Österreichs Ex-Kanzler wegen Falschaussage verurteilt
Mit 31 Jahren war Sebastian Kurz der jüngste Kanzler der Alpenrepublik. Dem steilen Aufstieg folgte jedoch ein tiefer Sturz. Und nun ein deutliches Urteil
Über vier Monate hat der Prozess gegen Sebastian Kurz, den gefallenen Popstar der österreichischen Innenpolitik, gedauert. Und die 13 Verhandlungstage transportierten ein zunehmend irritierendes Bild: Es ging um eine vergleichsweise Petitesse – nämlich um die angeklagte Falschaussage in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, mit der Kurz seine Einflussnahme bei Postenbesetzungen bei der Staatsholding ÖBAG kleinreden habe wollen. Ob er „na“oder „nein“gesagt hat – zu einer Einflussnahme, die gar nicht strafbar gewesen wäre.
Am Freitagabend fiel das überraschend deutliche Urteil: Der ehemalige österreichische Bundeskanzler und einstige ÖVP-Chef wurde in erster Instanz wegen Falschaussage zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli erhielt wegen desselben Delikts eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. In bestimmten Punkten gab es auch Freisprüche, etwa zur Vorstandsbestellung.
Damit gab es bedingt auch die Antwort auf die Frage, die zumindest medial den gesamten Prozess begleitet hat: Kommt er zurück? Will Sebastian Kurz nach der Hexenjagd gegen ihn – so verstand er die juristische Strafverfolgung – wieder auf den Thron? Zumal seine ÖVP unter ihrem aktuellen Kanzler Karl Nehammer im Wahljahr verheerend schwächelt? Also im Wahljahr geht sich wohl nix mehr aus.
Im Prozess gab Kurz den Wehleidigen, so wie er die gesamte Strafverfolgung gegen ihn als Verschwörung der ihm übel gesinnten Opposition gemeinsam mit der politisch linksdominierten Anklagebehörde, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), darstellte. Es ging um den sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschuss, der mögliche Korruption in der ÖVP-FPÖ-Regierungszeit (2017-2019) untersuchte.
Die WKStA warf Kurz vor, etwa bei der Beförderung seines politischen Freundes Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG mitgesprochen zu haben. Sichergestellte, teils peinliche Chats Schmids mit Kurz schienen das zu bestätigen – Schmid selbst („Ich liebe meinen Kanzler“und Küsschen in den Chats – „Kriegst eh alles, was Du willst“als Kurz-Antwort) hatte vor dem Prozess mit Kurz gebrochen und sich der Justiz als Kronzeuge angeboten.
Vom Society-Parkett zurück in die Politik?
Im Prozess versuchte die Verteidigung von Kurz und seinem mitangeklagten ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli die Glaubwürdigkeit Schmids zu untergraben – unter anderem mit zwei russischen Geschäftsleu
ten, die aussagen sollten, dass die WKStA Schmid zu Kurz-kritischen Aussagen gedrängt habe. Taten sie so aber nicht – die Auftritte per Video-Call gerieten eher zur Farce.
Kurz hatte 2017 eher handstreichartig die ÖVP, damals Koalitionspartner der SPÖ, übernommen, die Koalition aufgekündigt und die darauffolgenden Wahlen fulminant gewonnen. Nach einer nach eineinhalb Jahren gescheiterten Ehe mit den Rechtspopulisten der FPÖ gewann Kurz die neuerlichen Wahlen und koalierte ab 2020 mit den Grünen – ehe er im Herbst 2021 aufgrund der Ermittlungen und drohenden Prozesse hinwarf – werfen musste.
Seither ist Sebastian Kurz, der mit 31 jüngster Kanzler der Republik war, als erfolgreicher Business-Man und Stratege unter anderem für den Trump-Freund und Tech-Milliardär Peter Thiel um die halbe Welt unterwegs. Mit einem Millionen-Beraterhonorar für den in Milliarden-Insolvenzen geschlitterten Signa-Immobilienjongleur René Benko, der während Kurz‘ Kanzlerschaft oft in dessen Windschatten auftauchte, geriet Kurz vor einigen Wochen in die Schlagzeilen – sonst findet er sich dort eher mit Auftritten auf dem Wiener Society-Parkett und bei diversen Veranstaltungen. Was Spekulationen nährte, ob er nicht, einmal juristisch reingewaschen, Lust auf eine Rückkehr in die Politik habe, eine Wiederauferstehung des früher von der ÖVP so gefeierten politischen „Messias“.
Aber gegen Kurz sind noch weitere, vielleicht gewichtigerer Ermittlungen am Laufen. Es geht um die sogenannte Inseratenaffäre und den Vorwurf, dass mit Wissen oder im Auftrag Kurz' Meinungsumfragen manipuliert und Medienberichterstattung zu seinen Gunsten bestellt worden sei (um seinerzeit die Übernahme der ÖVP einzuläuten). Vorwurf: Untreue und Bestechung.
Im Prozess gab Kurz den Wehleidigen, so wie er die gesamte Strafverfolgung gegen ihn als Verschwörung [...] darstellte.