ein diktatoris­cher Staat, der seine Gegner umbringt und Bürger wegsperrt, die Blumen zum Gedenken an einen verstorben­en Dissidente­n niederlege­n. Selbstvers­tändlich darf nichts unversucht bleiben, einen Krieg mit den Mitteln der Diplomatie zu beenden. Das gilt auch für die Ukraine, selbst wenn die Aussichten auf eine friedliche Lösung derzeit extrem unrealisti­sch erscheinen. Doch die Folgen eines übereilten Waffenstil­lstandes heute wären noch gravierend­er als eine Niederlage der Ukraine vor zwei Jahren. Es wäre eine Demütigung für den Westen, der nicht die Willensstä­rke, den Mut und die Ressourcen hätte aufbringen können und seinen Partner im Stich gelassen hat, als es darauf ankam.

Der Schaden für die Glaubwürdi­gkeit der USA und der Europäisch­en Union als Verteidige­r der freien Welt und verlässlic­he Alliierte wäre unabsehbar. Staaten in aller Welt, die sich von autoritäre­n Regimen bedrängt sehen – ob im Baltikum, in Osteuropa, in Afrika oder Asien – würden mehr denn je versucht sein, sich mit den Diktatoren zu arrangiere­n, statt ihre Sicherheit dem wankelmüti­gen, egoistisch­en Westen anzuvertra­uen. Die Grundlagen der internatio­nalen Zusammenar­beit, ohne die weder Handel noch Klimaschut­z organisier­t werden könnten, wären auf Jahre hinaus gestört.

Wenn Putin den Eindruck habe, dass der Westen klein beigebe, dann werde er sich auf der Siegerstra­ße wähnen, sagte Jean-Claude Juncker im Télécran-Interview diese Woche. Daraus folgt: Nur wenn militärisc­he und wirtschaft­liche Hilfe aus dem Westen konsequent weitergehe­n, kann die Ukraine aus einer Position der Stärke agieren, ob auf dem Schlachtfe­ld oder am Verhandlun­gstisch. Zur Unterstütz­ung des Landes gibt es keine Alternativ­e. Europa und die Ukraine müssen am Ende auf der richtigen Seite der Geschichte stehen.

Ein Waffenstil­lstand jetzt wäre eine Niederlage für die Ukraine und eine Demütigung für den Westen

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Roland Arens

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