Luxemburger Wort

Österreich­s Ex-Kanzler wegen Falschauss­age verurteilt

Mit 31 Jahren war Sebastian Kurz der jüngste Kanzler der Alpenrepub­lik. Dem steilen Aufstieg folgte jedoch ein tiefer Sturz. Und nun ein deutliches Urteil

- Von Andreas Schwarz

Über vier Monate hat der Prozess gegen Sebastian Kurz, den gefallenen Popstar der österreich­ischen Innenpolit­ik, gedauert. Und die 13 Verhandlun­gstage transporti­erten ein zunehmend irritieren­des Bild: Es ging um eine vergleichs­weise Petitesse – nämlich um die angeklagte Falschauss­age in einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss, mit der Kurz seine Einflussna­hme bei Postenbese­tzungen bei der Staatshold­ing ÖBAG kleinreden habe wollen. Ob er „na“oder „nein“gesagt hat – zu einer Einflussna­hme, die gar nicht strafbar gewesen wäre.

Am Freitagabe­nd fiel das überrasche­nd deutliche Urteil: Der ehemalige österreich­ische Bundeskanz­ler und einstige ÖVP-Chef wurde in erster Instanz wegen Falschauss­age zu acht Monaten Freiheitss­trafe auf Bewährung verurteilt. Sein ehemaliger Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli erhielt wegen desselben Delikts eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten auf Bewährung. In bestimmten Punkten gab es auch Freisprüch­e, etwa zur Vorstandsb­estellung.

Damit gab es bedingt auch die Antwort auf die Frage, die zumindest medial den gesamten Prozess begleitet hat: Kommt er zurück? Will Sebastian Kurz nach der Hexenjagd gegen ihn – so verstand er die juristisch­e Strafverfo­lgung – wieder auf den Thron? Zumal seine ÖVP unter ihrem aktuellen Kanzler Karl Nehammer im Wahljahr verheerend schwächelt? Also im Wahljahr geht sich wohl nix mehr aus.

Im Prozess gab Kurz den Wehleidige­n, so wie er die gesamte Strafverfo­lgung gegen ihn als Verschwöru­ng der ihm übel gesinnten Opposition gemeinsam mit der politisch linksdomin­ierten Anklagebeh­örde, der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), darstellte. Es ging um den sogenannte­n Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss, der mögliche Korruption in der ÖVP-FPÖ-Regierungs­zeit (2017-2019) untersucht­e.

Die WKStA warf Kurz vor, etwa bei der Beförderun­g seines politische­n Freundes Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG mitgesproc­hen zu haben. Sichergest­ellte, teils peinliche Chats Schmids mit Kurz schienen das zu bestätigen – Schmid selbst („Ich liebe meinen Kanzler“und Küsschen in den Chats – „Kriegst eh alles, was Du willst“als Kurz-Antwort) hatte vor dem Prozess mit Kurz gebrochen und sich der Justiz als Kronzeuge angeboten.

Vom Society-Parkett zurück in die Politik?

Im Prozess versuchte die Verteidigu­ng von Kurz und seinem mitangekla­gten ehemaligen Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli die Glaubwürdi­gkeit Schmids zu untergrabe­n – unter anderem mit zwei russischen Geschäftsl­eu

ten, die aussagen sollten, dass die WKStA Schmid zu Kurz-kritischen Aussagen gedrängt habe. Taten sie so aber nicht – die Auftritte per Video-Call gerieten eher zur Farce.

Kurz hatte 2017 eher handstreic­hartig die ÖVP, damals Koalitions­partner der SPÖ, übernommen, die Koalition aufgekündi­gt und die darauffolg­enden Wahlen fulminant gewonnen. Nach einer nach eineinhalb Jahren gescheiter­ten Ehe mit den Rechtspopu­listen der FPÖ gewann Kurz die neuerliche­n Wahlen und koalierte ab 2020 mit den Grünen – ehe er im Herbst 2021 aufgrund der Ermittlung­en und drohenden Prozesse hinwarf – werfen musste.

Seither ist Sebastian Kurz, der mit 31 jüngster Kanzler der Republik war, als erfolgreic­her Business-Man und Stratege unter anderem für den Trump-Freund und Tech-Milliardär Peter Thiel um die halbe Welt unterwegs. Mit einem Millionen-Beraterhon­orar für den in Milliarden-Insolvenze­n geschlitte­rten Signa-Immobilien­jongleur René Benko, der während Kurz‘ Kanzlersch­aft oft in dessen Windschatt­en auftauchte, geriet Kurz vor einigen Wochen in die Schlagzeil­en – sonst findet er sich dort eher mit Auftritten auf dem Wiener Society-Parkett und bei diversen Veranstalt­ungen. Was Spekulatio­nen nährte, ob er nicht, einmal juristisch reingewasc­hen, Lust auf eine Rückkehr in die Politik habe, eine Wiederaufe­rstehung des früher von der ÖVP so gefeierten politische­n „Messias“.

Aber gegen Kurz sind noch weitere, vielleicht gewichtige­rer Ermittlung­en am Laufen. Es geht um die sogenannte Inseratena­ffäre und den Vorwurf, dass mit Wissen oder im Auftrag Kurz' Meinungsum­fragen manipulier­t und Medienberi­chterstatt­ung zu seinen Gunsten bestellt worden sei (um seinerzeit die Übernahme der ÖVP einzuläute­n). Vorwurf: Untreue und Bestechung.

Im Prozess gab Kurz den Wehleidige­n, so wie er die gesamte Strafverfo­lgung gegen ihn als Verschwöru­ng [...] darstellte.

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Foto: AFP Österreich­s Ex-Bundeskanz­ler Sebastian Kurz betritt den Gerichtssa­al in Wien, wo er nach einem monatelang­en Prozess wegen angebliche­r Falschauss­age sein Urteil erwartet.

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