Deutschland erlaubt das Kiffen
Ab 1. April dürfen Erwachsene straf-, aber nicht regellos Cannabis konsumieren. Im Bundestag streiten Befürworter und Gegner erbittert
Keine fünf Minuten dauert es, da geht es – man muss es, gerade bei diesem Thema, so ausdrücken – schon ab im Deutschen Bundestag. Auf der Tagesordnung steht das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“, kurz: „CanG“– und anders als an anderen Freitagnachmittagen ist das Plenum voll. Denn verhandelt und abgestimmt wird die Legalisierung des Kiffens für Erwachsene – und also eines der zentralen gesellschaftspolitischen Projekte der Ampel-Koalition. Seit Jahrzehnten ersehnt von den einen – von den anderen verdammt als verwerflicher Werteverfall.
Die Fakten sind – weitgehend – unbestritten: Vier bis fünf Millionen Erwachsene zwischen 18 und 65 konsumieren regelmäßig Cannabis, außerdem eine nicht bekannte Zahl Jugendlicher und Kinder. Der Stoff stammt vom Schwarzmarkt, unkontrolliert auf Stärken und Beimischungen. 180.000 konsumbedingte Strafverfahren beschäftigen jährlich Polizei und Gerichte.
Und ja, es gibt dieses Video von Cem Özdemir, Minister für Landwirtschaft, grün, dem – mitten im Park, mitten ins Interview über Warnwesten für Hühner – ein vorbeiskatender Langhaariger zuruft: „Cem! Wann Bubatz legal?“„Wenn’s nach mir geht, bald“, antwortet ein erst lachender und dann schulterzuckender Özdemir.
Besitz, Handel und Anbau nicht mehr grundsätzlich verboten
Das ist knapp zwei Jahre her, der Clip ging viral, und seitdem wissen auch Nicht-Kiffer, was Bubatz ist. Und fast so lang weiß Karl Lauterbach, ob der Tag auch sein Freund ist mit einem Joint. Ohne Probekonsum wollte der Bundesgesundheitsminister, Mediziner im Erstberuf, sich nicht ans CanG machen.
Nun ist es geschrieben, verändert, mit der EU abgestimmt. Die Eckpunkte: Besitz, Handel und Anbau von Cannabis sind nicht mehr grundsätzlich verboten. Erlaubt stattdessen: der Besitz von 25 Gramm getrockneten Pflanzen zum Eigenkonsum in der Öffentlichkeit, in der Wohnung 50 Gramm. Dort dürfen auch drei Pflanzen angebaut werden. Drei Monate nach Inkrafttreten können sich in „Cannabis-Clubs“bis zu 500 Bubatz-Fans zum gemeinschaftlichen Anbau zusammentun. Jedes Mitglied darf pro Tag maximal 25, pro Monat maximal 50 Gramm erhalten; wer noch nicht 21 ist, maximal 30 Gramm pro Monat. Die Clubs müssen ihre Areale gut sichern, die Abgabe dokumentieren – und Werbung ist tabu.
Strafbar bleibt die Weitergabe an Kinder und Jugendliche, verboten wird der Konsum auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten – und in 100 Meter Luftlinie um deren Eingangsbereich.
Die Ampel, vorneweg Lauterbach, glaubt – oder hofft zumindest -, dass man so den illegalen Dealern
das Handwerk legen und den Kinder- und Jugendschutz verbessern kann. CDU/CSU und AfD glauben das nicht – die Linke hält die Union deswegen für verlogen. „Jedes Jahr beim Oktoberfest die Kotzzüge anschauen“, zürnt der aus Bayern stammende Ates Gürpinar, „aber Cannabis bringt unsere Kinder um!“
Ähnlich scharf fetzt für die Union Simone Borchardt dem Gesundheitsminister stellvertretend für die ganze Ampel hin: „Sie machen Politik für Ihre Ideologie und nicht für das Land!“Lauterbach, der noch einmal betont hat, wie lange er selbst Gegner der Legalisierung war, hält dagegen, er folge den Wissenschaftlern, vorneweg den Suchtforschern: „Wir müssen weg von der Bestrafung, weg von der Tabuisierung!“
Viertel vor vier steht fest: Ab 1. April ist „Bubatz legal“. Lauterbach übrigens schweigt zu seiner Kiff-Erfahrung. „Sagte ich negativ“, hat er gesagt vor gut eineinhalb Jahren, „würde man mir nicht glauben. Und sagte ich positiv – würde ich die falsche Botschaft setzen.“